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Damit hob er meine vermeintliche Ehehälfte in seinen hübschen Wagen und wir rasselten an massigen, riesigen Häusern, an Arkaden, Kirchen und Brücken vorbei und den mit Myriaden funkelnder Lichter erhellten, belebten Newsky Prospekt hinab. Und während dieser ganzen Fahrt spielte Frau Dick Gaines zu meinem Entsetzen und Erstaunen die ängstlich besorgte Mutter, die sich aufs eindringlichste nach der Gesundheit, dem Tun und Lassen und den Beschäftigungen ihrer Tochter erkundigte. „Du kannst dir gar nicht vorstellen, Con- stantin. wie sehr ich das süße Mädchen vermisse," lispelte sie; „ihr Männer kennt eben das Herz einer Mutter nicht."
Nun waren wir am Hotel angelangt und Weletsky verabschiedete sich mit der Bemerkung: „Ich vermute, meine Neffen Sascha und Boris werden noch heute abend bei euch vorsprechen. Vielleicht kannst du, lieber Lenox, nock ein bischen zu mir kommen, wenn du von der Reise nicht allzu ermüdet bist? Morgen früh besucht dich natürlich meine Frau, du reizende, kleine Amerikanerin." Damit gab er Helene nochmals einen Kuß und fuhr fort.
Uns führte man in eine sehr schöne ineinandergehende Wohnung mit Aussicht auf den Michael Strauß.
Daß wir in Weletskys Wagen angefahren und Amerikaner waren, verlieh uns, im Verein mit den zahlreichen großen Koffern der gnädigen Frau, unbeschränktes Ansehen im Hotel.
Diese Koffer wurden dann auch in einem luxuriös ausgestatteten Schlafgemach untergebracht, das auf der einen Seite unsres Empfangszimmers lag, während eiu zweites Schlafzimmer, das von der andern Seite in den Salon führte, für mich und mein Gepäck bestimmt zu sein schien.
Als Frau Gaines dies sah, bemerkte sie, während sie nachlässig Schuba und Pelz abwarf: „Du mußt mich für,, eine halbe Stunde entschuldigen, lieber Arthur;
meine Koffer sind hier. Ich gehe ins an-j dere Zimmer und suche den Eisenbahn-1 staub loszuwerden; vielleicht wäre es ratsam, wenn du es ebenso machtest, denn der Ruß kleidet dich auch nicht besonders."
Damit deutete sie nach der andern Seite des Zimmers, machte mir eine feierliche Verbeugung, lachte ein wenig über mein Aussehen, das allerdings etwas schmutzig war und verschwand.
Da ich ihren Rat für gut hielt, befolgte ich ihn.
Nach etwa einer halben Stunde trat ich im Gesellschaftsanzug eines amerikanischen Gentleman — meine noch ganz aufrechte, kriegerische Gestalt nimmt sich, Gott sei Dauk, auch heute noch gut darin aus — in das prächtige Empfangszimmer, wo für uns beide gedeckt wurde.
„Legen Sie nur gleich drei Gedecke auf," sagte ich rasch.
„Warum drei?" ertönte es aus dem andern Zimmer herüber, dessen Tür sich eben öffnete. Nun erschien Frau Gaines, funkelnde Diamanten an den Weißen entblößten Armen, um Nacken und Schultern, in einem Kleid, das mehr für ein junges Mädchen als für eine Frau geeignet schien, denn es bestand aus einem weißen, leichten Stoff, der sich so an sie anschmiegte und ihre Formen so plastisch hervorhob, daß sie aussah wie eine Statue.
„Wen erwartest du denn?" rief sie, während sie rasch eintrat und auf mich zuschritt.
„Dick natürlich, ich will eben gehen und ihn holen."
„Ah," sagte die Dame, indem sie mit einer Spange spielte, die den runden Arm umschloß, „wie wär's denn, wenn wir Dick noch eine oder zwei Stunden warten lie- ßen? "
„Vielleicht wäre das ein guter Gedanke; Dick ist ein recht ungezogener Junge und hat Strafe verdient!" stimmte ich lachend bei, glücklich über diese Mahlzeit unter vier
Augen — noch glücklicher aber darüber, daß sie es so wünschte.
Plötzlich schreckte ich zusammen: sie wandte sich an den Kellner und sagte: „Ich erwarte Briefe hier vorzufinden. Bringen Sie mir, was für Frau Arthur Lenox eingelaufen ist."
Als der Mann unter ehrerbietigen Verbeugungen das Zimmer verlassen hatte, konnte ich meinen Acrger darüber, daß sie sich beständig den Namen meiner Frau anmaßte, nicht länger unterdrücken.
