Amtsblatt Anzeiger
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Urs. SS.
IveiLag, öen 3. Juni 1904
40. IaHvgcrng
Rundschau.
— Gestorben: 1. Juni zu Stuttgart Oberpostmeister a. D. Rob. Stcidle, Eh- renvorstand des Stuttgarter Liederkranzes, Ehrenmitglied zahlreicher deutscher Mannergesangvereine, Ausschußmitglied des Schwab, und des Deutschen Sängerbundes, Ritter des Ordens der württ. Krone, Ritter 1. Kl. des Friedrichsordens, Preuß. Roten Adlerordens und Kronenordens 3. Kl., 70 Jahre alt.
Stuttgart, 30. Mai. Von der Zentralstelle für Gewerbe und Handel sind im Jahre 1903 insgesamt 26 Handwerkerkurse mit 288 Teilnehmern abgehalten worden. An 6 Beiz- und Fäcbkucsen für Schreiner nahmen 79 Handwerker teil, an den 4 Maschinenkursen 35 Schreiner u. s. w.
Stuttgart, 31. Mai. Stadtdekan Oberkonsistorialrat 0r. Braun von hier ist gestern in Jerusalem gestorben. Er hatte sich mit seiner Gemahlin nach Jerusalem begeben, um daselbst eine von ihm selbst gestiftete evangelische Kirche einzuweihen. Diese Einweihung hat am vorgestrigen Sonntag stattgefunden. Ueber die TodeHyrsache ist bis jetzt nichts näheres bekannt. 0r. Braun war wegen seiner hervorragenden Tätigkeit im Gu- stav-Adolf-Verein in ganz Deutschland und noch weit darüber hinaus bekannt und hoch geehrt.
— In den letzten Tagen hat Geh. Hofrat Dr. v. Jost, der Vorstand des Kanalkomitees, mit Baurat Gugenhan die für die Linienführung des Neckar-Donau- kanalS in Aussicht genommenen Ueber- gangsktrecken über die Wasserscheiden zwischen Brenz und Kocher und zwischen Aal und Rems bereist. Es hat sich dabei herausgestellt, daß es im Gegensatz zu vielen andern Kanälen nicht die Scheitelstrecken sind, welche technisch die größten Schwierigkeiten machen. Die schwierigste Strecke liegt vielmehr zwischen Essingen und Gmünd, im oberen Teil des Remstals, das wenig Wasser und starkes Gefall hat und in dem mehrere Ortschaften der Durchführung des neuen Wasserweges hindernd entgegenstehen. Für die Strecke Essingen-Gmünd ist deshalb in Aussicht genommen, das obere Remstal in südlich gerichteter Ausbiegung zu umgehen, von dem Remswasserspiegel unterhalb Essingen aus, in einer Horizontale von 60 Kilometer Länge nördlich an Lautern, Heubach, Bargau und Oberbettringen vorbeizufahren und vom letztgenannten Orte mit einer 110 Meter hohen schiefen Ebene in die Rems oberhalb Gmünd zu gelangen.
— Ueber die neue Expreßgut-Abfer-
tignng, welche mit dem 1. Juni in Kraft tritt, wird mitgeteilt: Alle Expreßgüter werden vom 1. Juni ab nur noch mit einer Eisenbahn-Paketadresse (Begleitschein) abgefertigt, welche der Versender selbst zu stellen und auszufüllen hat. Diese Paketadressen (Begleitscheine) sind bei jeder Expreßgüter-AbfertigungSstelle käuflich zu haben und kosten 2 Stück 1 Pfennig. Die Verrechnung der Expreßgüter geschieht mittelst Eisenbahnmarkeu, welche von den Versendern käuflich erworben werden können und bei jeder Gepäck- und Güterstelle zu haben sind. Es kann daher jetzt jeder Versender sein Expreßstück zu Hause frankieren, wenn er weiß, was das Stück kostet. Bei dem neuen Verfahren wird dem Versender kein Gegenschein mehr gegeben, sondern derselbe hat seine volle Adresse ans die Paketadresse zu schreiben. Hiebei empfiehlt es sich, daß die Adressen, um Verschleppungen und Fehlspeditionen zu verhüten, genau und deutlich geschrieben werden. Alle Adressen, die nicht deutlich und dauerhaft sind, müssen zurückgewiesen werden. Bei Gegenständen, wo die Adresse nicht haltbar aufgeklebt werden kann, ist ein haltbarer Anhängzettel gut zu befestigen, auf welchen die Adresse zu schreiben ist. Für die Expreßsendungen sind auf jeder Gepäckstelle auch Stückadressen zum Auskleben käuflich.
