Der Streit um die Verständigungspolitik

Rechbergs Verständigungs-Verhandlungen.

TU Berlin, 23. Sept. Der Industrielle Rechberg teilt der Telegraphen-Union mit: »Bezugnehmend auf die von Ihnen wicdergegebenen Ausführungen der Nationalltberale» Kor­respondenz darf ich erklären:

1. Ich bin von Anfang an der Ansicht gewesen, daß «tue für die Zukunft unseres Vaterlandes so entscheidende Frage wie die Verständigung zwischen Deutschland und Frankreich, von welcher die Befriedung Europas abhängt, der Par­teipolitik entzogen werden müsse. Ich bin daher von vornherein bestrebt gewesen, sowohl den Rechtsparteien angehörige« Politiker fKiönne) und Wirtschaftsfiihrer a» meinen Berhandlnnge« mit französischen Staatsmännern zu beteilige«, als solche, welche den deutsche» Parteien der Mitte «nd der Linke« augehöre«.

3. Meine Verhandlungen mit französischen Staatsmän­nern beruhten auf der Grundlage einer z« verwirklichenden intime« industriellen, militärische« «nd politische« Inter» effengemeinschaft zwischen Deutschland und Frankreich, wie sie durch di« in den Jahren 1926 und 1927 Unterzeichneten Bündnisse der deutschen und französischen Kali-Industrie, der deutschen und französischen Schwer-Jndustrien und der deut­schen und französischen Chemie-Industrie bereits angebahnt ist. Als Gegenlei st ungen waren die Franzosen bereit, weitergehende industriell«, militärische und politische Zu­geständnisse an Deutschland zu machen, als bis dahin zur Diskussion gestanden haben. Es sollt« eine absoluteunb unauflösliche Interessengemeinschaft der beiden Nach­barländer Deutschland und Frankreich verwirklicht werden.

8. Die dentsch-franzöfische Juteressengemeinfchaft soll sich gegen keine dritte Macht richte«. Es soll insbesondere Eng­land der Eintritt in die Interessengemeinschaft ossengehalten «erden. Ich habe denn auch mit Vorwissen meiner deutschen und französischen Freunde englische Staatsmänner über die Entwicklung der Verhandlungen auf dem Laufenden gehal­ten und deren Billigung gefunden. Auch haben erst jüngst­hin große englische Zeitungen Ausführungen von mir des Inhalts, daß England «in Interesse daran habe, sich der deutsch-französische» Kombination anzuschließen, mit großem Wohlwollen veröffentlicht.

4. Ich meinerseits habe über di« Verhandlungen loyaler­weise noch in diesem Frühjahr den deutschen Botschafter tu Parts, Herrn von Hoesch, eingehend informiert, der mir erklärt hat, er werde meine Mitteilungen an das deutsche Auswärtige Amt weitergeben.*

Revision des § 4 der Volksbegehrens

Der Reichspräsident von der Strafverfolgung ansgeschloffe«.

TU Berlin, 23. Sept. Der Reichsausschuß für das deutsche Volksbegehren teilt mit: Das Präsidium des Roichsaus- fchuffes ist am Samstag, den 21. September, tn Berlin zu einer Sitzung zusammengetreten, in der erneut der ein- wütige Wille zum Ausdruck kam, sich für das Volksbegehren zur Verhinderung des Uoungplanes und zur endgültigen Beseitigung der Kriegsschuldlüg« mit allen Kräften einzufet- zen. Um di« Absicht des Reichsausschusses, dt« Person des Reichspräsidenten vor jedem Zusammenhang mit dem Ge­setzentwurf zu schützen, auch gegenüber böswilliger Aus­legung noch schärfer zum Ausdruck zu bringen, wurde durch die Einführung des Wortes »deren* folgende Fassung des § 4 «instimmig beschlossen:

»Reichskanzler und Reichsminister und deren Bevollmäch­tigte, die entgegen der Vorschrift des 8 3 Verträge mit aus­wärtigen Mächten zeichnen, unterliegen den im Strafgesetz­buch 8 92 Nr. 8 vorgesehenen Strafen.*

Di« Vertreter des Reichslandbundes und -er Christlich- Nationalen Bauern- «nd Landvolkpartei hielten ihre grund­sätzliche Stellungnahme gegen die Strafbestimmung des 8 4 gemäß den Beschlüssen ihrer Vorstände aufrecht. Getragen von dem unerschütterlichen Willen zum schärften Kampf ge­gen Uoungplan und Kriegsfchuldlüge erklärten sie jedoch, daß Reichslandbund und Christlich-Nationale Bauern, und Land- volkpartei Schulter an Schulter mit den ander«» Verbänden im ReichSansfchuß für die gemeinsam« Sache kämpfen werden.

