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Uro. 12.
Mittwoch, Herr 27. Januar 1904
40. Jahrgang
Wrer; keburtttag.
Die Menschen pflegen die Güter, die sie dauernd besitzen, erst dann recht zu schätzen, wenn die Gefahr droht, daß sie ihnen genommen werden, oder wenn sie dieselben verloren haben. Diese Gedanken konnten einem durch den Sinn ziehen, als die Nachricht unerwartet das deutsche Land und die Welt durcheilte, daß der Deutsche Kaiser sich einer Operation der Stimmbänder unterzogen habe.
Wie oft wird sonst Liebe und Treue zu dem Lenker des deutschen Reichswagens verdrängt von bitterer und übelwollender Kritik! Wie weit geht nicht selten der Undank gegen Gott, der durch diesen Monarchen dem engeren und weiteren Vaterlande so manchen Segen schon zugewandt hat!
In diesem Augenblick der Gefahr aber war die große Mehrheit unseres Volkes völlig eins in der Besorgnis um das teure Leben und in dem Wunsche, daß es durch Gottes Güte möge erhalten bleiben.
Gott sei Dank, der ärztliche Eingriff ist gut abgelaufen. Wir haben nach menschlicher Berechnung die Aussicht, unfern Kaiser noch lange Jahre an der Spitze des Reiches zu sehen. Möge das neue Lebensjahr ihm den Beweis bringen, daß das Deutsche Volk auch im gewöhnlichen Laufe der Dinge treu zu seinem Kaiser steht und die Sache des Reiches, für die der Monarch Tag und Nacht sich treu bemüht, auch seinerseits mit allen Kräften fördert.
Rundschau.
Gestorben: 24. Jan. zu Stuttgart Kommerzienrat Geo Ehni, 1893/98 Mit- glied des Reichstags für den 5. württ. W.Kr. (Eßlingen), 75 I. a.
Stuttgart, 20. Jan. Der verstorbene kgl. öffentliche Notar Faujel hatte sein Leben bei 3 verschiedenen Gesellschaften versichert. Eine Gesellschaft weigert sich nunmehr, die Versicherungssumme von 100000 Mk. auszuzahlen, weil die Police noch nicht 3 Jahre in Kraft war, und vor Ablauf dieser Frist der Selbstmord des Versicherten die Auszahlung der Versicherungssumme unter allen Umständen ausschließt. Die beiden anderen Versicherungspolicen wurden zu Gunsten der Kinder Fausels abgeschlossen, kommen also für die Gläubiger des Verstorbenen nicht in Betracht. Es melden sich immer mehr Gläubiger bezw. Inhaber der Bürgschaftsurkunden Fanseis und wenn auch diese Bürgschaften durch Grundstücke und Häuser formell fundiert find, so würde
eine zwangsweise Versteigerung dieser Wertobjekte, auch wenn diese nicht plötzlich erfolgen sollte, bei weitem nicht den Gegenwert für die Fausel'schen Bürgschaften bringen, sodaß leider der Ausbruch eines Konkurses über die Nachlaßsache Fausels mehr als wahrscheinlich geworden ist.
— Bei der am 9. d. M. gehaltenen Vorstandssitzung des Württ. Spar» kasenverbands wurde auch über das Scherl'sche Prämiensparsystem verhandelt. Gegen dasselbe sprachen sämtliche Vorstandsmitglieder, worunter auch die Vertreter der Württ. Sparkasse und der städt. Sparkasse Stuttgart. Man war allgemein der Ansicht, daß die Einschiebung eines Privatinstituts zwischen Sparkasse und Sparer das bisherige, beide Teile befriedigende Verhältnis lockern und stören und eine Lotterie die moralische Grundlage der Sparkassen schwächen würde. Das gleichfalls von Scherl vor- geschlagene Abholverfahren ist für Württemberg nichts Neues. Schon in den 60er Jahren ließen die damals neu entstandenen Gewerbebanken und ähnliche Institute Ersparnisse gegen Abgabe von Marken abholen. So viel bekannt geworden ist, sind diese Einrichtungen bald wieder eingegangen, da dem Sparer der durch das Abholen entstehende Zwang lästig fiel. Unter den öffentlichen Sparkassen, welche das Abholen von Spar- einlagen eingesührt haben, ist Straßburg zu nennen. Auch hier ist ein Erfolg ausgeblieben, obwohl die Abholung unentgeltlich geschah.