„Sie spielen Ihre Rolle gut, nur zu gut," sagte ich streng; „Sie haben sogar Lauras Namen angenommen und sind nun mit den Verwandten meiner Tochter als meine Frau bekannt geworden. Die Sache muß ein Ende nehmen und zwar sofort. Ich weiß, es wird dem armen Dick sehr schwer fallen, denn natürlich wird sich ein kleiner Skandal und viel Klatsch an Ihren Namen heften und für mich wird ein sehr unangenehmes Wiedersehen mit meiner Tochter, vielleicht auch mit meiner Frau daraus erwachsen, aber ehe eine Stunde um ist, gehe ich und treibe Dick auf, dann werde ich ihm sagen, wie ich Ihnen an der Grenze aus der Patsche geholfen und daß Sie sich hier selbst in eine noch schlimmere gebracht haben. Vielleicht verzeiht er unS, wenn das Essen recht gut ist."
Dann blickte ich mich um in dem reichen Gemach, betrachtete den Tisch mit den Hellen Wachskerzen, dem blitzenden Krystall und dem schneeigen Damast nnd rief mit spöttischem Lachen: „Was würde Dick Gaines dazu sagen?"
Doch erstaunt hielt ich inne. Der Kellner hatte ihr einen Brief gebracht — einen an meine Frau überschriebenen Brief. Sie erbrach ihn hastig, warf einen Blick darauf und drehte sich dann nach mir um. Ich blickte in ihr Gesicht und der letzte Scherz, den ich in meinem Leben über Dick Gaines gemacht habe, erstarb mir auf den Lippen.
(Forts, folgt.)
W i l d b a d.
Bekanntmachung.
Die feuerwehlpflichtigen Einwohner, soweit sie bei der frei- willigen Feuerwehr noch nicht eingestellt sind, werden aufgefordert. sich
spätestens vis 31. März d. I.
bei dem Feuerwehrkommando zu melden, widrigenfalls sie die für den Nichteintritt festgesetzte Jahresabgabe zur Feuerlöschkasse zu bezahlen haben.
Den 10. März 1905. Stadtschultheißenamt:
A. V. Baetzner.
Mrttemb. Kredit-Verein.
Es wird auf den am 15. und 25. Februar veröffentlichten Aufruf hingrwiesen, wonach die Frist zur Abstem- pelung
Wserer »ligm Schuldmschreilmngkn
auf 3'/r Prozent am
28. März ds. Js. abläuft.
Stuttgart, 11. März 1905.
Namens des Vorstandes
die Direktion: Tafel.
Lasche zur StMschultheißeu-Vahl.
1) Wir wünscken, daß aus der Wahl des Gemeinde-Vorstandes keine politische Parteifrage gewacht wird.
2) Wir wünschen uns einen Mann von absoluterUn- parteilichkeit, frei von allen Rücksichten auf Parteien, Cliquen und Anhänge irgend welcher Art; wir wünschen keine Begünstigung nach irgend einer Seite, sondern gleiches Recht für alle.
3) Wir wünschen uns einen Mann, der, ausgestattet mit den nötigen Fähigkeiten und Eigenschaften völlig unbefangen und vorurteilsfrei an die Einwohnerschaft und an die örtlichen Verhältnisse herantritl und sich darein einarbeitet.
Es liegt darin der Vorteil, daß auch neue Gesichtspunkte sich auftun können.
Vor Neuerungen, welche unsren örtlichen Verhältnissen unzuträglich wären, schützen uns ja die bürgerlichen Eollegien mit ihrer Ersahrnng und Kenntnis der einschlägigen Verhältnisse. § 4) Wir wünschen uns einen Mann, der die Wählerschaft
! nicht im einzelnen kennt, damit nicht nach der Wahl eine Spann- -ung zwischen dem Gewählten und einem Teil der Bürgerschaft i entsteht, welche der friedlichen Entwicklung des bürgerlichen Lebens hinderlich ist.
5) Der oberste Gesichtspunkt ist, neben den Fragen des bürgerlichen Lebens, die gedeihliche Fortentwicklung und die vornehme Repräsentation unsres Kurorts im Zusammenwirken mit der König!. Badverwaltung. Dabei weisen wir auf den Aufschwung unsrer Nachbarstädte Calw und besonders Freudenstadt unter ihren der Beamtenlaufbahn entnommenen Gemeindevorsiänden nachdrücklich hin.
6) Bestehende alte Rechte der Bürgerschaft, wie in erster i Linie unsre Bürgernutzung. dürfen selbstverständlich nicht ange.
Mets Wähler.