— Es ist erstaunlich, welchen Umfang der Versandt von Ansichtskarten mitunter annimmt. So wurden im Jahre 1903 während der Sommermonate vom Brocken aus 261000, von der Bastei 250000, von der Wartburg 175 000, vom Niederwalddenkmal 154000 Ansichtskarten abgesandt und so herunter bis auf 44 000 vom Heidelberger Schloß.
Calw. Am 17. Mai hat der 16 Jahre alte Handelsschüler Adolf Wurzer aus Bregenz einem Mitschüler seinen geladenen Revolver vorgezeigt und sich dabei in die Hand geschossen. Die Verletzung verschlimmerte sich derart, daß er in das Krankenhaus übergeführt werden mußte, wo er am 26. Mai verschieden ist.
Tübingen, 30. Mai. Im Konkurs gegen den Bankier Jäger sind die Forderungsanmeldungen nun abgeschlossen. Angemeldet sind ca. 120000 Mk. Die Masse ist gering, wenn nicht im Prozeß, weg eine Hypothek mit 10000 Mk eingebracht wird. Ueber den Entwichenen ist ist nichts mehr bekannt geworden; längere Zeit hielt sich die Meinung, Jäger sei bei Gutmann in Griechenland.
Ulm, 28. Mai. Der Göppinger Metzgerstreik hat nun endlich seinen Ab- schluß gefunden. Bekanntlich wurde Metz
ger Frieß in Göppingen von der dortr» gen Metzgereigenossenschast aus der Genossenschaft ausgeschlossen, weil er als Lieferant des Konsumvereins diesem besondere Vorteile durch zu hohen Pachtschilling für das dem Konsumverein gehörige Metzgereianwesen einräumte. Frieß behauptet, dies sei unrichtig und er sei zu Unrecht aus der Genossenschaft ausgeschlossen worden. In Konseauens dieser seiner Erklärungen verweigerte er auch die Entrichtung der für seine Person bei Benützung des Schlachthauses angesetzten doppelten Gebühr. Nach dem Statut der Genossenschaft mußten nämlich Nichtmitglieder die doppelte Gebühr entrichten. Tie Folge dieser Weigerung war die Einklagung des Frieß auf Zahlung der höheren Gebühr. Das Gericht kam zu der Erkenntnis, daß Frieß zu Recht ausgeschlossen worden sei und des- halb als Nichtmitglied auch die doppelten Gebühren bezahlen müsse.
Gerabronn, 1. Juni. Den ersten Gewinn bei der Ulmer Münsterbaulotterie im Betrag von 75000 Mark hat Friseur Weyreither hier gewonnen.
Vom Bodensee, 28. Mai. Vom Simplontunnel kommt die Nachricht, daß > die Arbeiten auf der Nordseite eingestellt wurden. Es wurde nämlich im Haupi- stollen eine weitere mächtige und heiße Quelle ungefähren; dieselbe verursacht eine eminente Hitze und trotz größter künstlicher Abkühlung ist das Verbleiben der Arbeiter im Stollen unmöglich. Die letzten 850 m wurden nun durch die Süd- seite erschlossen. Der Durchschlag wird sich durch die neuesten Ereignisse bis November verziehen.
Schön Wald, 31. Mai. Das Kur- Hotel Schönwald ging durch Kauf um den Preis von 340,000 Mk. von Herrn Geißmar an Herrn Hotelier Hans Spei- tel von Birnbaum bei Nürnberg über. Die Uebernahmc findet am 1. April 1905 statt. Bis zu diesem Tage führt der bisherige Pächter den Betrieb fort.
Konstanz, 31. Mai. Infolge gewaltiger Regengüsse ist der Wasserstand des Bodensees in den letzten zwei Tagen um nahezu 20 ein gestiegen. Der Pegel zeigt heute 4,56 w, das sind 1,08 m mehr, als das aus 30jährigen Beobachtungen sich ergebende Monatsmittel für den Monat Mai ausweist.
Vom Rhein, 26. Mai. Eine Psingst- floßfahrt auf dem Rhein veranstaltete die Heilbrunner Langholzhandlung G. A. Pfleiderer. Aus weit über 3000 Stämmen war das gewaltige Floß gezimmert, das mit Küche und Kammern, Hütten und Herden versehen war und vom Maine aus langsam gleitend zu Tal fuhr. Die