Amtsblatt Anzeiger

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irlro. S1.

Ireitag, den 29. Aprit 1904

40. IaHvgang

Rundschau.

Stuttgart, 26. April. Der 1. ge­nossenschaftliche Unterrichtskurs für Hand­werker hat gestern vormittag seinen An­fang genommen. Der Vorstand der Zentralstelle für Gewerbe und Handel, Ministerialdirektor v. Mosthaf, eröffnete ihn mit einer einfachen Ansprache an die Teilnehmer. Gegen 25 Handwerker, Vor­stands- und Aufsichtsrattzmitglieder von bereits bestehenden Handwerkergenossen­schaften nehmen an dem Kurs teil. Der Unterricht wird erteilt von Rechtsanwalt Oßwald 1. Ulm, von dem Beamten des Revisionsverbands für Handwerkergenos­senschaften Schumacher und von den Her» ren Dr. Schaible und Dr. Zwiesele in Stuttgart.

Ueber die Feier der Verleihung des englischen Hosenbandordens an den König wird demN. T." u. ».berichtet: Der Prinz von Wales, der gestern abend 6sts Uhr im königlichen Galawagen vom Wilhelmspalast nach der Residenz fuhr, heftete dem König im Thronsaal des Schlosses eigenhändig das Knicband an und überreichte ihm Band, Stern und Ordenskette. Der Feierlichkeit wohnten die Königin, die hier anwesenden Mit- glieder des K. Hauses, die großbritanni­schen Abgesandten rc. an. Nach dem Festakte fand in der Spiegelgallerie große Galatafel statt. Der Hosenbandorden (Plis oräsr vl tlis 6g,rtsr) ist die höchste Auszeichnung, die der englische König zu vergeben hat. Der Orden hat nur eine Klasse und zählt 26 Ritter mit Einschluß des Königs und Ausschluß der Prinzen des königlichen Hauses und der auswär­tigen Ritters außerdem wird er an 26 sog. .arme Ritter" (meist ältere Hofbe­amte) verliehen, die mit dem Orden eine Pension von 300 Pfund Sterling (6000 Mark) erhalten. Jede Investitur be- gleitet eine pompöse und eindrucksvolle Feierlichkeit und es ist nur selbstverständ- lich, daß zur Verleihung des Hosenband­ordens an unfern König der Prinz von Wales mit einer eigenen Gesandtschaft hier erschien. Das ist bei der Uebergabe dieser Dekoration an auswärtige Herr­scher allemal der Fall. Fest steht, daß der Orden von König Eduard III um das Jahr 1350 gestiftet worden ist. Das Motto des Hosenbandordens ist bekannt, lich der SatzLomix soi, gni mal z? xeuss!" (Schmach dem, der Böses dabei denkt!") Das Wort steht auf einem dunkelblau-sammetenen, goldgeränderten Bande, das unter dem linken Knie durch eine goldene Schnalle zusammengehalten wird. Eine Schärpe von derselben Farbe, die von der linken Schulter nach der rechten Hüfte läuft, endigt in einem gol­

denen, brillantenverzierten Schild, der den heiligen Georg darstellt, der seit den Normannenzeiten als der Schutzheilige Englands gilt, in goldener Rüstung hoch zu Roß, den besiegten Drachen zu Füßen. Ein achtstrahliger Silberstern, der auf der linken Brust getragen wird, vervoll­ständigt die Insignien des Ordens, dessen Kapitel alljährlich am 23. April, dem St. Georgstag, im Schlosse zu Windsor ab­gehalten wird. Ueber die Entstehung des Ordens gibt es verschiedene Sagen. Die zwei bekanntesten sind: Als Eduard III am 26. August 1346 seinen Nebenbuhler um die französische Krone, Philipp VI. von Frankreich bei Crecy vollständig ge­schlagen hatte, heftete er statt des zerschossenen Fahnentuchs sein Knie­band an den Fahnenstock mit den Wor­tenIloiinx 8oi, gni mal ^xsn86!" und begründete dann den Orden zum bleiben­den Gedächtnis an den großen Sieg. Weniger poetisch klingt die Sage, der englische König habe auf einem Ball das von seiner Maitresse Gräfin v. Salis­bury verlorene Strumpfband aufgehob n und sich selbst mit obigen Worten um das linke Knie gebunden. Auf den Spott der Höflinge habe er dann mit der Stift­ung des Ordens geantwortet.

