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Offizier, der bei Plewna ein Bataillon befehligt hatte, dann im fernen Osten ge, fallen war und seine jugendliche Witwe mit einem kleinen vaterlosen Kind hinter- lassen hatte.

Meine Tochter hatte diesen Herrn in Ja­pan kennen gelernt und geheiratet, und umsie wieder zu sehen und ihre Interessen wahr- zunehmen, reiste ich nun zum erstenmal nach Rußland.

Meine Frau hatte ich in Paris zurück- gelassen, weil sie den strengen Winter fürchtete und erst meinen Bericht abwarten wollte, ehe auch sie sich aufmachte, unser Kind zu besuchen, das nur wenige Wochen mit uns in Amerika verlebt hatte und dann, nachdem ihr Gatte im russischen Dienst in Asien gefallen war, in eine neue Heimat und zu unbekannten, aber gütigen Ver­wandten geeilt war.

Gellende Glockenzeichen und ein schriller Pfiff verkündeten unsre Ankunft in Eydt- kuhnen, der Grenze desheiligen Rußland," wo man zur Untersuchung des Gepäckes und der Pässe zwei und eine halbe Stunde Aufenthalt hat.

Mit den betreffenden Nationalfarben angestrichene Grenzpfähle ermahnen den Reisenden zu Stille, Vorsicht und politischer Klugheit, und dieser Warnung wird durch die Anwesenheit der in Zwischenräumen von wenigen Metern aufgepflanzten Sol­daten weiterer Nachdruck verliehen.

Ein stattlicher internationaler Bahnhof nebst Zollamt mit einem prächtigen Restau­rant auf der russischen Seite lockte meine Hungrigen Augen, und ich sehnte mich ra­send nach dem letzteren, denn der Hunger .quälte mich und meine Seele lechzte nach Speise.

Aber ach, die Grenze zwischen den beiden Kaiserreichen wurde von einem Gitter aus Schmiedeeisen gebildet und machte die Stillung meines Hungers gänzlich abhängig von dem Befund meines Passes nach Ruß- ,land.

Mit Schwertern umgürtct und mit Revolvern bewaffnet standen die Wachen da, bereit, den Kühnen zu verhaften, der es wagte, unberechtigterweise eindringen zu -wollen.

Zu etwa hundert hungrigen Reisenden wurden wir in einen Wartesaal gesperrt rrnd aufgefordert, unsre Pässe und unser -Gepäck zur Durchsuchung herzurichten. Während ich dem ernsten, strengen Befehl gehorchte und meine Papiere und Schlüssel hervorsuchte, betrachtete ich mir die Reisen- den. Wir waren alle durcheinander ge- drängt: Gräfinnen in Samt und Pelzwerk, flinke französische Kammerjungfern, behäbige Bürger, schmutzige polnische Juden mit Locken und schmierigen Reiseröcken, Geld- Wechsler, Soldaten und Vergnügungsrei­fende vereinigten sich hier zu einem recht sonderbaren menschlichen Mischmasch. Hoch- mütige Offiziere schleuderten umher, warfen den schönsten unsrer weiblichen Reisenden verliebte Blicke zu und ließen ihre langen Schleppsäbel herausfordernd klirren.

Als ich an die Reihe kam, entfaltete ich meinen Paß mit dem amerikanischen Adler darauf, und ein bärtiger, mit Orden und Medaillen förmlich bedeckter Oberst ergriff ihn und brach in die freundlichen Worte aus:Ah, Amerikaner sehr gut!"

Als ich dies hörte, bedauerte ich die fünf Dollars nicht mehr, die ich auf der Gesandtschaft für dies Papier erlegt hatte. Dieser Paß lautete auch auf den Namen meiner Frau für den Fall, daß sie mit mir reisen wollte, obgleich ihr auch noch

ein besonderer Paß ausgestellt worden war, den sie in Paris zurückbehalten hatte, um mir möglicherweise nachreisen zu können.

Man wies mich nach der Gepäckinspek- tion und ließ mich durch, während einige Verdächtige, die wegen Unregelmäßigkeiten in ihren Papieren zurückgewiesen worden waren, sich zu einem Entrüstungsmeeting zusammentateu. Ganz glücklich falte ich eben meinSesam öffne dich" für die russische Restauration wieder zusammen, als ich plötzlich die liebliche Nähe eines weiblichen Wesens verspürte.^

Eine volle, wohlklingende Stimme sagte im gewähltesten Englisch:Ich bitte um Vergebung, mein Herr, könnte ich Sie nicht einen Augenblick sprechen?"

Die Dame, die diese Worte sprach, war sehr jung und sehr schön für das Auge eines Veteranen, denn gleich den meisten alten Soldaten war ich nicht ganz unem­pfänglich für weibliche Reize. Der Anzug und alles, was die schöne Unbekannte an sich halte, war durchaus lackMks.

Als ich sie ansah zeigte ihr ganzes Wesen eine solche Unschuld und Unerfah­renheit. daß ihre Hilflosigkeit einem Mann von Welt, wie mir, entschieden zu Herzen gehen mußte. Ihre klaren dunklen Augen blickten ängstlich, ihre schönen Korallen, lippen zitterten aufgeregt, welliges braunes Haar umrahmte ein zartes, liebliches, etwas stolzes Antlitz und das Ganze war ein entzückendes Bild. Obgleich ihr Wesen einen beinahe kindlichen Eindruck machte, schien doch ihre Gestalt für die allerfrüheste Jugend zu sehr entwickelt, ein dunkelbrau­nes, mit Zobel besetztes Kostüm hob die Umrisse ihrer wundervollen Formen aufs vorteilhafteste hervor.

