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Nro. 7S.

Montag, öen 27. Juni 1904.

40. Jahrgang

Rundschau.

Stuttgart, 23. Juni. Der Land­tag wurde heute durch ein königliches Reskript bis auf weiteres vertagt.

Stuttgart, 23. Juni. (Strafkam­mer). Eines schweren Mißbrauchs des Züchtigungsrechls und der Mißhandlung der eigenen Kinder waren angeklagt der 40sährige Schreiner Eugen Witzemann von hier und dessen 38jährige Frau zweiter Ehe Pauline Wchemann. Der Vater schlag zufolge der Anklage in der Zeit von Frühjahr 1902 dis Ende 1903 fort­gesetzt seine Kinder aus erster Ehe, zwei Knaben im Alter von l5 und 9 Jahren und ein 12 Jahre altes Mädchen, mit einem sogenannten Farrenschwanz auf Kopf, Rücken und Füße, warf sie in die Höhe und ließ sie zu Boden fallen, gab ihnen Faustschläge ins Gesicht, bedrohte sie öfters, ein geöffnetes Dolchmesser in der Hand haltend, mit Erstechen, auch mit Oeffnung des Gashahnens, damit sie verrecken, legte auch einmal dem 9jähr. Söhnchen und dem 12jähr. Töchterchen gemeinsam eine Schlinge um den Hals und knüpfte sie so au einem an der Türe befestigten Kleiderhacke,, fest. Die Stief­mutter der Kinder war angeklagt, diese durch Faustschläge in das Gesicht, ins- besondere auf die Nase, mißhandelt, den 9jährigen Knaben und das 12jährige Mädchen mit einem Farrenschwanz und einem Meerrohr öfters blutig geschlagen, das Mädchen auch an den Haaren herumgezerrt, es mit dem bestiefelten Fuß in die Seite gestoßen, und mehr­mals mit einem Emailgeschirr ihm Schläge auf den Kopf versetzt zu haben, wodurch das Mädchen eine blutende Wunde davontrug, auch soll sie gelegent­lich einer solchen Mißhandlung dem Mädchen gedroht haben:Dich mache ich hin, ich rücke das Zuchthaus an dich, eine rote Weste ziehe ich an, wenn du tot bist." Das Mädchen liegt zur Zeit totkrank im Diakonissenhaus zu Holl, die Knaben wurden in Zwangserziehung gege- ben. Die Angeklagten bestritten die Miß- Handlungen und die Ueberschreitung des Züchtigungsrechts, wurden aber auf Grund der Aussagen der Kinder und andererglaub- würdiger Zeugen fortgesetzter gefährlicher Körperverletzung schuldig befunden und Witzemann zu 4 Monaten 15 Tagen, die Frau zu 2 Monaten Gefängnis verur­teilt. Staatsanwalt Cuhorst hatte 8 bezw. 5 Monate Strafe beantragt.

Neuenbürg, 22. Juni. Stadtbau. Meister Klingler hat am Montag abend sein Amt als Stadtbaumeister nieder- gelegt.

Liebenzell, 21. Juni. Das Gast- Haus zum Anker in Dill-Weißenstein wurde

um 70000 Mark an einen Pforzheimer Wirt, Herrmann, verkauft.

Die Juninummer der Schwarz­waldblätter enthält einen »Festgruß zur Hauptversammlung des württembergischen Schwarzwaldvereins zu Teinach am 3. Juli 1904" von Hofrat Dr. Wurm. Der gewandte Verfasser gibt in fesselnder Schilderung ein Bild des früheren und jetzigen Bades Teinach und eine Be- schreibung der Pflanzen- und Tierwelt, sowie der geognostischen Verhältnisse der Umgebung von Teinach. Der Artikel ist durch mehrere Bilder von Teinach und Zavelstein schön illustriert. Außerdem enthält die Nummer den Schluß des AufsatzesDie Herrschaft Altensteig" von Pfarrer Miller in Enzklösterle, ferner den Schluß derGeschichte der Weiten­burg bei Sulzau" von Th. Schön, eine Beschreibung desGrabmals des Mark­grafen Ernst in der Schloßkirche zu Pforzheim", eine Erläuterung zu der neuen Karte: Blatt Triberg undVer­schiedenes". Den Schluß der Nummer bilden Vereinsnachrichtea und Bücheran­zeigen.