Am Sonntag, 32. September, traten die Führer der Lau- deSausschüffe im großen Saal des ReichSlandbundes zu­sammen.

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Der Jungdentsche Orden gegen baS Volksbegehren.

Die Leitung des Jnngdeutschen Ordens faßte einmütig eine Entschließung, in der es heißt:

»In einmütiger Empörung stellen wir fest, daß eine An­zahl Führer der Rechten mit einer verblüffenden Leicht­fertigkeit im Begriff ist, die nationale Opposition tn ein« noch nie dagewesene Niederlage zu führen. Wir legen Ver­wahrung dagegen ein, daß im Namen des nationalen Deutschlands ein Volksbegehren veranstaltet werde» soll, dessen katastrophaler Ausgang schon heute besiegelt ist. Die Herren Hugenberg, Hitler, Seldte sind nachweislich außer, stände, mehr als 20 Millionen Stimmen für ihr Volksbegeh­ren zu gewinnen. Sie zerstören die deutsche Einheitsfront gegen die Kriegsschuldlüge, sanktionieren die Tributabma. chungen der parlamentarischen Regierung mit der Stimm« der Nation und beleidigen den hochverehrten Reichspräsi. denten von Hindenburg. Wir fordern alle sachlich denkende« und verantwortungsbewußte Kreise auf, bas Katastrophen­gesetz schon der nationalen Opposition zu Fall zu bringen.

Der bayrische Ministerpräsident über Landwirlschastsfragen

TN Zweibrücke», 23. Sept. Anläßlich der Hauptversamm­lung der Lanöw. Vereine der Pfalz hielt am Sonntag Mini­sterpräsident Dr. Held tn Zweibrücken «ine Rede, in der er

Auslandskredite und Ueberfremdungsgefahr

Grundfragen des deutschen Wirtschaftslebens aus der Tagung des Reichsverbandes

der Deutschen Industrie

TU Düsseldorf, 28. Sept. Auf der diesjährigen Tagung des »Neichsverbandes der Deutschen Industrie* hielt Dr. Werner Kehl, Mitglied des Vorstandes der Deutschen Bank, einen Vortrag über das Thema:Die Bedeutung des inter­nationale« Kapitalmarktes für Deutschland". Nach allgenrei« nen Ausführungen über Begriff und Bedeutung des inter­nationalen Kapitalmarktes und die Gesetze, die ihn beherr­schen, über die Grenzen für Kapitaleinfuhr und Kapitalaus­fuhr ging -er Redner auf die durch den Weltkrieg innerhalb der Weltwirtschaft eingctretene« Verschiebungen ein. Er wies auf die interessante Beobachtung hin, daß es ebenso wie vor Kriegsausbruch jährlich 9 bis 10 Milliarden Gold­mark sind, die über die Grenzen der Gläubigerstaaten gehen, um fremde Volkswirtschaften zu befruchten, mit dem Unter­schied allerdings, daß das damalige Geld eine größere Kauf­kraft hatte als heute und demnach das heutige Volumen lnternationaler Kapitalbildungen um volle 30 v. H. hinter demjenigen der letzten Vorkriegsjahre zurückbleibt. Anstelle von England seien die Vereinigten Staaten getreten mit etwa 4 bis 4)4 Milliarden Auslandsinvestitionen,' aus- geschieden sei Deutschland.

