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Nro. 71.

Ineitag, den 17. Juni 1904.

40. IaHngang

Rundschau.

Stuttgart, 14. Juni. (Schöffenge­richt.) Angeklagt eines Verbrechens gegen das Nahrungsmittelgesetz war der Wirt Gottfried Bennecke von hier, weil er lt. Feststellung des Weinkontrolleurs Schäfer und des Ob. Medizinalkollegiums, ver­dorbenen essigstichigen Most in Ausschank brachte. Er wurde zu einer Geldstrafe von 30 Mk. und sämtliche Kosten ver­urteilt. Auch die Einziehung des bean­standeten noch Vorgefundenen Quantums von 874 Liter wurde verfügt.

Die Sägersfrau Wilhelmine Haug von Calmbach war am Samstag, den 30. April d. I., den ganzen Tag über bei ihrer Tante, der Wirtsehefrau Harter in Kleinenzhof, mit Gartenarbeiten be­schäftigt. Um sechs Uhr abends trat sie den Heimweg an und führte aus einem zweirädrigen Karren Leseholz mit. Halb­wegs zwischen Kleinenzhof und Calmbach ging in einiger Entfernung ein Mann vor ihr her, den sie für einen Kurgast hielt, in Wirklichkeit war es aber der herumstrolchende Flaschnergeselle Max Jenfsen aus Bittburg in Luxemburg, der aus Württemberg ausgewiesen ist. Plötz­lich machte der Kerl einen gewaltsamen Ueberfall auf die Frau. Diese wehrte sich aber erfolgreich, so daß der Bursche seinen Zweck nicht erreichte und schließ­lich flüchten mußte. Der Strolch kam vor die Tübinger Strafkammer. Obgleich offenbar der Versuch eines schweren Ver­brechens vorlag, wurde Jenssen, ein un­verbesserlicher Säufer, nur wegen tätlicher Beleidigung verurteilt und kam mit drei Monaten und einer Woche Gefängnis weg.

Reutlingen, 13. Juni. Am Sams­tag und Sonntag war in Stuttgart der Kreisturnausschuß versammelt, um über die Durchführung der turnerischen Arbeit bei dem Reutlinger Feste zu beraten. Die Zahl der Turner, die an den Heb­ungen teilnehmen, wird eine ungeahnt hohe werden, wodurch man auf einen sehr starken Festbesuch schließen darf. Bis jetzt haben schon 130 Vereine Ver­einsriegen angemeldet mit über 2000, Teilnehmern. Die höchste Zahl der Rie­gen war bisher 96 (in Cannstatt.) Da alle diese Vereinswettturner an den all­gemeinen Stabübungen teilnehmen müssen, so werden sich diese zu einer Vorführung gestalten, wie sie in Württemberg noch nie gesehen wurde. Beim letzten Fest in Schwenningen beteiligten sich bei den Stabübungeu 1400, beim vorletzten Fest in Cannstatt 1700 Turner. Du auch die Zahl der Einzelwettturner eine sehr große sein wird, so dürfte das Reutlinger

Fest in turnerischer Beziehung alle seine ! Vorgänger weit übertreffen.

Hechingen, 16. Juni. Gestern abend kurz nach 10 Uhr brach in dem alten Ge­bäude der Wannerschen Trikotfabrik in der Altstadt Feuer aus. Das alte Ge­bäude, in dem sich auch der Nähsaal be­fand, ist vollständig abgebrannt, und nur dem Umstand, daß sich zwischen dem al­ten und dem neuen Fabrikgebäude eine starke Feuermauer befand, ist es zu ver­danken, daß nicht die ganze Fabrik ein Raub der Flammen geworden ist.

