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chen Beziehungen zum Besten der Zivilisation zu verknüpfen und die Gefühle gegenseitiger Achtung und Kameradschaftlichkeit zwischen den beiden großen und jungen Völkern fördern helfen. Roofe- velt antwortete mit Dankesworten und sagte, er freue sich, daß er wiederum Gelegenheit gehabt habe, dem Kaiser seine Hochachtung auszusprechen und mit Zustimmung aller seiner Landsleute den Wunsch daran zu knüpfen: „Auf das Glück und Wohl der deutschen Nation!"
Odessa, 26. Nov. In Rostow am Don hat sich eine schreckliche Eisenbahn- Katastrophe ereignet. Ueber das Eisenbahngeleise waren von Verbrecherhand schwere Tisenblöcke gelegt worden. Der Nachtschnellzug entgleiste und begrub sämtliche Passagiere unter seinen Trümmern. Eine große Anzahl Leichen wurden bei den Aufräumungsarbeiten geborgen, viele Hunderte sind schwer verletzt. Die Krankenhäuser der Stadt sind überfüllt.
Venedig, 28. Nov. Hier herrscht ein furchtbarer Sturm. Auch aus Unteritalien kommen von verschiedenen Orten Hiobsposten, so aus Tarent, wo der Sturm mit Hagelschlag verbunden die Ernte vernichtete. Das Handelsschiff „Margherita" strandete. Mehrere Matrosen verbrannten. Bei Catazar scheiterte das große Handelsschiff „Antoniet- ta".
Wnlerhatterröes.
Der Diamantstein.
Erzählung von O. Eiste r,
19) (Nachdruck verboten.)
Auf der Brücke, welche den Wasserlauf zwischen den beiden Seen überwölbte, sah sie den Grafen Jürgen stehen. Sie wollte einen Seitenweg einschlagen, um eine Begegnung mit ihm zu vermeiden, doch Jürgen hatte sie schon gesehen und kam rasch auf sie zu.
„Das trifft sich ja herrlich," sagte er, indem es in seinem Auge aufleuchtete. „Gestattest Du, daß ich Dich begleite?"
„Ich suchte Thea ..."
„Sie ist mit Herrn Mansberg in dessen Atelier zu einer letzten Sitzung für ihr Porträt, das zu Papas Geburtstag noch fertig werden soll. Also mußt Du schon mit meiner Gesellschaft fürlieb nehmen, Cousine."
„Da möchte ich doch lieber zum Schloß zurückkehren."
„Liselotte, weshalb fliehst Du mich?"
Seine Stimme klang so ernst und tief, daß sie erstaunt zu ihm aufschaute.
„Ich fliehe Dich nicht, Jürgen," ent- gegnete sic lächelnd. „Ich fürchte mich wirklich nicht vor Dir," setzte sie neckisch hinzu.
Er hatte ihr sonst stets in demselben scherzenden Tone erwidert, doch heute blieb sein Antlitz ernst.
„Willst Du mich einmal ernsthaft anhören, Liselotte?" fragte er.
„Aber natürlich! Was ist's denn so Ernstes, was Du mir mitzuteilen hast?"
„Liselotte — so kann es nicht weiter gehen!" stieß er hervor. „Es muß ein Ende nehmen!"
„Ei, das klingt ja ganz tragisch," versuchte sie zu scherzen. Doch der Scherz wollte ihr nicht recht gelingen.
„Spotte nicht, Liselotte — wahrhaftig, es ist mein heiliger Ernst mit dem, was
ich Dir zu sagen habe. Liselotte, Du mußt es doch schon längst bemerkt haben, wie es in meinem Herzen aussieht — Du mußt es bemerkt haben, daß ich Dich liebe . . ."
„Jürgen — ich bitte Dich — kein Wort mehr!"
„Ich muß es Dir sagen, Liselotte — sei barmherzig und verwirf meine Liebe nicht — Du kannst mich zum Glück- lichsten der Menschen machen, und ich — ich schwöre es Dir —-, ich will Dich aus den Händen tragen! — Liselotte — ich liebe Dich — werde mein Weib."
Er ergriff ihre Hand, die wie leblos in der seinigen lag. Eine tiefe Blässe hatte ihr Gesicht überzogen, ihr Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen — in dem kurzen Augenblicke des Schweigens stürmten die Gedanken durch ihre Seele
— in dem einen kurzen Augenblicke drängte sich ihr ganzes Leben zusammen
— ihre eigene Liebe — die Ratschläge ihrer Mutter — die glänzende Zukunft
— — doch mit einem Male erwachte sie aus ihrem Traum. Sie zwang sich gewaltsam zur Ruhe und entgegnete mit einem leichten Lächeln:
„Du weißt selbst, Jürgen, daß es unmöglich ist . . ."
„Unmöglich? — Weshalb? — Wenn Du mich liebst?"
„Und wenn ich Dich liebte — Du vergißst meine Armut."
„Du bist nicht arm — Du trägst Deinen Reichtum in Dir selbst."
Liselotte lächelte jetzt fast belustigt.
„Ein hübsches Wort, Jürgen — aber es läßt sich dieser Reicktum nur nicht in baare Münze nmsetzen."
