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Berlin, 9. März. Aus St. Peters­burg meldet man dem Lok.-Anz. über den Eindruck der Niederlage u. a. folgende-: Einige taktische Geschicklichkeiten ausgenom- men, wird die jüngste Leistung Kuropatkin- scharf getadelt und seine Abberufung dürfte nunmehr zur Tat werden. Angesichts dieser Lage kam der Beschluß der Kriegspartei nicht überraschend, die verlangt, eine neue Armee von 400000 Mann nach Ostasien zu senden. Den Russen stehen zur Bildung dieser Armee noch 15 intakte Korps zur Verfügung. Man spricht sogar davon, den greisen Dragomiroff, der immer noch das höchste Ansehen in der Armee genießt, an die Spitze zu stellen, um den Geist der Truppen, der unter der Führung Kuro- patkins außerordentlich gelitten hat, zu beleben. Diese Entschlüsse sind aber, wie hervorgehoben werden muß, lediglich von der Kriegspartei beraten, ohne den schließ­lich maßgebenden Einfluß der Staatsleitung zu berücksichtigen. Man ist hier überzeugt, daß es der Friedenspartei gelungen wäre, den Befehl des Zaren an Kuropatkin zu Unterhandlungen über einen Waffenstill­stand zu erwirken, wenn eS Kuropatkin geglückt wäre, wenigstens seine Stellungen am Schaho zu behaupten.

Wien, 4. März. Ein Sonderbericht der Neuen Freien Presse" aus Baku vom 24. Februar, vermutlich von armenischer Seite, schildert die grauenvollen Vorgänge daselbst. Mehr als tausend Menschen seien erschossen, erstochen, lebendig verbrannt worden, dar­unter Greise, Frauen und Kinder, in Gegen­wart der Polizei. Das Gemetzel dauerte von Montag bis Miltwoch. Noch am Don­nerstag lagen die Toten auf den Straßen. Diele Brunnen sind voll Leichen. Die Polizei lieferte den Tataren Waffen. Parole für das Militär war Nichteinmischung; nur wo die Armenier obzusiegen schienen, hieben Kosaken auf sie ei», was nur einige Male geschah, da die Tataren vorzüglich bewaffnet waren, die Armenier aber nicht. In einem Hause wurden mehr als 40 Menschen lebendig verbrannt; wer aus den Flammen entkam, wurde sofort ermordet. Offiziere, Soldaten und Kosaken standen dabei. Zwei Tage verteidigten sich die Insassen. Dann wurde nach Entfernung aller Waren und der Nichtarmenier das Haus mit Petroleum begossen und angezündet, den Besitzer mit Frau und Neffen holte man aus dem Keller, stach ihnen die Augen aus und ermordete sie. Der Gouverneur erklärte:Ich kann nichts machen." Nur für Geld retteten die Soldaten die Armenier. Ein zu den Ko­saken geflüchteter Armenier wurde mit Kolben geschlagen und zurückgetrieben, bis er ermordet wurde. Nach anderen Nach­richten ist der Kampf auf die Armenier zurückzusühren, deren Geheimbund den Angriff auf die Tataren befahl. Die Wahr­heit läßt sich nicht seststellen.

Aus St. Petersburg meldet der Lokalanz.: In Thula Nowgorod und in Nischni-Nowgorod verweigerten die Bauern die Zahlung der Steuern und plünderten die Steuereinnehmereien.

Tokio, 9. März. Kuropatkin ist offen­bar geschlagen. Die Schlacht war die blutigste des ganzen Kriegs.

Tokio, 9. März. Die Japaner haben Mukden besetzt. Die Russen find vollständig geschlagen und überall im Abmarsch be­griffen. Die Japaner setzen die Bemühungen fort, ihnen den Rückzug abzuichneiden. In Tokio herrscht große Begeisterung.

Tokio, 10. März. Die Japaner er­beuteten in den Kämpfen um Mukden ins­

gesamt 57 Geschütze, ferner 47 000 Gewehre, und 42020 Eisenbahnwagen mit verschiede, nen Gegenständen. Die Zahl der Gefangenen ist noch unbekannt.

Obgleich der wirkliche Umfang des Erfolges bei Mukden unbekannt ist, feiert die Bevölkerung von Tokio bereits den Sieg. Ueberall ist in der Stadt geflaggt. Die Menge in den Straßen kauft eifrig die von den Zeitungen herausgegebenen Extrablätter. Im Kriegsministerium und beim Generalstab laufen zahlreiche Glück­wünsche ein.

Wie heiß der Kampf um Mukden getobt hat, ist daraus zu ersehen, daß in Tokio die japanischen Verluste auf 50 000 Mann und die Gesamtverluste auf beiden Seiten auf weit mehr als 100000 Mann geschätzt werden.

Tokio, 10. März. Marschall Oyama berichtet, daß die japanischen Truppen heute vormittag 10 Uhr Mukden besetzten. Er berichtet ferner, daß die Einschließungs- operation seit einigen Tagen erfolgreich durchgeführt wurde und daß der blutigste Kampf an mehreren Punkten in der Nähe von Mukden im Gange ist. Wie Mar­schall Oyama weiter berichtet, haben die Ein- schließungsmanöver der Japaner vollkom­menen Erfolg gehabt. Die Japaner haben eine große Zahl Gefangener gemacht und gewaltige Mengen von Waffen- und Mu­nitionsvorräten erbeutet.