— Das 27. Liederfest des Schwäbischen Sängerbundes wird am 10. und 11. Juli 1904 in Ravensburg abgehalten. Das Fest beginnt am Sonntag den 10. Juli vormittags mit Begrüßung der Gäste in der Festhalle und Uebergabe der Bundesfahne. Das Wettsingen schließt sich sofort an. Nachmittags ist Haupt- probe für die Teilnehmer am Kunstge- sang, Montag den 11. Juli morgens Hauptprobe für die allgemeinen Gesänge, vormittags Hauptaufführung, nachmittags Festzug auf den Festplatz und Preisver- teilung. Die Anmeldungen zur Teilnahme sind bis spätestens 30. April und zwar ohne Ausnahme von allen Vereinen, die sich am Feste beteiligen (also auch den wettsingenden), beim Festausschuß in Ravensburg mit genauer Angabe der Sänger, zahl und ihrer Wünsche in Betreff der Nachtquartiere und Mittagessen einzureichen. Diejenigen Bundesvereine, die sich am Wettgeiaug beteiligen wollen, haben sich spätestens bis zum 15. Februar bei dem Bundesausschuß zu melden. Vereine, deren Anmeldung am 15. Febr. nicht bei dem Bundespräsidenten Geh.
Kommerzienrat Oskar Merkel in Eßlingen eingelausen sind, können am Wettfingen nicht teilnehmen.
Herrenalb, 21. Jan. Dem Bei- spie! anderer Gemeinden folgend, haben die bürgerlichen Kollegien heute einstimmig beschlossen, für die hiesige Stadt eine allgemeine, den dermaligen Zeitverhältnissen entsprechende Beleuchtung durch Erstellung eines Elektrizitätswerkes ein- zufnhren. Die Vorbereitungen sind bereits im Gange.
Dennach, 27. Jan. Die hies. Gemeindejagd wurde bei der gestrigen Verpachtung von Hrn. Fabrikant Schmidt in Neuenbürg um 550 Mk. gepachtet Der bisherige Erlös betrug 280 Mk.
Altensteig, 23. Jan. Ein neuer industrieller Fortschritt ist von hier zu verzeichnen. Sägewerkbefitzer Phil. Maier Sohn errichtete eine Fabrik zur Herstell, ung geeigneter Feueranzünder. Holzstäb- chen mit 12 Cim. Länge und 2—3 Cen- timeter Dicke werden mehrmals in erhitztes Harz, das mit sonstigen leicht brennbaren flüssigen Stoffen gemischt ist, getaucht und mit Hobelspänen des öfteren umwickelt. Die so hergestellten Feueranzünder brennen sehr lang und entzünden nicht blos Holz, ohne daß man Reisig oder Kleinholz ver- wendet, sondern auch Koks und Steinkohlen rasch und sicher. Versuche zur Anfeuerung größerer mit Kohlen zu heizender Oefen und Lokomobilen, die Hr. Maier anstellen ließ, sind zu großer Zufriedenheit ausgefallen. Jetzt schon finden solche Feueraiczünder in größeren Städten in Privathäusern und in staatlichen Einrichtungen allgemein Verwendung.
Freudenstadt, 25. Jan. Zu der geplanten Erbauuüg einer Heilstätte für Lungenkranke in Büchenberg meldet der „Grenzer", daß vom „Verein für Volksheilstätten in Württemberg" wohl ein Gesuch an die Forstdirektion um Ueber- lassung eines Areals auf dem Büchenberg zur Erbauung einer Volksheilstätte für Lungenkranke ergangen ist. daß aber irgend welche Entscheidung noch keineswegs getroffen ist. Gegenvorstellungen sind bereits im Gange. Die hies. bürgerl. Kollegien haben sich in ihrer letzten Sitz- ung mit dem Projekte befaßt und im wohlverstandenen Interesse der hies. Luftkurstadt beschlossen, energisch gegen einen Plan, der die ganze Zukunft Freuden- stadts in Frage stellen könnte, Stellung zu nehmen. Der hies. Stadtvorstand hat sich daher auch schon mit eingehend begrün- beten dementsprechenden Gesuchen an die maßgebenden Kreise in Stuttgart gewandt.
Heilbronn, 23. Jan. Von Konstanz wird hieher mitgeteilt, daß sich der Gesundheitszustand des Oberbürgermei-