„Liselotte — Du kannst in dieser Stunde scherzen?"
„Ich muß wohl für uns Beide kühles Blut behalten, Jürgen. — Was würde Deine Mutter sagen, wenn Du mich ihr als Deine Braut vorfüyren wolltest?"
„Mama ist einverstanden mit meiner Wahl."
„Jürgen, Du täuschest Dich!"
„Ich täusche mich nicht — ich habe schon mit ihr gesprochen — mit ihr und mit Onkel Thiemo — Beide sind einverstanden."
Leichenblasse bedeckte die Wangen Liselottes.
„Du hast mit Onkel Thiemo gesprochen?"
„Ja, Du liebe, törichte, kleine Närrin
— und Alles ist in bester Ordnung. Ach, ich weiß wohl, weshalb Du eine Verbindung zwischen uns für unmöglich hieltest
— ich selbst verzwesielte fast — bis Onkel Thiemo mir einen Ausweg zeigte. Er ist der großmütigste Mensch, den es giebt!
— Er will uns schon jetzt sein zweites Gut in Diamantstein übergeben. Dort sollen wir uns unser Nest bauen — diese Bedingung stellt er, denn er will uns um sich behalien, damit er nicht allein in seinem Alter dasteht, wie er sagt. Es klingt ja wunderlich — er ist doch noch in den besten Jahren — ein rüstiger, kräftiger Mann. Aber er will uns glücklich sehen — er will sich an unserem Glück erfreuen — Liselotte, und glücklich wollen wir sein, und ihm. unserem Wohltäter, dankbar sein unser ganzes Leben . . . Aber was ist Mr, mein liebes Mädchen?"
Liselotte hatte die Hände vor das Antlitz gt schlagen und weinte heftig. Das
Gebäude ihres stillen, heimlichen Glückes fiel in sich zusammen; es blieb nichts, als ein leerer, öder Platz in ihrem Herzen.
Jürgen hatte den Arm um ihre Gestalt gelegt, sie duldete es schweigend, ja, sie lehnte sogar in matter Hilflosigkeit das Haupt an seine Schulter. Und Jürgen glaubte in dieser Bewegung das Geständnis ihrer Liebe zu erblicken. Er zog sie fester an sich und sprach leise und zärtlich auf sie ein und flüsterte ihr innige Kosenamen zu.
Langsam erwachte sie aus ihrer Betäubung und entzog sich seiner Umarm- ung. Mit großen, erstaunten Augen sah sie zu ihm auf, als verstände sie seine Worte nicht. Doch als er sie wieder in seine Arme ziehen wollte, da wehrte sie ihn ab.
„Nicht so, Jürgen — das Alles kann ja nicht sein."
„So glaube doch nur an unser Glück, meine Liselotte," sagte ec, froh und glücklich lachend. „Es ist Alles so, wie ich Dir sagte."
„Ul>d er — Onkel — Thiemo — wünscht, daß . . ."
„Ja, ja, ec selbst hat mir das Angebot gemacht — er selbst, ohne daß ich ihn gebeten — er liebt Dich, wie seine Tochter, sagte er mir, und will Dich glücklich sehen."
„Er liebt mich wie seine Tochter ...?"
„Wie seine Tochter! — Liselotte, meine liebe, süße Liselotte; wir sollen glücklich sein!"
Sie schüttelte das Haupt. „Ich kann eS nicht glauben . . ."
„So frage ihn selbst."
„O nein — nein niemals!" rief sie heftig.
„Aber so komme doch zu Dir, meine Liselotte! Du hast mir noch keine Antwort gegeben. Du hast mir noch nicht gesagt, ob Du mich liebst ... ob Du mein Weib werden willst ... so sprich doch . . ."
Sie strich sich mit der Hand über die Stirn.
„Laß mich jetzt, Jürgen — das Alles kommt so überraschend — ich bitte Dich, laß mich ..."
„Liselotte!"
„Nein, jetzt nicht — jetzt nicht. — Meine Mutter kommt in der nächsten Zeit. — Solange gieb mir Aufschub. Ich muß mit ihr sprechen . . . bitte, laß mich jetzt."
»Ich gehe, Liselotte. Aber Deine Mama will ich schon so lange bitten, bis sie uns ihren Segen giebt. — Auf Wiedersehen, meine liebe, süße, kleine Braut!"
Er zog sie nun doch wieder an sich und küßte sie auf die Stirn, ohne daß sie irgend welchen Widerstand leistete. Dann entfernte er sich, und Liselotte blieb regungslos stehen, mit großen tränenlosen Augen in das Leere starrend.
Er liebt dich wie eine Schwester! — Diese Worte klangen ihr immer aufs Neue in Herz und Seele wieder und machten sie zum Tode betrübt. Jetzt erst erkannte sie, wie tief die Liebe in ihrem Herzen wurzelte, wo sie die Gewißheit zu haben glaubte, daß ihre Liebe eine vergebliche war. Jetzt erst erkannte sie, wie egoistisch die Liebe ist, wie sich das Herz auch unbewußt nach Gegenliebe sehnt und auf Gegenliebe hofft. Bis