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Uro. 72.
Montag, öen 20. Juni 1904
40. Jahrgang
Rundschau.
Bebenhausen, 17. Juni. Ihre Majestäten der König und die Königin haben aus Anlaß des Ablebens des Grafen v. Dillen-Spiering in Dätzingen den Hinterbliebenen Allerhöchst Ihre Teilnahme ausgesprochen.
Stuttgart, 9. Juni. Die am Sonntag eröffnete Ausstellung von Lehrlingsarbeiten nimmt die ganze Vorhalle des Landesgewerbemuseums ein. Die Ausstellung enthält vieles, was schon ein beachtenswertes Können verrät. Beson- ders sind die kunstvollen Schlosserarbeiten zu erwähnen, sowie die Arbeiten der Lehrlinge der Eisenbahnwerkstätten, bestehend in Präzisionsarbeiten, die zeigen, wie sehr man hier darauf bedacht ist, einen tüchtigen Stamm von Arbeitern heranzubilden.
Stuttgart, 16. Juni. Die Kammer der Abgeordneten hat heute bei der Beratung von Bolksschulpetitionen über die gescheiterte Volksschulnovelle debattiert und mit 62 gegen 17 Stimmen folgende von dem Abg. Haußmann und anderen Abgeordneten der deutschen Partei und der freien Vereinigung eingebrachte Resolution angenommen: „Die Kammer der Abgeordneten überweist, nachdem die Kammer der Standesherren den Gesetz, entwarf über das Volksschulwesen zu Fall brachte, den in den Eingaben des würt- tembergischen Volksschullchrervereins und des katholischen Lehrervereins vertretenen Wunsch einer zeitgemäßen Gestaltung der staatlichen Aufsicht über die Volksschulen der königlichen Regierung zur Berücksichtigung und spricht die Erwartung aus, daß es der Regierung gelingen werde, diese Reform gebotenenfalls durch unverweilte Einleitung der Verfafsungs- revision zur Durchführung zu bringen." Der Kultusminister erklärte im Laufe der Sitzung, daß die Staatsregierung von ihrem Standpunkte aus gegen die Annahme der Resolution nichts zu erinnern habe. Die Regierung habe alles für die Novelle getan und weise die Verantwortung für etwaige Folgen, die das Scheitern der Vorlage herbeiführen könne, weit von sich. Sie wisse sich mit der Mehrheit des Hauses darin eins, daß im Interesse einer notwendigen Entwicklung der Volksschulen aus die Regelung der in der gescheiterten Novelle behandelten Fragen nicht verzichtet werden könne. Sie werde daher auf sie zur rechten Leit zurückkommen nnd sich überlegen, ob nicht auch den dringendsten Bedürfnissen auf dem Gebiete des Volksschulwesens iin Verwaltungswege obgeholfen werden kann.
_ Das Präsidium des Württ. Kriegerbundes hat in diesen Tagen seinen
27. Geschäfts- und Rechenschaftsbericht ausgegeben. Darnach ist auch im vergangenen Jahr wieder ein bedeutender Fortschritt in der inneren Entwicklung des Bundes zu verzeichnen. Neu ausgenommen wurden 24 Einzelmitglieder und 54 Vereine mit 2177 Mitgliedern, so daß sich die Gesamtstärke des Bundes am Schlüsse des Jahres 1903 beläuft auf: 9 Ehrenmitglieder, 350 Einzelmitglieder und 1657 Bundesvereine mit 86961 Mitgliedern. Das Bundesvermögen hat im Berichtsjahr um etwas über 7000 Mk. zugenommen und beträgt im ganzen fast 440 000 Mk. Diese nicht unerhebliche Vermögenszunahme verdankt der Bund neben den regelmäßigen reiche» Beiträgen des Königs, der Königin und der übrigen Mitglieder des königl. Hauses sowie neben den Beiträgen der Bundesmitglieder zahlreichen Zuwendungen, von denen hier nur die Gaben sämtlicher Amtskorporationen des Landes mit 2500 Mk. und die durch Kirchenopfer aufgebrachten Spenden von vielen evangelischen und katholischen Landgemeinden erwähnt sein mögen. Für Unterstützungen an 1875 Kameraden und 654 Witwen und Waisen von solchen wurde im ganzen der hohe Betrag von 47555 Mk. aufgewendet. Am Schluß des Geschäftsberichts ist ferner das württ. freiwillige Sanitätskorps erwähnt, das in 19 Kolonnen 1034 Mann vereinigt.