Hübsche Händchen steckten in einem Muff, flehende Augen blickten unter der zierlichen, kleinen Mütze hervor und nied- liche Füßchen trippelten in hohen polnischen Stieleichen hin und her.

Ich nahm meinen Hut ab vor der un­bekannten eleganten Erscheinung, lächelte mit meinem sanftesten Sonntagsschullächeln und entgegnete:Stehe Ihnen ganz zur Verfügung, gnädige Frau."

Eine schöne Landsmännin," dachte ich dabei, obgleich der blaue Fuchsbesatz der seidenenShuba", die die anmutigen Schultern umschloß, ein etwas lokaler Lu- xus zu sein schien.

Bitte, geben Sie mir Ihren Arm, wir wollen ein wenig auf und ab gehen, damit wir keine Aufmerksamkeit erregen," flüsterte der schöne Wandervogel mit einem leichten Zittern in der Stimme.

Hoffentlich macht sie's kurz." dachte ich, weil ich das liebliche Klappern von Tellern und Bestecken von jenseits der russischen Grenze vernahm und die schwal- benschwänzigen Kellner hin und her fliegen sah, denn die ersten Gäste hatten bereits die Pforten des epikuräischen Paradieses überschritten.

Ich bin eine Amerikanerin und reise nach Rußland," begann sie,um dort mit meinem Gatten zusammenzutreffen, der vorausgefahreu ist. Er hat nur einen Paß iür uns beide, und nun sehe ich ganz un­erwartet, das ich nicht über die Grenze kann. Ich weiß gar nicht, was ich anfangen soll."

Während sie dies sagte, durchzuckte mich der leise Druck ihres Armes wie ein elektrischer Schlag, und ihre Stimme klang so melodisch wie dos Murmeln eines Büch, leins.

Das bedaure ich unendlich," brummte ich,aber ich wüßte nicht, was ich in der

Sache tun könnte, denn ich bin ein einfa­cher amerikanischer Reisender ohne irgend welche offizielle Stellung ein ausgedien­ter Offizier, der auf Besuch zu Verwandten nach St. Petersburg geht und hier gar niemand kennt."

Diese Bemerkung brachte ich so recht harmlos vor, denn auch ich hatte einst über die Stränge geschlagen und wußte, daß derartige kleine Anbändeleien oft sehr heikel werden können.

Aber ich habe bemerkt, daß Sie keine Dame bei sich haben und Ihr Paß lautet, wie ich gesehen habe, ,mit Gemahlin'."

Gewiß," sagte ich, vermutlich in etwas ungeduldigem Tsn, denn das immer leb­hafter werdende Geklapper von Messer und Gabeln bewies mir, daß die Mahlzeit, nach der ich begehrte, jenseits des Gitters, in Rußland, schleunigst vertilgt wurde.

Run erhob sie sich auf ihre zierlichen Fußspitzen, faltete ihre Hände um meinen Arm, drückte ihn bedeutungsvoll und flü­sterte:Nicht wahr, Sie nehmen mich mit über die Grenze als-als Ihre Frau?"

Großer Gott," rief ich aus,aber meine Frau!" Denn Frau Lenox istzeit- weise sehr zur Eifersucht geneigt. Unter­dessen nagte der Hunger in mir wie eine Ratte in einer leeren Rosinenkiste.

Ich bitte, ich beschwöre Sie," fuhr sie fort, und ihre Stimme klang herrlich in ihren tiefen Tönen,lassen Sie mich nicht hier im Stich! Ich muß setzt über diese Grenze kommen, und man hält mich bereits für Ihre Frau man hat gar nicht einmal nach meinem Paß gefragt."

Für meine Frau!" stieß ich fast atem­los hervor.

(Fortsetzung folgt.)

(Feuerversicherung.) DieGothaer Feuerverficherungsbank ans Gegeaseitigs kert, die im Jahre 1821 errichtet worden ist, hat mit dem Jahre 1904 BierunLachtzig Jahre ihrer gemeinnützigen Tätigkeit voll- endet. Im Jahre 1904 waren für 6 0831401V« Mk. (gegen 1903 mehr 119196400 Mk.) Versicherungen in Kraft. Die Prämieneinnahme betrug im Jahre 1904: Mk. 19 595671.50 Pf. (gegen 1903 mehr Mk. 390350.40 Pf.). Von der Prämieneinnahme wird in jedem Jahre derjenige Betrag, der nicht zur Bezahlung der Schäden und Nerwaltungskosten, sowie für die Präniienreserve erforderlich ist, den Versicherten zurückgewährt. Nach dem jetzt veröffentlichten Rechnungsabschlüsse für das Jahr 1904 beträgt dieser den Versicherten zufließende Ueberschuß Nk. 144K1152. 10 kltz., gleich 73"/» der eingezahlten Prämie. Im Durchschnitt der dreißig Jahre von 1895 bis 1904 sind jährlich 74,76°/« der eingezahlten Prämien an Ueberschuß den Versicherten zurückerstattet worden.

Stcrndesbuch-KH ronik

der Stadt Wildbad vom 4- bis 11. Febr. 1905- Geburten:

31. Jan. Kallfaß, Karl Friedrich, Säger hier, 1 Tochter.

Aufgeb ote:

ö- Febr. Bott, Robert Karl, Kutscher hier und Mayer, Pauline Marie hier.

6. Febr. Rau, Albert, Straßenwart von Sprol­

lenhaus und Krauß, Anna Marie, Nähterin von Enzklösterle- Gestorbene:

7. Febr. Vollmer, Ernst Gottlob, Sohn des Tag-

löhners Philipv Friedrich Vollmer hier- 6 Monate all.