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Uro. 1S1.

Ir-eitag, den 23. Aezernber 1904.

40. Jahrgang

Weihnachten 1904.

Nun ruhen die schaffenden Hände, das unruhige Hasten und vorberciten ist zu Ende die Weihnacht im Lichterklanz ist da. Strahlende Weihe will sie in die still gewordenen Herzen bringen. Sie hat's schon im Voraus getan alle diese Wochen hindurch. Liebevolles Sinnen und heimlicdes Suchen, glückliche Kinder- augen und sehnsüchtig wartende Herzen haben über diese unruhigen Tage der eifrigsten Arbeitszeit des Jahres eine stille Weihe gebreitet. Ls ist doch schön, so für andere liebend zu sinnen, auf an­derer Freude bedacht sein zu dürfen. Das gibt allem Tun eine freudige Stimmung, einen eigenen Klang; das wirkt versöhnend über viele Gegensätze hin. Bedauernswerter Mensch, dessen heute niemand gedacht hat, der selbst niemand Freude gemacht hat, weil er kein Auge hat für das, was er Änderen Liebes tun könnte! Da fehlt dem Fest die Weihe, und niemals empfin­det der Mensch solche Vereinsamung schwe­rer, als in der Weihnacht der Liebe. Niemals fühlen es zweifelnde Herzen schmerzvoller, ausgeschlossen zu sein vom Zauber christlicher Weihnachtsfeier, als in diesen Tagen des Kinderglaubens.

Und doch könnte unser Leben ganz und tagtäglich von solcher Weihe erfüllt sein. Wie dürften wir Weihnachten feiern, ohne anbetend des Mannes zu gedenken, von dessen Geist wir in dieser Zeit einen Hauch verspüren! Sein Wirken war eine einzige Weihnacht hingebender, auf­opfernder Liebe, sein Evangelium eine frohe Botschaft für alle Gedrückten, Ein­samen und Zweifelnden, sein Leben ein Bild zu dem Weihnachtsspruch:Also hat Gott die Welt geliebet, daß er seinen ein­geborenen Sohn gab!"

Rundschau.

Stuttgart, 22. Dez. In der wärt- tembergischen Abgeordnetenkammer wurde gestern der Artikel 200 der Gemeinde­ordnung, der die Ruhegehaltsverhältnisse der Ortsvorsteher regelt, erledigt und der Artikel nach den Anträgen der Kommis, sion, die einen Pensionsanspruch auf Lebens­zeit im Falle einer mindestens 20jährigen Dienstzeit, bei kürzerer Dienstzeit aber nur einen solchen auf die Dauer von 2 Jahren vorsehen, angenommen, während ein Antrag der Abgeordneten Schmidt- Maulbronn und Henning, nach welchem für die Ortsvorsteher die rechtlichen An­sprüche auf Bezug eines Ruhegehaltes erst nach 30jähriger Dienstzeit gegeben sein sollten, mit 51 gegen 26 Stimmen abge- lehnt wurde. Auch der folgende, von der

Kommission neu eingeschaltete Artikel 200 u, durch welchen die Pensionsverhält, nisse der übrigen Gemeindebeamten geord- net werden, gelangte nach den Vorschlä­gen der Kommission zur Annahme. Dar- nach haben Gemeindebeamte erst nach einer 30jährigen Tätigkeit im Gemeinde­dienst einen Rechtsanspruch auf den ge­setzlichen Ruhegehalt, während sie bei einer Dienstzeit von 20 bis 30 Jahren die Zahlung des Ruhegehalts nur für die Dauer von 2 Jahren verlangen können.

Stuttgart, 21. Dez. Am heutigen Tag vollendet der Führer der Fraktion der Deutschen Partei im Landtag, Land- tagsabg. a. D. v. Geh, sein 76. Lebens­jahr. Auß diesem Anlaß war heute im Halbmondsaal sein Sitz mit einem präch­tigen Blumenkorb geschmückt, den ihm die Fraktion gewidmet hat. Die Fraktion wird den Tag mit dem Jubilar durch ein festliches Mahl feiern. Hr. v. Geß, geboren am 21. Dez. 1828, ist bekanntlich der älteste der vom Volk gewählten Ab­geordneten der Kammer. Die Unermüd­lichkeit. mit der er, gewissenhaft und leb­haft, wie kaum der Jüngsten einer, seinen ständischen Pflichten nachkommt, erfüllt die zahlreiche» Freunde in Stadt und Land mit aufrichtiger Freude. Die Herz, lichsten Wünsche weiter Kreise begleiten den um das Land Württemberg so viel­fach verdienten Mann.