— Die Hinterbliebenen des Ende Februar verstorbenen Kommerzienrats Karl Kommerell in Höfen haben der Gemeinde Höfen zum ehrenden Andenken an den Verstorbenen 10000 Mk. zur Errichtung einer Heizanlage in der neuen Kirche, 5 000 Mk. zur Verschönerung des neu zu erbauenden Schulhauses, 3 000 Mk. für die Armen- und Krankenpflege und 2000 Mk. für den Schulfond der Gemeinde überwiesen.
Neuenbürg, 16. Juni. Anläßlich eines Beleidigungsprozesfes des hiesigen Stadtbaumeisters wurde in den letzten Tagen durch Gericht, Staatsanwalt und Sachverständige unter Beiziehung von mehr als 20 Erdarbeitern der Kanal des städtischen Elektrizitätswerkes einer Untersuchung unterworfen und bedeutende Nachlässigkeiten aufgedeckt. Die Stadt bleibt hiedurch vor großem Verluste bewahrt. Das ganze Werk war für zwei Tage abgestellt.
— Für die Anfang Juli in Tei- nach stattfindende Hauptversammlung des Württ. Schwarzwaldvereins ist folgendes Programm au'- gestellt worden: Sonntag den 3. Juli Empfang der Gäste am Bahnhof, Spaziergang oderFahrt nach Teinach; Früh
schoppen im Badhotel auf dem Lindenplatz event. im Saal; halb 1 Uhr Hauptversammlung im Saal des Badhotels in Teinach (u. a. handelt es sich um die Wahl des Ortes für die nächstjährige Hauptversammlung, Neuwahl des Hauptvorsitzenden). 2 Uhr gemeinschaftliches Mittagessen im Badhotel. Nach dem Essen Aufstieg zum Zavelstein; Picknick in der Ruine. Von abends 9 Uhr ab gesellige Vereinigung auf dem Kurplatz. Beleuchtung der Ruine Zavelstein. Montag den 4. Juli: Bahnausflug nach Na- gold-Altensteig-Berneck. Anmeldungen für das gemeinschaftliche Mittagessen am Tage der Hauptversammlung (Gedeck ohne Wein Mk. 3.—) und Wünsche bezüglich Nachtquartier müssen bis spätestens 30. Juni erfolgen.
Tübingen, 18. Juni. Der von hier flüchtige Bankier Ernst Jäger soll sich einem hier eingelaufenen Telegramm aus Dresden zufolge heute früh im dortigen großen Garten in selbstmörderischer Absicht eine tiefe Schnittwunde am Halse beilgebracht haben. Er wurde in das dortige Krankenhaus geschafft. (Nach einer anderen Nachricht hat Jäger bei der Festnahme einen Selbstmordversuch gemacht.)
Tübingen, 14. Juni. Bei der Verhandlung gegen Gcmernderat Karl Rueff in Spielberg wegen Fälschung des Ergebnisses der Gemeinderatswahl am 19. Dez. wurde der Angeklagte auf Antrag des Staatsanwalts freigesprochen.
Tübingen, 16. Juni. (Strafkammer). Las Schöffengericht Neuenbürg verurteilte den Bäckermeister Friedrich UUmann in Birkenfeld wegen Hausfriedensbruch und Beleidigung zu 14 Tagen Gefängnis, weil er einer Frau Glauner die Hand an Hals und Nacken gelegt habe mit den Worten: „Was Sie für eine schöne Frau sind!" Auf die Berufung des Angeklagten wurde er freigesprochen. — Wegen Einbruchsdiebstahl wurde der verheiratete Säger Ernst Wilh. Pfeifer von Schwann zu 3 Monat Gefängnis und Kostentragung verurteilt. Derselbe hat seinem Zugeständnis zufolge zur Nachtzeit dem Sägerlehrling Hartmann in Neuenbürg aus dem verschlossenen Stall einen Hasen gestohlen, um denselben zur Zucht zu verwenden.
Göppingen, 11. Juni. Daß die Kauflust in Grundstücken gegenwärtig hier sehr minimal ist, zeigte sich bei der gestrigen letzten Versteigerung der zum Konkurs des Werkmeisters und Fabrikanten Schönhut gehörigen Gebäude und Grundstücke. Es fand sich weder für die Jalonsiefabrik Schönhuts noch für dessen aufs vornehmste eingerichtete Villa an der östlichen Ringstraße ein Käufer,