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Summe, die auf drei bis vier Millionen Mark angegeben wird, vermacht.
— Generalleutnant v. Trotha wird, der Nat.-Ztg. zufolge, wenn im Zentrum und im Süden von Deutsch-Südwestasrika im wesentlichen die Ordnung wiederhergestellt ist, die Rückreise in die Heimat an- treten. Der über kurz oder lang unvermeidliche Ovambo-Feldzug bedarf ganz anders gearteter Vorbereitungen als die Expedition im Klima des südlicheren Teils der Kolonie, insbesondere auch weiterer umfassender Vorbereitungen auf dem Gebiet des Verkehrswesens. An die Unternehm, ungen Trothas im Süden kann er sich aus diesen Gründen ohnehin nicht unmittelbar anschließen, so daß der Höchstkommandie- rende nach der Niederwerfung der Herero und Witbois wenigstens zeitweise zurückkehren und in Berl.n an den Vordere!- tungen für die nördliche Expedition Mitwirken kann.
Florenz, 13. Febr. Die Angelegen- heit der Gräfin Montignoso scheint einer friedlichen Lösung entgegenzugehen. Justizrat Körner wird darnach, um die Auslieferung der Prinzessin Anna Monika Pich herbeizuführen, den durch die Bestimmungen des internationalen Privatrechts vorgeschriebenen Weg betreten. Die beiderseitigen Anwälte verhandeln heute über die Frage der Erhöhung einer Apanage für die' Gräfin und über die Regelung des Be- suches ihrer in Dresden weilenden Kinder.
St. Petersburg, 13. Febr. General Kuropatkin meldet dem Zaren von gestern: Um 4 Uhr heute morgen griff eine 300 Mann starke Abteilung japanischer Kavallerie die Brücke bei Jengtsetong an und zerstörte die Eisenbahnlinie auf ungefähr 30 Meter. Rach einiger Zeit wurde der Eisenbahnverkehr wieder hergestellt. Am 11. Februar hatte japanische Infanterie Foutsichouantse angegriffen, war aber zurückgeschlagen worden. An demselben Tage hatten die Japaner den Putiloffhügel und Sakheyang mit Belagerungsgeschützen beschossen. Ein Offizier wurde getötet und einige verwundet. Nach Meldungen, deren Richtigkeit jetzt sestgestellt ist, haben wir vom 2b. bis 29. Januar 221 unverwundete und 122 verwundete Gefangene gemacht.
— General Stöffel hat in Aden einem Vertreter der „Berl. Ztg." gesagt, daß die Russen in Port Arthur sich ihrer Heimat würdig gezeigt hätten. 100000 Japaner nahmen die Festung ein, aber 100000 sind auch vorher gefallen. Das hat General Nogi selbst bestätigt. Die Wälle und Forts von Port Arthur waren unvollendet ge- blieben, weil der Statthalter Alexejew nicht an einen Krieg glaubte. Wir mußten daher, so sagte Stössel, während wir dem Feind Widerstand leisteten, fünf neue FortS errichten. Der Kampf währte 11 Monate und wir hatten 48 Stürme auszuhalten. In den letzten Tagen blieben uns nur 8000 Man«, um 27 Kilometer Wälle zu verteidigen. Während das Feuern des Feindes ohne Unterbrechung an- dauerte, hatten wir gerade Munition genug, um 2 Granaten pro, Stunde zu werfen. Am 20. Sept. hatte mir Kuropatkin telegraphiert, daß er mir in 3 Mo- naten zu Hilfe kommen werde. Die drei Monate waren vergangen und ich hatte weder von Kuropatkin noch von Roschd- jestwenski Hilfe. Jeder weitere Widerstand war nutzlos. Der Kaiser und mir gleich, gestellte Offiziere werden entscheiden, ob ich das heroische Verbrechen hätte begehen sollen, die Festung in die Luft zu sprengen.
Ich verzichte lieber auf einen großen Na- men in der Geschichte, als das Leben der gesamten heldenmütigen Besatzung auf dem Gewissen zu haben.
Mrrtevhattenües.
Meine offizielle Frau.
Von
Col. Richard Henry Savage.
(Forts.) (Nachdruck verboten.)
Sie brach kurz ab, denn eben nahm Petroff wieder an ihrer Seite Platz und bemerkte: „Es war mir schmerzlich, mein Essen im Stich lassen zu müssen, aber noch ungleich schmerzlicher, mich von Ihnen trennen zu müssen, meine gnädige Frau." Diesen Worten verlieh ein beredter Blick der dunklen Tatarenaugen auf die neugetaufte „Helene Marie Lenox" noch mehr Nachdruck. Dann fuhr er fort: „Es war aber eine Paßangelegenheit, die sofort erledigt werden mußte. Ich freue mich, Ihnen Mitteilen zu können, daß wir soeben einen guten Fang gemacht haben."
„Falscher Paß vermutlich?" bemerkte meine schöne Gefährtin.
„Mann oder Weib?"
„Mann," entgegnete Petroff kurz.
„Natürlich," rief Helene mit einem Anflug von Koketterie in ihrem Lächeln, „wäre es ein Weib, ein schönes Weib gewesen, so hätten wir Sie nichr so schnell wieder hier gehabt."
„Auch die schönste Verbrecherin in ganz Rußland hätte mich nicht einen Angenblick länger von Ihnen entfernt zu halten vermocht, gnädige Frau," erwiderte der galante Oberst. Bewunderung im Blick, Koketterie im ganzen Wesen.
