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^Meinen, sich schutzbedürftig der größeren! Kraft des Mannes anzuvertrauen.
Der kleine Professor klopfte ihr zärtlich chre Wangen und schüttelte ihr tröstend die Hände.
.Nicht weinen, Kindchen, nicht weinen," polterte er heraus, indem ihm selbst die Tranen in die Augen stiegen. „Tränen nützen hier gar nichts; wahrhaftig, Kind, Sie dürfen nicht weich werden! Das Leben ist nicht darnach beschaffen, daß es sich durch Weinen und Klagen besiegen läßt. Das will hart angefaßt sein — die Zähne Muß man ihm zeigen und ihm selbst höhnisch in die Zähne lachen. Solch ein Ungetüm ist das Leben, Kindchen — und nun ckommen Sie zu meiner Alten und zu meinen drei Krabben."
lieber seine drollige Art, sie zu trösten, mußte Liselotte jetzt selbst lachen.
„Na also!" fuhr der Professor fort. „Jetzt haben wir gewonnen! Wenn man wieder lachen kann über die Welt, das Leben und sich selbst, dann ist man Sieger. Glauben Sie mir, Kindchen, das Lachen ist die beste Waffe gegen all die Schänb- lichkeiten dieses Lebens. Und nun vorwärts mit lachenden Augen und lachendem Sinn hinein in das Leben! Es müßte doch mit dem Kuckuck zugehen, wenn dos Leben uns zwei unterkriegcn sollte. So zwei, wie wir zwei, giebt's alleweil nit mehr," trällerte er lustig, zog Liselottes Hand durch seinen Arm und führte sie durch die langen, hallenden Korridore und über die breiten Treppen hinaus in das Freie.
Die Beschreibung, welche der Herr Professor von seiner Wohnung gemacht hatte, war in manchen Dingen falsch. Freilich, die Wohnung lag drei Treppen hoch an einer ruhigen Straße des Westens, und von der Natur sah man nicht viel mehr, als die Wipfel der Bäume eines in der Nähe befindlichen Parkes, dessen An blick sonst die hohen Nachbarhäuser verbeckten. Aber die Wohnung selbst war ein -echtes, gemütliches Künstlerheim, nicht prunkend überladen, aber doch originell eingerichtet, mit Möbeln, die sich der Pro- -fessor nach eigenem Geichmack zusammen- .gekauft hatte. Da sah man einen Salon, zierlich ausgestattet mit Möbeln aus der .Rokokozeit, ein Wohnzimmer als behagliche altdeutsche Stube eingerichtet, und ein Speisezimmer in dem lebensfrohen Geschmack der Renaissance. Des Professors Privatzimmer war ein Tiroler Gebirgs- stübchen mit einem Erker, dessen Butzen- scheibm und einfach hölzerne Bänke und .Tischchen, aui dem eine prächtige, altdeutsche Trinkkanne stand, zu gemütlichem Plaudern und einem behaglichen Trunk förmlich einluden.
An den Wänden hingen seltene Kunstgegenstände, dazwischen einige wertvolle Bilder und Gobelins — kurz, man merkte es der Ausstattung an, daß ein origineller und dabei vornehm künstlerischer Geist hier waltete.
Und dann die Frau Professor — hm, ja — da hatte der Herr Professor schon recht: sie war „kein großes Kirchenlicht in der Kunst und in den Wissenschaften", und ihre kleine, runde, etwas spießbürgerliche Gestalt nahm sich zwischen all den Kunstgegenständen und den Rokoko- und Renaissancemöbeln wunderlich aus. Sie war eben „einfach bürgerlicher Eltern Kind," wie sie sagte, und sie hielt sich auch am liebsten in den Hinteren Räumen der Woh- nung auf, die „einfach bürgerlich" einge
richtet waren; übet eine gutmütige Fröh-> lichkeit leuchtete ihr aus den blauen Aeug- lein und thronte auf ihren runden, roten Wänglein, und außerordentlich stolz war sie auf ihren „berühmten Mann" und hielt sein Haus und seine Kinder in Ordnung, daß es eine Freude war, es mit anzu- sehen.
Sie begrüßte Liselotte mit großer Herzlichkeit und freute sich sehr, daß sic bei ihnen wohnen wollte.
„Männe" — damit meinte sie ihren Mann — „hat mir schon so viel von Ihnen erzählt, daß ich wirklich neugierig auf Sie war, mein liebes Fräulein. Gott, ich wäre ja auch so gern Malerin geworden, und ich hatte ja als junges Mädchen auch Malsrunde bei Männe, dis er mir dann eines Tages Pinsel und Palette aus der Hand nahm und ärgerlich sagte, ich sollte mich lieber in die Küche scheren, als unnützerweise Farbe und Leinwand verkleck- sen. Das war grob, nicht wahr? Na und ich fing denn auch zu weinen an, da wurde Männe erst recht ärgerlich, und dann nahm er mich plötzlich in die Arme und küßte mich und meinte, ich sollt nur ruhig sein, zur Malerin sei ich allerdings verdorben, aber seine kleine liebe Frau sollte ich doch werden. Ich blickte ihn zuerst ganz erstaunt an, ich glaubte, er sei verrückt geworden; als er mich aber so lieb mit seinen guten Augen ansah, da verstand ich ihn plötzlich, und ich fiel ihm um den Hals, und wir waren Braut und Bräutigam. Und Pinsel und Palette habe ich nicht wieder in die Hand genommen, sondern habe mich um Küche und Haus gekümmert, und es geht ja auch so. Nicht Männe?"