Deutschlands Wirtschaft stehe ans de» internationalen Kapitalmärkte« einer Situation gegenüber, die ebenso schwierig fei wie der internationale Wettbewerb selbst und durchaus nicht die Tendenz habe, hohen Anforderungen zu entsprechen und uns um unserer selbst willen zu helfen. Ganz selbstverständlich gewinne unter solchen Umständen das Pro­blem der Selbstkosten Deutschlands und damit «nsere Kapitalbildnng im Innern eine überragende Bedeutung für die ganze nationale Wirtschaft. Die jährlichen Jnvestitions- bediirfnisse Deutschlands berechnet Dr. Kehl mit mindestens 10 Milliarden Reichsmark, das wären in Vorkrtegswährung ausgebrückt nicht mehr als 7 Milliarden, eine Summe, die somit ganz erheblich hinter dem Betrage zurückbleibe, der vor dem Kriege investiert werden konnte, obwohl ohne Zweifel die deutschen Jnvestitionsbedürfnisse nicht abgenommen, son­dern zngenommen haben. Wenn die Schätzung des Kapital- znwachsss mit jährlich 18 Milliarde« richtig sei, müßte sie gerade unseren dringendsten Bedarf gedeckt haben. Da das tatsächliche Jnvestitionsbedttrfnis aber 10 Milliarden Mark Vorkriegswert sei, mußten die fehlenden 3 bis 4 Milliarden Mark in den letzten Jahren von 1S24 bis 1928 aus dem Aus­lande beschafft werden. Der dringende, um jeden Preis Be­friedigung suchende Kapitalbedarf komme in dem hohen deut­schen Zinsfuß zum Ausdruck. Im Zusammenhang mit der fremden Kapitalznfuhr werde das Problem des Verhältnisses zwischen eigenem und fremdem Kapital berührt. Dieses Verhältnis sei bekanntlich in Deutschland unbefriedigend. 40 v. H. eigenem Betriebskapital stünden nach dem Bild, baS die meisten Betriebsbilanzen bieten, KO v. H. fremdes gegen» über. Bei dieser Relation gewinne das Zinsproblem für di« Unternehmerrente an Bedeutung, aber auch die pflegliche Behandlung der ausländischen Kapitalmarkt« werde zu einem unumgänglichen Erfordernis.

Dr. Kehl wies darauf hin, daß doch jetzt die Zeit gekom­men sei, wo die öffentliche Hand der privaten Wirtschaft ein­mal den Vortrttt in der Inanspruchnahme chOs Auslandes für die Kapitalbeschaffung lassen dürfte, und zwar schlug er als Weg der Inanspruchnahme des ausländischen Kapital­

marktes vor, in viel größerem Umfange als bisher auslän­disches Kapital in der Gestalt langfristiger und vcranwort» lichex Beteiligungen hcreinzunehmen, da ja die kurzfristige Verschuldung ein Maximum erreicht habe und die Repa­rationen drohten, daS Ergebnis ausländischer langfristiger Anleihen für sich in Anspruch zu nehmen. Auf dem Gebiete der Kapitalbeteiligungen bleibe Deutschlands internationale Verflechtung nach wie vor hinter seiner Verschuldung zu­rück und stehe in keinem richtigen Verhältnis zu dieser. Fast IS Milliarden Schulde» stünden nur wenige Milliarde« Aktienbesitz des Auslandes gegenüber. Auch für die öffent­liche Hand entstehe die Frage, ob es für sie nicht richtig sei, die Konsolidierung ihrer kurzfristigen Schulden durch Ab­gabe von Teile» der Substanz vorznnehmen und für die weitere Entwicklung ihrer Wirtschaft mehr Sen Aktienmarkt als den Anleihemarkt in Anspruch zu nehmen. Der in- nnd ausländische Markt sei für solche Emissionen aufnahmefähig, ohne daß dabei die Belange der Allgemeinheit auf diesem Gebiet eine sachliche Beeinträchtigung zu erfahren brauchte«: ein Beispiel hierfür gäben die Vereinigten Staaten, in denen die public Utilities ein beliebtes Anlagepapier darstellten. In seinem Vorschlag, die Bedürfnisse auf diesem Wege zu decken, sieht Kehl eine Wiederholung dessen, was in der Wirt­schaftsgeschichte auch anderer großer Länder der Fall gewesen ist und in der deutschen Geschichte schon einmal eine beträcht­liche Nolle gespielt hat. Wie in anderen Ländern, so war auch in Deutschland die Zeit starker Beteiligung des Aus­landes an industriellen Unternehmungen seinerzeit nur eine Episode, während Dr. Kehl meint, es könne ein Zeitabschnitt werden, wenn unsere gesamte Wirtschaftsfinanz und Sozial- Politik nicht darauf umgestellt werde, der Wirtschaft diejeni- gen Ueberschüsse zu lassen, die erforderlich seien, um wesent­lich unabhängiger von ausländischen Kapitalmärkten de» geldlichen Bedarf für die erforderlichen Investitionen zu be­schaffen.

In der Aussprache nahm als erster Abraham Froweiu das Wort und sprach zunächst über die Zusammengehörig­keit von Vankwelt und Industrie zur Verbesserung der Kredithcrgabe mit dem Ziel einer Senkung der Zins­kosten. Mit großem Interesse wurden Ausführungen meh­rerer Redner über das ThemaUeberfremdung" entgegen- genommen.

