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man sie ein oder 2 Stufen niedriger ein­schätzt. Deshalb können unter Umständen nicht blos Steuerpflichtige mit noch nicht 650 Mk. sl. Stufe), sondern auch solche mit weniger als 800 Mk. (II. Stufe) steuerfrei werden. Uebrigens steht das Recht der Steuererklärung (Fassion") jedem zu; Pflicht dagegen ist es für die­jenigen, die mindestens 2600 Mk. Ein­kommen beziehen. Soviel aus dem für die Zukunft wichtigsten Steuergesetze. Die übrigen Steuergesetze sind im wesent­lichen. bis auf einige Punkte, unverän- ändert geblieben. Letztere führen wir hier an: 1) An den Grundkatastern (ausge­nommen dasjenige der. Forsten) sind, weil der Ertrag aus Grund und Boden in den letzten Jahrzehnten gesunken ist, Abstriche vorzunehmen, nämlich am Weiukergkata- ster 40°/», an den übrigen landwirtschaft­lichen Katastern 20°/». 2) Das Gebäude­kataster wird von Zeit zu Zeit einer all­gemeinen Revision unterzogen. 3) Von dem Gewcrbesteuerkapital sind 60, 50, 40, 30°/o frei, je nachdem das Kapital nicht mehr als 1000, 5000. 10 000, 30 000 Mk. beträgt. Von den größeren Kapita­lien werden nur 20°/o abgezogen. Diese Abstriche sind nicht anders als billig, da der Gewerbetreibende auch Einkorn- mensteuer zu zahlen hat. Unter den Gewerbesteuern spielen wie bisher die Grund-, Gebäude- u. Gewerbesteuern die erste Rolle; von dieser Dreiheit hängen alle anderen Gemeindesteuern (Kapital-, Einkommen-, Wohn-, Grundstückumsatz-, Verbrauchs-, Hundesteuern) ab. Die Wohnsteuer ist allgemein auf 2 Mark für den Kopf festgesetzt; Verbrauchsab­gaben auf Fleisch stnd nur noch bis 1909 gestattet. Neu sind die Bauplatzsteuer (hauptsächlich für Gemeinden mit mehr ms 10060 Einwohnern) u. die obligator­ische Warenhaussteuer. Erstere wird als Zuschlagsteuer zu Grundsteuer berechnet, letztere nach dem Jahresumsatz und zwar in Gemeinden bis zu 10 000 Einwohnern von 80000 Mark an, in solchen bis zu 50 000 Einwohnern von 150000 Mark an, in Stuttgart von 200 000 Mark an. Geschäfte, welche am gleichen Ort Filia­len haben, werden mit diesen zusammen als Ganzes behandelt. Die Steuer besteht in einem Zuschlag zur Gewerbesteuer (mindestens 20, höchstens 50o/<>); die ge­naueren Bestimmungen sind in einer be­sonderen Steuerordnnug fistzulegen. Nach den neuen oder abg.änderten Steu­ergesetzen Hütte nun z. B, ein Gewerbe- treibender, der zugleich Grund- und Hausbesitzer und (wenn auch nur ein kleiner) Kapitalist ist, von 1905 an auf minde­stens 5 Jahre zu zahlen: Grund-, Ge­bäude-, Gewerbe-, und Kapitalsteuer an den Staat, und zwar zweimal: als Ein­kommen- und als Ertragssteuer, ferner, dieselben Steuern (wenn auch nicht in der gleichen Höhe) wahrscheinlich auch an die Gemeinde, und an diese außerdem Wohn- und vielleicht noch etliche andere (z. B. Bauplatz-) Steuern. Auf die letzte Frage: ob die neuen Gesetze weni­ger oder mehr fordern, ist zu antworten, daß eher das zweite als das erste zu­treffe (wenigstens für die Steuerzahler, die nicht zu den allergeringsten gehören). Das erhelle schon aus den beiden Haupt­grundsätzen der modernen Steuergesetz­gebung die da lauten: 1. Gerechtigkeit, 2. möglichste Ausnutzung der Steuerkraft!