Obgleich ich fleißig mit Messer und Gabel hantierte, fing ich den Blick auf, und es überkam mich dabei etwas von der Empfindung eines Ehemannes. Ich suchte das Gespräch abzulenken und sagte gleichgültig: „Ich glaube, derartige falsche Paßgeschichten sind in Rußland etwas ganz alltägliches."
„Keineswegs," erwiderte Petroff, „dazu find die Strafen für dies Verbrechen viel zu streng."
„Vermutlich nicht nur Geld-, sondern auch Freiheitsstrafe," sagte ich vielleicht etwas erregt.
„Ja, lebenslängliche Einsperrung — Sibirien," flüsterte der Oberst. „Nur unsre allerverzweifeltsten Verbrecher wagen einen falschen Paß zu gebrauchen."
Klirrend fielen mein Messer und meine Gabel auf den Teller.
„Koste. einmal diese Majonaise, lieber Arthur," 'warf die vermeintliche Frau Lenox ein, „du bist ja, wie ich sehe, mit deinem Fasan fertig, und sie ist wirklich ganz vorzüglich; Oberst Petroff muß auch welche nehmen." Und damit reichte sie dem Offizier die Schüssel mit einem solchen Lächeln und so viel Anmut, daß der be- wundernde Russe gar nicht bemerkte, wie völlig mir Nervenstärke und Eßlust abhanden gekommen waren.
„Falsche Pässe — Strafen — Sibirien — nur verzweifelte Verbrecher wagen sie zu gebrauchen," summte es in meinem Kopf.
Nun kam ein plötzlicher Entschluß über mich.
Dies blendende Weib stempelte mich durch den Gebrauch eines falschen Passes zu einem russischen Verbrecher, aber die »eutsche Grenze lag nur fünfzig Schritt
von hier, und ich wollte wieder hinüber, so lange noch Zeit war, den Pratzen des russischen Bären zu entkommen.
Mit einer leichten Entschuldigung gegen die Circe, die mich in diese falsche Stellung gelockt hatte und nun mit dem russischen Oberst ganz harmlos aber entzückend über den Salat plauderte, stand ich vom Tisch auf, schritt zum Saal hinaus und auf das im Augenblick glücklicherweise offene Gittertor zu.
Nun war ich nur noch ein paar Fuß weit von Deutschland entfernt, und im nächsten Augenblick wäre ich außer aller Gefahr gewesen, wenn mir der Ausweg nicht plötzlich versperrt worden wäre.
„Halt! Ihre Erlaubnis, Rußland zu verlassen!"
„Natürlich habe ich keinen derartigen Paß. Sie haben mich ja vor noch nicht einer halben Stunde mit dem Berliner Zug ankommen sehen. Ich will nur geschwind noch dem Zug zurückgehen, denn ich habe ein Paket liegen lassen, das sehr wichtig für mich ist und ohne das ich un- möglich weiter reisen kann," erklärte ich dem Beamten in meinem besten Französisch.
„Ohne einen Paß können Sie das Reich des Zaren schlechterdings nicht verlassen," erwiderte der Beamte entschieden aber höflich.
„Aber es muß sein! Ich kann das Paket nicht zurücklassen!"
„Unmöglich!"
Und es war unmöglich — die beiden gekreuzten Bajonette vor mir sagten das deutlicher als alle Worte.
„Vielleicht kann dem gnädigen Herrn aber doch geholfen werden," sagte der Cerberus und flüsterte einem Assistenten auf der andern Seite der Grenze ein paar Worte zu. In der nächsten Minute stand mir der Schaffner unsres Berliner Zuges auf der deutschen Seite des Grenzgitters gegenüber.
„Wenn Sie mir den Gegenstand beschreiben wollen, so werde ich ihn suchen und Ihnen nach Petersburg nachschicken," sagte der Schaffner höflich.
Nun blieb mir keine andre Wahl — ich mußte weiter lügen. Nachdem ich dem Schaffner den verlorenen Gegenstand beschrieben, ihm meine Petersburger Adresse angegeben und einen deutschen Thaler in die Hand gedrückt hatte, schleuderte ich langsam nachZdem Speisesaal zurück. Nun mußte ich mich wohl oder übel wieder neben meine Mitschuldige setzen und die Komödie bis zum guten oder schlimmen Ende weiter spielen.
In diesem Augenblick überkam mich die entsetzliche Vorahnung eines schlimmen Endes mit aller Macht, denn der erst« Reiz deS Abenteuerlichen war vorüber, und nun begann sich das Gewissen zu rühren und kniff mich ganz gehörig.
Was würde mei« einziges, geliebtes Weib in Paris wohl sagen, wenn ihr diese Geschichte je zu Ohren käme? Wie würden ihre ehrlichen blauen Augen vor Entrüstung blitzen und flammen, wenn sie wüßte, daß ich irgend einem andern Weib gestat- tete, sich ihren Namen und ihre Stellung anzumaßen, daß ein andres Weib ihren Platz an meiner Seite ohne ein Wort des Widerspruchs von mir einnehmen durfte? Und doch hatte mein übereiltes Vorgehen dies alles meiner Sicherheit wegen notwendig gemacht. Ach Gott! noch zum Abschied hatte sie gesagt: „Nimm mir dein empfängliches Herz hübsch in acht, du lieber. alter Arthur, laß dich durch deine