Amtsblatt
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Anzeiger
füv Witöbaö und Umgebung.
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Nro. 14S.
Mreitag, den Dezember 1904.
40. Jahrgang
Rundschau.
— An der vom 3. bis 17. Oktober d. I. an der Technischen Hochschule ab- gehaltenen staatlichen Vorprüfung für das Maschineningenieurfach hat u. a. mit Erfolg teilgenommen Paul Baur von Wildbad.
Stuttgart. Die Zentralstelle für Gewerbe und Handel beabsichtigt, in der Zeit vom 30. Januar bis 4. März 1905 im Landesgewerbemuseum einen baugewerblichen Meisterkurs zu veranstalten. Der Unterricht wird sich erstrecken auf: Bürgerliche Baukunst in Deutschland unter besonderer Berücksichtigung süddeutscher Verhältnisse, Landstadtbav, Pflege von Baudenkmalen, Baukonstruktion, Baumaterialkunde, Heizung und Lüftung. Besich- tigung fertiger Bauten und technischer Betriebe. Der Unterricht wird an 4 Wochentagen je in 8 Stunden stattfinden. Zu dem Kurs werden Bauwerkmeister und Bautechnikcr bis zur Höchstzahl von etwa 15 Teilnehmern zugelassen. Die Teilnahme wird nur für solche Gewerbetreibende möglich und von Nutzen sein, welche gute persönliche Veranlagung, tüch. tige allgemeine Schulbildung, sowie prak- tische und teoretische fachliche Vorbildung besitzen. Anmeldungen find spätestens bis 20. Dezember der Zentralstelle für Gewerbe und Handel in Stuttgart einzureichen.
Stuttgart, 7. Dez. Die Abgeordneten nahmen den Antrag an, nach dem bei Veräußerungen von Denkmälern und Urkunden, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen ist, dem Staate das Vorkaufsrecht Vorbehalten wird. Beseitigungen dürfen nur nach vorheriger rechtzeitiger Benachrichtigung der bctref- senden staatlichen Organe vorgenommen werden.
Nagold, 1. Dez. Ueber die tech- nischen Verhältnisse der Erbauung einer schmalspurigen Nebenbahn von Nagold nach Herrenberg ist bei der Eingabe an den Landtag ein Gutachten von Reg.- Baumeister Wallerstein beigegeben. Nach diesem ist als günstigste Linie die Führung der Bahn von Herren berg über Haslach, Sindlingen. Unterjettingen. Mötz- ingen, Bondorf vorgesehen. Die Abzweigung von Nagold würde in südlicher Richtung erfolgen, da hierdurch im Vergleich zu einer nördlich von Nagold stattfindenden Abzweigung die verlorene Steigung um 50—70 Meter verringert würde. Die Länge der Bahn würde 16,9 Klm. betrage»; außer einigen Straßenüber« und Unterführungen wären nennenswerte Kunstbauten nicht zu erstellen, infolge des welligen Geländes aber nicht unbeträchtliche Erdarbeiten erforderlich, sodaß für
1 Klm. Bahnlänge ein Bauaufwand von 75 000 Mk. und für die gesamte Bahn ein solcher von 1270000 Mk. in Aussicht genommen werden muß. In einem weiteren Projekt wird dann die Abzweigung der Bahn gegen Oberjettingen hin besvrochen und für diese Variante eine Länge von 17,8 Klm. (also 900 Meter mehr als bei elfterem Projekt) und dementsprechend ein Kostenaufwand von 1340000 Mk. herauSgerechnet. Den gleichen Kostenausward würde eine gleichfalls erörterte Verbindung von diesen beiden Projekten erfordern.
Tübingen, 1. Dez. An der hiesigen Universität befinden sich im laufenden Semester 1407 Studierende, von denen
475 Njchtwürttemberger sind. Im Ein zelnen studieren: 250 evang. Theologie, 176 kath. Theologie, Rechtswissenschaft 327,Medizin171. Philosophie 154, Staatswissenschaften 168 und 161 Naturwissenschaften. Unter den Studierenden befinden sich 4 weibliche. Die Zahl der Studierenden hat gegen das Wintersemester 1903/04 um 20 zugenommen.