Aus der Zeit der Kriege Napo­leons I. gibt es noch zahlreiche Massen­gräber in Baden. Daß in Pforzheim im Oststadtpark eine Anzahl Russen liegt, ist hier bekannt, und daß in Riedern bei Bonndorf für einige hundert Oesterreicher jüngst ein Denkmal errichtet wurde, ist erst kürzlich gemeldet worden. Außerdem sinket sich in Freiburg bei dem Dr. Hüetlin'schen Laboratorium ein Holzkreuz, nach dessen Inschrift dort viel« Tausende von Söhnen des deutschen Vaterlan­des der Kriegsjahre 1813 und 1814 beerdigt wurden. Bei St. Peter (Amt Freiburg- kündet hinter dem alten Kloster­gebäude links am Wege nach St. Märgen ein steinern Kreuz die Grabstätte von 843 österreichischen Soldaten. Aus Het- tersheim (Amt Staufen) wird berichtet, daß östlich des Malteserschlosses, dicht neben der sog. Schießmaner,viele Hun­derte von Oesterreicher und Russen" ruhen. Im Schloßgarten in Schmieheim (Amt Ettenheim) stieß man vor einiger Zeit bei Grabungen auf zahlreiche Skelette, die nach mündlicher Ueberlieferung von im Schloß einquartierten Russen stammen. Zum Schluß sei noch eines Massengrabes über der Landgrenze Erwähnung getan. Im Gebiet der schwäbischen Alb bei Obermarchtal ist ein Soldatenkirchhof, wo Krieger aus dem Heer der Verbün­deten den ewigen Schlaf schlummern. Für die Unterhaltung dieser Grabstätten stifteten seinerzeit Kaiser Ferdinand von Oesterreich 100 Gulden und Zar Ale­xander I. eine gleiche Anzahl Rubel.

Ansbach, 10. Juni. Bei einer in Elpersdorf vorgenommenen Beerdigung stürzte der Tvdengräber infolge Trunken­heit auf den eben in das Grab gesenkten Sarg hinab und fiel sich das Schulter­blatt aus. Nachdem man den Trunke­nen nicht ohne Mühe aus dem Grabe herausgeholt hatte, wurde er in das Krankenhaus verbracht.

Berlin, 14. Juni. Der Spezial- Berichterstatter des Lokalanzeiger erfährt von zuverlässig unterrichteter Seite, daß die Japaner damit rechnen, 10 000 Mann

, bei der Eroberung von Port Arthur opfern zu müssen.

Berlin, 9. Juni. Der amerikanische Prophet" John Alexander Dowie aus Chicago, der sichElias II" undGene- calaufseher der allgemeinen christlichen Kirche" nennt, ist in Berlin eingetroffen. Ein aus acht Begleitern und fünf Die­nern bestehendes Gefolge ist mit ihm ge­kommen. ImHotel Bristol" hat er dieselben Räume bezogen, die kürzlich der Milliardär Vanderbilt inne hatte und die pro Tag 160 Mk. kosten. In Berlin besteht seit vier Monaten eine Vereinig­ung seiner Anhänger, die ihn gestern abend jn einer Versammlung begrüßten. Der Saal war bis auf den letzten Platz besetzt. DerProphet" kam mit seinem Gefolge in zwei Landauern mit galon- niertem Diener auf dem Bock angefahren. Nachdem er mit seinen Begleitern, unter denen sich drei elegant gekleidete Damen befanden, auf der Bühne Platz genommen und die VersammlungEine feste Burg" gesungen hatte, hieltderProphct"eine An­sprache in englischer Sprache, die einer seiner Begleiter verdolmetschte. Er erzählte von der von ihm gegründeten Kirche, die von 450 Mitgliedern im Jahre 1896 auf mehr als 10000 in diesem Jahre ange­wachsen ser, und der von ihm ins Leben gerufenen Stadt Zion bei Chicago, die sich übrigens, was er verschwieg, zurzeit in den Händen eines Konkursverwalters befindet. Jn einer zweiten Ansprache führte er u. a. aus.-Die Krankheit komme durch den Satan in die Welt, durch Alkohol, Tabak, Schweinefleisch und Austern. Der Genuß von Schweinefleisch erzeuge Skrofeln, Krebs, Trichinosis, Cholera, Tuberkulose und den Tod. DaS Schwein sei giftiger als die Klapper­schlange. Jn Amerika sei es der beste Vertilger der Schlange, werde dick und fett, in Chicago werden Tausende und Tausende geschlachtet, und die Schinken wanderten nach Deutschland. Wer von den Anwesenden jetzt noch Schweinefleisch esse, dem sei Gott gnädig! Die Juden seien darum vom Krebs verschont, weil sie das unreine Schwein verdammten. Der Krebs sei eine furchtbare Krankheit, der die Aerzte nichts anhaben können; er aber sei in San Franzisko zur selben Zeit, wie Kaiser Friedrich erkrankt sei, zu einer 70jährigen Frau gerufen wor­den, die an Kehlkopfkrebs gelitten. Er habe ihr die Hände aufgelegt und über ihr gebetet, und am 12. Januar 1904 habe dieselbe Frau ihn in San Franzis, ko begrüßt. Das habe Gott getan, dessen Instrument er sei."

Wie man aus sicherer Quelle vernimmt, sollen die diesjährigen Manö