Tübingen, 21. Juni. (Schwurge­richt.) Eines Verbrechens der schweren räuberischen Erpressung war der 22jäh- rige Bäckergeselle Karl Friedrich Schieber von Ernstmühl bei Hirsau, O.A. Calw, angeklagt. In Hirsau bewohnt eine Rentnerin eine isoliert liegende Billa allein mit ihrem Dienstmädchen. In der Nacht zum 2. Mai ds. Js. erwachte sie an fort­gesetztem starkem Läuten ihrer Hausglocke und heftigem Rütteln an der Haustüre. Sie stand mit ihrem Dienstmädchen aus, begab sich hinter die verschlossene Türe und fragte: Wer ist da? was wollen Sic? Von dem außen stehenden Angeklagten erhielt sie die Antwort:Ihr Geld wollen wir, wir sind fünf Kerls, wir haben Ihr Haus umstellt; weun Sie nicht Ihr Geld hergeben, schlage ich die Türe ein und dann sind Sie verloren, wir haben Re­volver!" Die Frau antwortete, sie habe im Augenblick fast kein Geld im Haus, sie wolle hinaufgehen und Nachsehen, was sie habe. Während sie die Treppe Hinauf­stieg begann der Angeklagte heftig an der Türe zu rütteln und gegen diese zu schla­gen. Sie rief ihm hinunter, wenn ihm eine Mark genüge, wolle sie ihm diese geben. Der Angeklagte antwortete:Wenn die andern damit zufrieden sind, wir haben Revolver." Schließlich warf sie ihm ein in ein Papier eingewickeltes Ein­markstück hinunter; der Angekl. hob es sofort aus und entfernte sich rasch. Gleich am andern Vormittag wurde er in der Nähe von Hirsau durch den Stations­kommandanten von Calw verhaftet; in

seinem Besitz befand sich ein Einmarkstück und 1 Pfg., er trug einen scharf geladenen Revolver bei sich. Der Angeklagte zog in Abrede, der Täter zu sein; die Zeug­innen erkannten ihn wieder. Sein Alibi nachzuweisen vermochte er nicht. Weitere Zeugen sahen ihn um die betreffende Zeit in der Gegend der Villa Herumstreifen. Die Geschworenen sprachen den Ange­klagten nur der einfachen Erpressung schuldig, worauf er neben dem Verlust der Ehrenrechte auf 3 Jahre zu der Ge­fängnisstrafe von 10 Monaten verurteilt wurde.

Tübingen, 24. Juni. Der Stu­dent Vilmain, welcher auch in der Real- schule und im Gymnasium Reutlingen die Schüler auf dem Abort und in den Klassenzimmern abfaßte und züchtigte, ist seit einigen Tagen in Untersuchungshaft. Es wird wohl eine Beobachtung seines Geisteszustandes angeordnet werden.

Backnang, 22. Juni. Vor einigen Tagen wurde ein hiesiger Einwohner, ein verheirateter Mann in mittleren Jahren, beim Rasieren ganz unbedeutend verletzt. Da sein Gesicht sofort in beängstigender Werse anschwoll, nahm er ärztliche Be- Handlung in Anspruch und wurde letzten Montag nach Stuttgart gebracht. Heute nacht ist er dort an Blutvergiftung ge- storben.

Heilbronn, 24. Juni. Heute mor­gen 8 Uhr wurde vom Landgericht hier das Urteil in dem Prozeß des vorm. O.B.M. Hegelmaier gegen die Stad/ Heilbconn auf Erstattung der ihm vor» enthalteuen Gebühren in Höhe von 8100 Mark nebst Zinsen seit etwa 3 Jahren mit etwa 600 Mk. verkündet. Hienach wird die Stadt Heilbronn zur Bezahl- ung der Hauptsumme von 8100 Mark und zur Tragung sämtlicher Kosten des Rechtsstreits verurteilt. Die Zinsen­forderung des durch Rechtsanwalt

Spröhnle vertretenen Privatklägers wurde dagegen nicht bewilligt. Vertreter der

Sradtgemeinde Heilbronn waren die Rechtsanwälte Rosengart und Schloß.

Vom Bodensee, 22. Juni. Der König und die Königin von Württem- berg trafen am Samstag zum Sommer­aufenthalt in Friedrichshafen ein.

Die badischen Eisenbahnen ren­tieren schlecht. Zwar steigen die Ein­nahmen, aber die Ausgaben wachsen noch mehr, und der für das laufende

Jahr ausgerechnete geringe Ueberschuß ist künstlich zusammengebracht. Man hat einfach eine Zahl Posten für notwendige Umbauten und Ausbauten gestrichen. Damit läßt sich ja noch eine kleine Weile wirtschaften, lange geht das aber nicht so fort, schon im Interesse der Betriebs-