Cannstatt, 8. Dez. Gestern abend zwischen 5 und 6 Uhr wurde hier im Hause Königsstraße 69 ein gräßlicher Raubmord verübt. Kurz nach 6 Uhr wurde die bei dem Photographen Klai- ber angestellte, 24 Jahre alte Empfangsdame Eugenie Mast von hier in dem im Parterre gelegenen Empfangszimmer ermordet aufgefunden. Der Mörder scheint ihr zuerst mit einem Prügel auf den Kopf geschlagen und ihr dann den Hals durchschnitten zu haben, worauf er die Kasse mit 12 Mk. 40 Pfennig raubte und dann die Türe von außen abschloß. Eine jüngere Schwester, die die Ermoc- dcte gegen 6 Uhr besuchen wollte, fand die Türe verschlossen, was ihr verdächtig vorkam. Dies führte zur Entdeckung der schrecklichen Tat. Nach der Lage der Leiche zu schließen, muß der Mörder sein Opfer gleich beim Eintritt in doS Zimmer mit einem Prügel auf den Kopf geschlagen haben, denn die Leiche lag nur wenige Schritte von der Tür entfernt mit dem Gesicht nach oben. Die Leiche, die ganz mit Blut überzogen war, bot einen fürchterlichen Anblick.
Reutlingen, 5. Dez. Der kürzlich ohne nähere Leibeserben hier verstorbene Prof. Durretsch von der Oberrealschule hier hat sein 110000 Mk. betragendes Vermögen testamentarisch in 16 Teilen befreundeten Kollegen und Familieu, sowie Wohlsahrtseinrichtungen nnd -Anstalten zugewendet und dadurch viel Gu- tes gestiftet. Auch die Staatskasse erhielt ein Vermächtnis von 3000 Mk.
Heidelberg, 5. Dez. Die Sache
mit dem Raub beim Privatmann Meeser i hier hat sich nun weiter aufgeklärt. Das Dienstmädchen hatte Lust zu einer Reise nach Paris und um zu dem nötigen Reisegeld zu gelangen, veranlaßte sie ihren Liebsten, einen Bäcker und dessen Freund, einen Techniker, den mißratenen Sohn einer ehrenwerten Beamtenfamilie, bei ihrem Herrn eine Zwangsanleiye in der geschilderten Weise zu machen. Sie hat sich laut „M. G.-A-" dann selbst verraten, indem sie sich auf dem Bahnhof erkundigte, wie viel eine Reise nach Paris koste.
— In einer dem Reichstag zugegangenen Denkschrift des Reichskanzlers heißt es über die Ursachen des Hrrero-Ausstan- des: „Der Hereroaufstand wäre nach der Lage der Dinge auch ausgebrochen, wenn es nie einen weißen Händler im Hererolande gegeben hätte. Die Grundursache des Aufstandes ist in der doppelten Tatsache enthalten, daß die Herero als ein von altersher freiheitsliebendes, eroberndes, maßlos stolzes Volk auf der einen Seite die Ausbreitung der deutschen Herrschaft und ihre eigene Herabdrückung von Jahr zu Jahr immer lästiger empfanden, auf der anderen Seite aber — und das ist das Entscheidende — von dieser deutschen Herrschaft den Eindruck hatten, daß sie ihr gegenüber im letzteren Grunde der stärkere Teil seie."
Luxemburg, 7. Dez. Eine soeben zusammengetretene Aktiengesellschaft beabsichtigt die Errichtung großer Spielsäle in Luxemburg, wie sie in Monte Carlo bestehen. Die Angelegenheit beschäftigt den Gemeinderat und die Kammer in der nächsten Sitzung.
— DerLokalanz. meldet aus Petersburg: Die russische Regierung kaufte für 60 Millionen Rubel Kriegsschiffe in Argentinien und Chile.
— Der Besitz des 203 Meter-Hügels scheint den Japanern zu halten, was sie sich davon versprachen. Seit sie ihre schweren Schiffsgeschütze auffahren, setze» sie der russschen Flotte im Hafen von Port Arthur furchtbar zu. 134 Treffer wollen sie seit dem 2. Dezember gezählt haben; das Linienschiff „Poltawa* sei gesunken, der „Retwisan" so schwer beschädigt, daß er sich beträchtlich auf die Seite gelegt, der große Kreuzer „Bajan" auf Grund geraten. Aber noch mehr. Auf dem Akasakahügel konnten die Russen dem Feuer von dem 203 Meterhügel nicht standhaltcn und mußten ihn räumen. Schritt für Schritt schieben sich die zähen Japaner vor. Am 5. Dez. mußte aber- malsI 5stündige Einstellung der Feindseligkeiten zur Bestattung der Toten verabredet werden. Wann wird dieses mörderische Ringen endlich ein Ende finden?