Stuttgart, 24. April. Die Ein­nahmen der württembergischen Staats- bahnen im abgelaufenen Etatsjahr be­tragen 61 735 000 Mark. Das ist gegen das Vorjahr mehr 3 159 209 Mark. Im letzten Etat waren vom Finanzministerium eingestellt 58 700 000 Mk., welche jedoch von der Kammer um 950 000 Mk. erhöht wurden. Wie verlautet, beträgt der Ueber- schuß rund 18 000 000 Mk., das ist gegen­über dem Voranschlag ein Mehrüberschuß von 1 700 000 Mk.

Freudenstadt, 27. April. Heute früh 7 Uhr kehrten der Prinz of Wales und Herzog Albrecht und Excellenz Freih. v. Plato in 2 Wagen von der Auerhahn­jagt vom Kniebis zurück. Das Jagd­glück war den hohen Herren trotz der herrlichen Witterung nicht günstig. Prinz os Wales fehlte einen Hahn- und Herzog Albrecht kam zu spät angesprungen. Das Frühstück wurde im Schwarzwaldhotel eingenommen. In bester Laune fuhren die fürstlichen Jäger im Salonwagen mit dem 8 Uhr-Frühzug nach Stuttgart zu­rück. Beim Weggehen vom gastlichen Heim drückte. Prinz of Wales dem Be­sitzer, Ernst Lutz, die Hand und sprach zugleich seine besondere Zufriedenheit für den gebotenen Imbiß aus.

Der erste Gewinn der Stuttgarter Geld- und Pferdelotterie mit 40000 Mk. fiel in die Kollekte des Kaufmanns Ad.

Wolf in Sindelfingen. Die glückli­chen Gewinner find drei Schwäger.

Degerloch, 26. April. Der hiesige Schultheiß Braun wurde heute abend im Degerlocher Walde erschossen aufge- funden. Der Selbstmord hängt zweifels­ohne mit der Flucht des Gemeindepfle- gers Frech, dessen man noch nicht habhaft werden konnte, zusammen.

Tübingen, 25. April. Die Spuren des wegen Depotunterschlagung und be­trügerischen Bankerotts steckbrieflich ver­folgten Bankiers Jäger weifen auf Köln- Antwerpen hin. Er scheint sich nach Amerika geflüchtet zu haben.

Heilbronn, 25. April. Das Ober­landesgericht hat lt.Frkf. Ztg." die Haftentlassung des Fabrikanten Kaiser, des Teilhabers der Nahrungsmittelfabrik von Otto und Kaiser, gegen eine Sicher­heitsleistung von Mk. 25000 verfügt. Bekanntlich hatte die hiesige Strafkammer bei der Urteilsfällung gegen die beiden Fabrikanten, die wegen Betrugs zu je 8 Monaten Gefängnis verurteilt wurden, die Aufhebung des Haftbefehls gegen Kaiser abgelehnt. Dagegen hatte Kaiser Beschwerde erhoben. Otto befand sich auf freiem Fuß.

Erlangen, 25. April. Eine sonder­bare Art, sich aus der Welt zu schaffen, ersann ein hieiiges Dienstmädchen. In der Verzweiflung darüber, daß es beim Abstäuben zwei Figuren zerbrochen hatte, schüttete es Pulver auf einen Stuhl, zündete es an und setzte sich in demselben Augenblick darauf. Der gewünschte Er­folg blieb aus; dagegen erlitt die Kehr­seite der Aufgeregten empfindliche Brand- wunden.

Würzburg, 23. April. Gegen Be- leidigung abgebrüht ist offenbar der Abg. Memminger, Herausgeber derNeuen bayerischen Landeszeitung." Auf den in der Presse erhobenen Vorwurf des Zent­rumsabgeordneten Köhl, er habe sich ein­malmit 30 Mark abschmieren lassen," erhob Memminger keine Klage und be­gründete dieseDickfelligkeit" in seinem Blatt folgendermaßen:Wenn Köhl meint, ich hätte als Redakteur und Abgeordne­ter auf den mir von seinem Strohmann gemachten Vorwurf Klage stellen sollen, so erwidere ich ihm. daß ich mich nicht mit einem Vogel balge, der auf meinem weißen Strohhut ein Exkrement absetzt. Mich kann ein Konkurrent wie der Ab­geordnete Köhl nicht beleidigen. Auch bin ich zu alt geworden, um mich noch ein­mal in solche Prozesse zu verwickeln, wie ich sie früher durchgefochten. Was ist da- bei herausgekommeu? Der Redakteur Büchner erhielt 3 Wochen Gefängnis und ich mußte alle Kosten zahlen, weil er