Der Krieg währt nun schon 13 Monate und in den letzten 10 Monaten konnten die tapferen Japaner ihre ebenso tapferen und zähen Gegner nur etwa 150 Kilometer znrückdrängen. Bis zur alten russischen Grenze ist cs noch viermal so weit und dann stünden die Japaner erst am ruffisch.chinesischen Grenzfluß Amur!

LokcrLes.

Wildbad, 11. März. ImStaats- anz." wird folgende Bekanntmachung ver­öffentlicht:Stadtgemeinde Wildbad. Be« werber-Aufruf. Infolge Ablebens des seitherige» Inhabers ist die Stelle des Stadtschultheißen, Ratschreibers und Stan- deSbeamten mit einem fixen Gehalt von 5500 Mk. neu zu besetzen. Nebengebühren sind in die Stadlkasse abzuführen. Be­fähigte Bewerber wollen ihre mit Natio­nale und Zeugnissen belegten Meldungen innerhalb 10 Tagen bei dem Unterzeich­neten einreichen. Dem Inhaber steht die Wohnung im Rathaus, wie von dem seit- herigen Beamten innegehabt, um 500 Mk. jährlichen Mietzins zur Verfügung. Den 10. März 1905. Gemeinderat. Vorstand A. V. Bätzner." Die Wahl wird voraus­sichtlich am 1. April staitffnden.

MrrtevhLll'tenSes.

Meine offizielle Frau.

Von

Col. Richard Henry Savage.

(Forts.) (Nachdruck verboten.)

Bei St. Georg", dachte ich, nichk ohne eine gewisse Herzensbeklemmung,sie hat's auch noch auf den alten Dickkopf da abge- sehen !"

Dieser schien auch wirklich in die Schling» geraten zu sein, denn sobald die Fürstin eingestiegen war, bat er mich um die Ehre, meiner Frau vorgestellt zu werden.

Helene empfing ihn aufs freundlichste und machte ihn gleich darauf auch mit der Prinzessin bekannt, allein diese aristokrati­

sche junge Dame behandelte ihn völlig als Luft und nachdem sie ihn eine Weile ge­schnitten hatte, empfahl sich Baron Fried­rich den Damen. Als er sich mit glitzern- den Aeuglein über die Hand meiner Gat­tin beugte, murmelte er:Was für eine jugendliche Großmama" und entfernte sich, während die Prinzessin über die Verlegen­heit Frau Dicks lachte, die sich von dieser Bemerkung nicht besonders angenehm be­rührt zu fühlen schien.

Bald danach fuhr der Zug ab. Als ich an ihrer Thür vorüberging, flüsterte mir Helene zu:Es gibt nur einen Aus­weg! Bringen Sie mich ins Hotel, suchen Sie Dick und dann gestatte ich Ihnen, falls es nötig ist, mich den WeletSky ein ganz klein bischen zu opfern, gerade soviel, als nötig ist, um Sie selbst zu retten."

Wenn Dick das hörte," flüsterte ich so würde er sich schön dafür bedanken."

O nein, das macht ihm nichts," sagte sie unter Lachen,daran ist er schon ge­wöhnt." Damit lief sie in ihr Coups und ließ mich sehr verwundert zurück, denn der Dick von 1868 in West Point würde mit dem Namen seiner Frau keinen Spaß ver­standen haben.

Als ich wieder mit Baron Friedrich allein war, brachte er die Unterhaltung so­fort auf meine Fran, deren Jugend und Schönheit er unerhört fandfür eine Dame, die, wie man mir sagt, schon Großmutter ist."

Und ich, durch die empfangene gesell­schaftliche Auszeichnung und den bei Tisch getrunkenen Champagner etwas berauscht, wünschte durch meine verwandtschaftlichen Beziehungen auf meinen Gefährten Ein­druck zu machen und erzählte nun, meine Frau sei eine Banderbilt-Astor, welcher Mitteilung ich einige Schilderungen der New-IorkerVierhundert" folgen ließ.

So verging die Zeit und endlich kamen die Ausläufer von St. Petersburg, die kleinen, mit Gärten und Parks geschmück­ten Vorstädte in Sicht. Unsre vornehmen Freunde rüsteten sich zum Aussteigen. Wir sausten nun an Peterhof und an der Marmorpracht Gatschinas vorüber, durch drohende Festungswerke hindurch und mit gellendem Pfiff hielt der Zug unter einem ungeheuren gewölbten Dach.

Wir waren in der Zarenstadt ange­langt.

Auf dem langen Bahnsteige standen Gruppen, die Freunde und Angehörige er- warteten. Mehrer» Gepäckträger kamen und trugen unsre Sachen hinaus. Ich be- orderte unsre Koffer nach dem Hotel de l'Europe und war den russischen Damen beim AuSsteigen behilflich, die sofort von vornehm aussehenden Freunden umringt und freudig begrüßt murden.

Dann kehrte ich zu Helene zurück, die natürlich, während sie sich zum Aussteigen fertig machte, wieder die Blicke der Män- ner auf sich zog.

Ich war eben im Begriff, mich mit meinem schönen, aber etwas unbequemen Sckützling davonzumachen und in aller Stille nach dem Gasthof zu verfügen/ als die Fürstin sie zurückhielt und höflich da- rauf bestand, lg. bslls ^.wöriegino ihren Bekannten vorzustellen.

In ein paar Tagen würden Sie die Herrschaften alle kennen, denn sie sind auch mit den WeletSky eng befreundet," flüsterte sie. Damit stellte sie uns vor und alsbald bildete mein liebes Weib den Mittelpunkt einer Gruppe von Menschen, die sie mit der den Slamn eignen Gastfreundschaft