Der Haupttreffer der Württem- bergischen Geldlotterie (Luftschiffahrtslot- terie) mit 60000 Mk. fiel in die Kollekte von Müller u. Cie in Nürnberg.

Calw, 19. Dez. Auf Einladung des Stadrschultheißen Conz waren heute wieder die Ortsvorsteher und am Fremdenverkehr beteiligte Private aus den Gemeinden Calw, Hirsau, Liebenzell, Neubulach, Teinach, Unterreichenbach und Zavelstein hier versammelt, um, ermuntert durch ihren im Sommer 1904 erreichten Erfolg, über ihre gemeinsamen Wünsche für den Sommerfahrplan 1905 zu beraten. Es wurde wieder eine gemeinsame Eingabe an die Generaldirektion beschlossen. Be­sonders leibhaft wurde wieder die Ein­führung eines Motorwagens auf der Strecke Psorzheim-Teinach gewünscht. Die Fahrplanbesprechungen wurden auch der Anlaß zu einem Zusammengehen bei son­stigen Unternehmungen zur Hebung des Fremdenverkehrs. Die vertretenen Gemein­den ließen erklären, daß sie bereit seien, das Plakatwesen, die Ankündigungen in den Zeitungen, die Herausgabe eines neuen Führers durchs Nagoldtal, eines Kur- und Fremdenblattes, gemeinsam zu betreiben. Auch wurde die Veranstaltung einer Ausstellung landschaftlicher Bil­der aus dem Nagoldtal und Umgebung im

Stuttgarter Landesgewerbemuseum ins Auge gefaßt. Der Hauptversammlung war eine Beratung des Ausschusses des Frem- denverkehrsvereins in Calw vorausge- gangen, in der Stadtschnltheiß Conz zu- nächst über den Erfolg des Sommers 1904 berichtete. Nach bescheidener Zählung waren in Calw 924 Kurgäste, davon 38 von außerhalb Deutschlands. Der Vor­sitzende brachte die Gründung eines Kur­hauses in Anregung. Als Platz für das­selbe bezeichnete er den auf ebener Höhe gelegenen von den prächtigsten Wäldern umgebenen Calwer Hof, wo auch die Vor­bedingungen für die gleichzeitige Einrich­tung einer Milchkuranstalt gegeben wären. Von anderer Seite wurde ein mehr in der Nähe gelegener Platz, etwa beim Wurstbrunnenreservoir vorgeschlagen.

Gestern früh ist die Gerbersehe­frau Lauter in Nagold auf dem Heu­boden durchgebrochen und in die Tenne heruntergestürzt, wo sie erst nach einiger Zeit mit gebrochener Achsel und einem Schädelbruch entdeckt wurde.

Göppingen, 20. Dez. Menschen­schädel und -Knochen wurden gestern bei Grabarbeitcn für die Wasserleitung un­mittelbar am Gasthaus zum Srern auf­gesunden. Die Schädel 11 an der Zahl lagen, der Göppinger Zeitung zufolge, etwa 1,50 Meter tief; sie zerfie- len, sobald sie angefaßt wurden. Außer den Schädeln wurden viele Menschenkno- chen und ein Dolch aufgefunden. Nach den guterhaltenen Gebissen der Schädel zu urteilen, muß es sich um Tote jünge­ren Alters handeln, es hat in jener Ge- gend seit Menschengedcnken kein Kirchhof existiert. Man ist vielleicht auf das Grab vou Soldaten gestoßen, die bei einer Belagerung der Stadt ihr Leben einge­büßt haben. Die Stadtmauer ging be­kanntlich nur bis zum heutigen Schiller- platz, so daß die Fundstelle schon außer­halb der damaligen Stadt liegt. Im Laufe des heutigen Tages werden die Nachgrabungen fortgesetzt, die noch eini- germaßen transportfähigen Knochenreste u. s. w. sollen nach Stuttgart geschickt werden.

Gmünd, 19. Dez. Ein seltener Gast hat sich gestern in der Fiühe im Real­gymnasium eingestellt. Der große Elefant der benachbarten Ehlbeckschen Menagerie hatte wäyrend der Nacht den Pflock, an den er angekettet war, ausgerissen und wollte sich seiner Freiheit erfreuen. Er machte nun seinen ersten Besuch der genannten Anstalt, stieg die ca. 15 Stufen empor und schlug mit seinem Rüssel aus Aerger, daß der Eingang verschlossen war, dessen großes Fenster ein. Dann wanderte ^er noch eine gute Weile in den Straßen