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Vermischtes.
— Heitere Schulerinnerungen eines alten Lehrers veröffentlicht Hr. G. Escher in Darmstadt in der „Franks. Ztg". Sein Gewährsmann erzählt: „Ich war ein junger Lehrer von einigen 20 Jahren und in dem nahezu 300 Einwohner zählenden Dorfe Gr.-Z. angestellt. Wohl über 100 Maurer zogen damals, es war in den 70er Jahren, Montags mit dem Frühzug nach Frankfurt auf ihre Arbeitsstelle, um Samstag abends wieder in ihr Heim zurückzukehren. Von einem dieser Maurer war mir sein schulpflichtiger Sprößling zur Ausbildung anvertraut. Meinen Unterrichts- und Erziehungsversuchen brachte besagter Junge aber so wenig Interesse entgegen, daß ich ihn öfters zur Strafe nachsitzen lassen mußte. Eines Tages sollte dies jedoch nicht so glatt abgehen. Ohne vorherige Anmeldung wird plötzlich die Türe aufgerissen und ein selten großes und starkes Weib tritt geräuschvoll und unter Zanken, von mir gar keine Notiz nehmend, ins Schulzimmer ein und schreit mrt überschnappender Stimme: „Schorsch, glei kimmste mit!" Im Nu ist sie bis zur Bank vorgedrungen, wo ihr „Schorsck" saß, faßt ihn am Arm und will ihn mitnehmen. Seine gewaltsame Entführung zu hindern, ergreife ich ihn am andern Arm und rufe: „Ihr Bub bleibt hier!' Ehe ich mich aber versehe, packt das wütende Weib mich am Hals und holt zum Schlage aus. Nun war ich natürlich gezwungen, eben- falls zur Offensive überzugehen, und schneller, als ich das hier erzählen kann, halten wir uns fest umschlungen, und es entsteht eine Rauferei mit Knüffen und Püffen nud Faustschlägen nach allen Regeln der Kunst. Bald liege ich oben, bald unten doch mehr oben als unten. Denn bei dieser Balgerei kam mir meine turnerische Gewandtheit, ich war auf dem Seminar, Vorturner, sehr zu statien. Meine Absicht, den Kampfplatz mehr in die Nähe der noch offenen Tür zu verlegen, glückte nach verschiedenen gemeinsamen Umwälzungen. Es gelingt mir nach vieler Mühe und Aufbietung aller Kraft, mich endlich von meiner Angreiferin, die nebenbei bemerkt über Rief.nkräste verfügte, wie ich sie niemals bei einem sssuus lomiui- vllm vermutet hätte, loszuschälen und vom Boden zu erheben. Während sie nun gleichfalls sich aufrichten will, gebe ich ihr behende einen wuchtigen Stoß, welcher sie zur Tür hinausbefördert. Rasch schließe ich innen ab und harre keuchend auf einen etwaigen neuen Angriff. Aber alles bleibt ruhig und still; das böse Weib war abgezogen. Selbstverständlich machte ich von diesem Vorfall meiner Vorgesetzten Behörde Anzeige, was zur Folge hatte, daß die Frau einige Wochen später auf der Anklagebank erscheinen mußte. Das damals zuständige Bezirksstrafgericht verurteilte sie wegen Hausfriedensbruch zu 30 Mk. Geldstrafe eventuell 20 Tagen Haft, wobei es ihre hochgradige Erregtheit als strafmildernd in Anrechnung brachte, immerhin eine sehr milde Justiz. Drei Tage nach diesem brutalen Ueberfall, an einem Sonntage sitze ich im „Goldenen Löwen" in der Hinterstube, wo sich in der Regel zwischen 5 und 7 Uhr nachmittags etwa ein Dutzend Gäste nach und nach einfanden. Gewöhnlich war ich zuerst da, weil ich mich
dann ungestört der Lektüre einer amerikanischen Zeitung, die ein in Amerika meilender Sohn des Hauses regelmäßig in seine Heimat sandte, hingeben konnte. Bekanntlich fallen diese Zeitungen auf durch die Größe ihres Formats, welchen Umstand ich um deswillen erwähne, weil er wenige Augenblicke später für mich eine praktische Bedeutung gewinnen sollte. Während ich nämlich ganz vertieft mein Blatt studiere, bemerkte ich zu meinem Unwillen, wir schon ein zweiter Gast eintreten will, und aus Erfahrung weiß ich, daß an ein Weiterlesen nicht mehr zu denken ist. Meine Zeitung ein wenig beiseite schiebend, will ich mir den unwillkommenen Störenfried betrachten, als ich zu meinem unbeschreiblichen Schrecken in dem Türrahmen die herkulische Gestalt eines Mannes vorfinde, eines Menschen, den ich am allerwenigsten erwartet hätte — es ist der Ehemann der von mir „behandelten" Frau. Gegen diesen war ich nur ein Knirps, und jeder Kampf mit ihm wäre für mich aussichtslos gewesen. Also denke ich an Flucht. Zunächst verkroch ich mich hinter meine Zeitung, die schwache Hoffnung hegend, vielleicht hat er dich nicht erkannt. Rasch überlege ich, wie ich im Falle eines Angriffs meine Flucht bewerkstelligen könnte, da die einzige vorhandene Ansgangstür vorläu- fig durch meinen furchtbaren Gegner, denn nach Lage der Sache mußte ich ihn für einen solchen halten, versperrt war. Bald stellt sich heraus, daß meine Hoffnung, unerkannt zu