Direktor Dr. Sempell (Vereinigte Stahlwerkes führte aus, die Ueberfremdung werde im Laufe der nächsten Jahre «och weit mehr im Vordergründe der öffentliche« Erörterung stehen als etwa die Auslandsverschuldung. Wenn das Aus­land einmal an deutschen Unternehmungen erst mit 30 bis 40 v. H. beteiligt sei, müssen diese Unternehmen als für Deutschland verloren angesehen werden. Der Neichsverbanö werde sich in nächster Zeit ganz besonders mit der lieber- fremdungsfrage beschäftigen müssen. Geheimrat Bücher (AEG.) erwiderte, ein Unternehmen sei durchaus noch nicht überfremdet, wenn durch eine Heranziehung von Ausländern «ine Beteiligung am Risiko vorliege. Wenn es gelinge, durch ausländische Beteiligung deutschen Arbeitern Brot «nd Be, schäftigung z« bieten, und Gewinne zu erzielen, die über di« Dividende hinansgingen, so vollbringe man eine vaterlän­dische Tat «nd überfremde nicht.

u. a. ausführte: Die Landwirtschaft sei heute für das Reich in wirtschaftlicher und politischer Beziehung maßgebend. Sie trag« dazu bei, den Staat unabhängig von außen zu machen, womit auch seine Unabhängigkeit nach innen verknüpft sei. Die Wahrung der deutschen Freiheit «nd Unabhängigkeit sei eine Ausgabe der Landwirtschaft, die sie aber nnr erfüllen könne, wenn sie ans gesunder Grundlage anfgebant werde. Ebenso unentbehrlich sei die Landwirtschaft zur Erhaltung der Volksgesundheit sowie zur Erhaltung jener Bevölke­rungsschichten, die fest ans der Scholle säßen und mit dein angestammten Hetmatgesühl, die stärksten Begriffe von Volkstum und Vaterlandsliebe abgeben. Die Mittel, die bisher zur Hilfe für die Landwirtschaft angeivendet worden seien, könnten eine Lauernde Besserung nicht herbcisiihren. j Dies sei auch der Standpunkt der bayrischen Negierung. Nur wenn die deutsche Wirtschaft sich vom Freihandel zum Schutzzoll wende, werde eine Wendung znm Besseren ein- treteu. Aus dieser ihrer Absicht habe die bayrische Regie­rung nie ein Hehl gemacht. Weiter sei eine feste Organisation des Absatzes z« fordern. Dies sei ebenfalls eine Grundlage für eine freie Entwicklung der Landwirtschaft. Dr. Held be­zeichnet« es zum Schluß als sehr wünschenswert, daß die Saarlandgrenze gleichzeitig mit der Befreiung der Pfalz aufgehoben werde. __

Aktive Handelsbilanz im August

TU Berlin, 33. Sept. Die Deutsche Handelsbilanz weist im Monat August 1929 ohne die Reparattonssachliefernngen eine Aktivität von 60 Millionen Reichsmark aus, während im Vormonat ebenfalls ohne Neparationssachlieferungen ein Passiv-Saldo von rund 200 Millionen RM. z« verzeich- nen war. Di« Reparationssachlteferungen betrugen im August 67 und im Vormonat 69 Millionen Reichsmark, so daß sich etnschl. dieser Ziffern für den August sogar ein Aus- fnhrüberschuh von 117 Millionen und für den Vormonat ein Einfuhrüberschuß von nur 180 Millionen Reichsmark ergibt.

Erfreulich ist, -ah im August die Einfuhr um ILO Mil- lionen auf 1074 Millionen RM. abgenommeu hat, hauptsäch­lich bet Getreide, Pelzwareu, Kraftfahrzeugen und Leder, während dt« Ausfuhr einschl. Reparationssachlteferungen um 91 Millionen auf 1101 Millionen Reichsmark gestiegen ist. Die Ansfuhrznnahm«, die überwiegend saisonmäßiger Natur ist, beruht auf der Steigerung -er Ausfuhr von Rohstoffen, hauptsächlich Düngemitteln und Steinkohle», haldferttacn Waren «nd Fertigwaren.

Die innerpolilische Krise in Oesterreich

Nene Aufmärsche in Wie«.

Aufmarsch der österreichischen Heimwchr

Aufmarsch des sozialdemokratischen Schutzbundes

NB