(Fortsetzung folgt.)
Lokales.
X. Wildbad, 3. Jan. Die auf gestern abend von Freunden der Gründung einer Ortsgruppe der Deutschen Partei einberufene Versammlung war über Er- warten stark besucht und bewies, daß dieser Gedanke in vielen hiesigen Einwohnern freudigen Widerhall gefunden hat. Herr Sanitätsrat Or. Haußmann leitete die Versammlung. Er begrüßte die Anwesenden mit dem Ausdruck der Freude über die zahlreiche Beteiligung und das der Sache entgegengebrachte Interesse. Der Gegenstand der Tagesordnung war: Aufstellung einer Vorschlagsliste für den Ausschuß der Ortsgruppe. Rasch einigte man sich auf die in Vorschlag gebrachten Namen, die der am 14. Januar stattfindenden konstituierenden Versammlung zur endgültigen Abstimmung vorgelegt werden sollen. Nachdem dieser Punkt erledigt war, gab der Vorsitzende noch ein Einladungsschreiben zu der am 7. und 8. d. Mts. stattfindenden Landesversammlung sowie ihre Tagesordnung bekannt. Auf dieser findet sich ein Antrag der Ortsgruppe Feuerbach über Abänderung des Namens „Deutsche Partei" in „National- liberale Partei". Der Vorsitzende führt zu Gunsten dieses Antrags aus, daß hiedurch Gleichheit mit dem ganzen Reich erreicht würde und daß der letztere Name auch passender sei, da er die Ziele der Partei genau zum Ausdruck bringe. Mit Worten des Dankes an die Anwesenden und dem Wunsche, die ins Leben gerufene Sache möge wachsen und gedeihen, schloß der Vorsitzende die Versammlung.
Vermischtes.
— Ein nettes Automa tenstück- chcn ist dieser Tage im Wormser Bahnhofe vorgekommen. Einem Bäuerlein, das nach besorgten Einkäufen in Worms wieder heimwärts nach Gundheim fahren wollte, wurde von einem Beamten bedeutet, daß er die betr. Fahrkarte gegen Einwurf des Fahrgeldes dem Automaten entnehmen könne. Unser Lnndmann warf das Geld hinein — es kam aber keine Karte heraus. Ja seiner Verzweiflung rief er wiederholt m den — Schlitz des Automaten hinein: „Nach Gundheim!" — es kam aber trotz ollen Schreiens keine Karte! Ein den Vorgang bemerkender Zuschauer machte sich den Spaß, ihm zu sagen: „Sie müssen noch viel stärker Hineinrufen und unten an dem Hebel ziehen!" Nun schrie das Bäuerlein aus Leibeskräften, sodaß sich eine ganze Korona um ihn ansammelte: „Nach Gundheim!" Hörst du nicht, nach Gundheim!" Dabei zog er an dem Hebel, und siehe da! die Fahrkarte kam zum Vorschein. Nun rollte das Bäuerlein vergnügt mit seiner Fahrkarte von dannen, nicht ohne einige Randbemerkungen über die Stadtleute und deren komische nenmodische Einrichtungen.
(Perperl in Verlegenheit.) „Warum heulst denn so, dummer Junge!" — „Mich fricrt's in d' Hand'!" — „So steck' sie halt in die Taschen!" — „Ich kann nicht! Da Hab' ich lauter Schneeballen drinn'!"
(Auffassung.) „Na, Herr Protzinger, waren Sie auch in Venedig?" — „Ja, aber wir sind gleich wieder weiter gefahren, es war gerade Ueberschwemmung dort und alle Straßen unter Wasser."
(Sonderbare Logik.) A.: „Was, Herr Metzgermeister, Sie lassen Ihren Sohn nicht studieren?" — B. „Jbitt'Siel Hat er nix zu essen, nutzt ihm die Bildung nix; hat er was zu essen — zu was braucht er dann a Bildung?!"
Telegramme der Wildbader Chronik.
Tokio, l. Jan. General Nogi be. richtet: Ec habe von General Stöffel einen die Uebergabe Port Arthurs betreffenden Brief erhalten.
Tokio, 1. Jan. ES verlautet, die Feindseligkeiten in Port Arthur sol- len heute eingestellt werden. Der russische und der japanische Befehlshaber beraten Nachmittags die Uebergabe-Beding- ungen. In dem Brief an General Nogi erklärte General Stöffel, daß jeder Widerstand jetzt unnütz sei. Der Mikado wies Nogi an, der Besatzung von Port Arthur alle Ehren zu erweisen.
Tschifu, 1. Jan. Heute früh sind 4 russische Torpedobootzerstörer und das Kanonenboot Orel aus Port Arthur mit Depeschen hier eingelaufen, die an Land gebracht wurden. Der russische Komandant erklärt die Fahrzeu- ge Härten Port Arthur verlassen, weil es nach Einnahme des 203 Meter-Hügels durch die Japaner für die russischen Schiffe unmöglich geworden sei, im Hafen zu bleiben.
London, 2. Jan. Wie aus Tokio amtlich gemeldet wird, hat Port-Arthur, nachdem seine Verteidigungsmittel erschöpft waren, kapituliert.
Tokio, 2. Jan. Die Russen haben im Laufe der Nacht mehrere Forts von Port Arthur geräumt und heute früh die Mehrzahl der im Hafen befindlichen Schiffe in die Luft gesprengt.