sein, eine trügerische ist-, mit schweren Tritten kommt der Gefürchtete auf mich zu, und in unmittelbarer Nähe faßt er Posto. In zusammenge- duckter Stellung luge ich scheu hinter meiner Zeitung nach oben, jeden Augenblick eine auf mich niedersausende Faust erwartend. Mein Entschluß war, nach dem ersten Schlag, den ich vielleicht durch geschicktes Parieren abzuschwächen ver- möchte, schlennigst hinter den Tisch herum oder mit einem Satz über denselben durch die Türöffnung zu verschwinden. Aber die gefürchtete Katastrophe tritt nicht ein, und ich traute kaum meinen Ohren, als er mir mit ruhiger Stimme einen „G'n Tag, Herr Lehrer!" bietet. Vorsichtig schiebe ich mein Blatt ein wenig zur Seite und recke meinen Kopf wieder etwas höher, ähnlich wie eine ins Gehäuse sich zurückgezogene Schnecke tut, wenn sie keine Gefahr mehr wittert. Ein nichts weniger als feindseliger Blick läßt mich noch mehr wachsen und zu meinem Erstaunen richtet der Mann an mich die Worte: „Herr Lehrer, ich macht mich nur schec bei Ihne bedanke, daß Se meiner Fraa emol so geherig ihre Wichs gewwa hawwa, ich sog der Ihne, di is seitdem so zahmche wie noch nie!" Ein Vierteljahr später begegnete mir derselbe Mann auf der Straße, und mich vertraulich-höflich grüßend, redete er mich, dabei mit den Augen zwinkernd, an: „Herr Lehrer, wenn Se nix dageje hawwe, will ich Ihne wiedder emol mei Fraa schicke, mit dem Oos is's merklich net meh zum Aushalte!" Lächelnd winkte ich ab.
Gemeinnütziges.
(Sammt zuwaschen.) Zwei Rindsgallen werden mit etwas Honig und Seife in weiches Wasser getan, gekocht und fleißig umgerührt. Der Samt wird auf
ein reines, angefeuchtetes Brett gelegt und mit obiger Mischung mittelst eines Läppchens ziemlich stark befeuchtet; darauf wickelt man denselben auf ein Mangelholz und rollt ihn, bis der Schmutz verschwunden ist; alsdann wird er durch reines Wasser gezogen, nochmals gerollt und endlich aufgehängt. Mit in Wasser geweichter und aufgekochter Haujenblase wird der halb trockene Samt naß gemacht, zwischen ein Tuch geschlagen, so lange bis er trocken ist, gerollt und zuletzt mit einem Tuche wieder aufgerieben.
(Leim.welcherseineBindekraft in der Nässe nicht verliert.) Man koche 8 Lot Tischlerleim mit 1 Pfund Wasser zu einem starken Leim, setze dann 90 Gr. Leinölfirniß bei und koche noch einige Minuten unter starkem Umrühren.
(Blutstillung.) Für kleinere, stark blutende Wunden, z. B. Fingerschnitte, ist heißes Wasser ein ganz gutes Blutstillungsmittel. Dasselbe darf nicht kochen, muß aber ziemlich nahe zum Siedepunkte erhitzt sein. Man taucht etwas Watte, ein zusammengeballtes Leinläppchcn oder dergl. in das Wasser und legt es auf die Wunde. Wie gesagt, ist dieses Mittel aber nur für kleine Wunden anwendbar.
Weber s Moderne Bibliothek
Illustrierte Sammlung bester Romane und Novellen aus der Feder beliebter Autoren. Alle drei Wochen ein abgeschlossener Band von 128—160 Seiten. Preis des Bandes 20 Pfg. (Otto Weber's Verlag, Heilbronn a. N.) Von der allgemein beliebten, hübsch ausgestatteten Sammlung, die zu einer der besten und preiswürdigsten 20 Pfennig-Bibliotheken gezählt werden darf, sind bis jetzt 62 Bände erschienen, durchweg mit anerkannt gutem, interessantem Inhalt, der jedem Gescdmack Rechnung trägt. Webers Mo- dernc Bibliothek ist daher als angenehme Unterhaltungslektüre für die Reise und fürs Haus Jedermann zu empfehlen. Wer dieselbe einmal kennen gelernt hat, ist ständiger Käufer.
— Einen schönen Schmuck, auch für kleine Gärtchen, bilden die Steinoder Felspartien, die mit den verschiedenen Alpenpflanzen besetzt werden. Die Bepflanzung der Steinpartien behandelt ein Aufsatz in der neuesten Nummer des praktischen Ratgebers. Es wird dort der Aufbau von Felspartien erklärt und durch Bilder erläutert. Es soll niemals Erde, sondern kleine Steine, Bauschutt oder Schlacke zum Unterbau verwendet werden, damit ein guter Wafserabzug erzielt wird. Erst auf diesen Unterbau bringt man eine Mischung von Komposterde, Sand und Torfmull. — Als schönste Alpenpflanzen werden in dem Aufsatze beschrieben: Die Alpennelke (Dianthus alpinus), die Alpen- silene, der Thymian (Thymus Serpyllum), die schönen Steinbrecharten und andere. Da alle Alpenpflanzen in ihrer Heimat feuchte Luft genießen, ist ein öfteres Ueberbrausen der Steinpartien notwendig. Die Nummer mit dem oben erwähnten Aufsatze wird Interessenten auf Verlangen gratis und franko vom Geschäftsamt des praktischen Ratgebers im Obst- und Gartenbau in Frankfurt a. O. zugesandt.
Redaktion. Druck und Verlag von A. Wildbrett in Wildbad.
Telephon Nr. 33.