Pforzheim, 19. Jan. Das bekannte Restaurant zurKlostermühle" ging in

öffentlicher Versteigerung einschließlich In­ventar und zuzüglich der anstoßenden Mühle nebst maschineller Einrichtung um den Preis von 235 000 Mk. in den Be­sitz von Bankdirektor Aug. Kayser hier über.

Konstanz, 15. Jan. Seit letzten Sonntag wird das 20jährige Fräulein Meta von Brand, Tochter des pensio­nierten preußischen Rittmeister v. Brand in Kreuzlingen vermißt. Das junge Mädchen soll ein Bild, auf dem ein Mäd­chen mit einem Revolver in einen Weiher versinkend bezeichnet war, hinterlassen haben. Man befürchtet deshalb einen Selbstmord. Für Auffindung der Dame find 300 Mk. Belohnung ausgesetzt. Eine andere Mitteilung besagt: Seit Sonntag nachmittag wird die 20jährige Tochter Meta des Herrn Privatiers v. Brand in Kreuzlingen vermißt; alle Versuche, die Verschwundene wieder aufzufinden, blie­ben erlolglos. Am Dienstag suchte man die Gaisberger Eisweiher mit einer Gon­del ab, da das Mädchen sich nach dieser Richtung hin entfernte; man glaubte, dasselbe sei vielleicht beim Schlittschuh­laufen ertrunken; auch die anliegenden Wälder wurden abgestreift, aber vergebens.

Vom Bodensee, 19. Jan. Die seit einigen Tagen vermißte 20 Jahre alte Tochter Meta des Privatiers v. Brand in Kreuzlingen wurde von einem Förster am Lengwiler Weiher oberhalb Kreuzlingen erschossen aufgefunden. Ob Selbstmord vorliegt, wird die Untersuch­ung ergeben.

Zwickau, 16. Jan. Die .Genossin" Rosa Luxemburg ist von der Strafkam­mer des Landgerichts Zwickau wegen Beleidigung des deutschen Kaisers, be­gangen in einer Kritik der Breslauer Rede des Monarchen, zu 3 Monaten Gefängnis verurteilt worden.

Pirna, 18. Jan. Die Kunde von drei Zweikämpfen unter dem hiesigen Offi­zierskorps erregt größtes Aufsehen. Es handelt sich um Duell-Fordungen, die der Oberleutnant Krohe vom 64. sächsischen Artillerie-Regiment, das in Pirna steht, anKameraden" seines Regiments wegen des Verkehrs mit seiner Frau gerichtet hat. Die Frau des Oberleutnants Krohe ist verschwunden. Der schwer beleidigte Offizier ist zum Glück aus den Zwei­kämpfen unverletzt hervorgegangen. Die Bevölkerung Pirnas bringt ihm die größte Teilnahme entgegen, und der sächsische Kriegsminister v. Hausen hat dem über- aus tüchtigen und soliden Offizier eben­falls seine herzlichste Teilnahme ausge­sprochen mit dem Bemerken, daß der König auch für die Folge auf seine Dienste nicht verzichten will. Gegen seine Gattin hat Oberleutnant Krohe auf Ehescheidung geklagt.

Kiel, 21. Jan. Das nach Süd­westafrika abgehende Expeditionskorps ist um 12^4 Uhr früh von hier abgereist. Als die Mannschaften um 12fls Uhr aus dem Bahnhofe eintrafen, wurden sie von der Menschenmenge mit begeisterten Hoch­rufen empfangen und mit Blumenspenden beschenkt. Prinz Heinrich richtete an die Truppen eine kurze Abschiedsansprache. Als der Zug sich in Bewegung setzte, spielte die Musikkapelle, das Publikum, welches die Absperrung durchbrach, brachte Hochrufe aus.

Wien, 20. Jan. Ferdinand Ritter v. Mannlicher, der Erfinder des Mann­lichergewehrs, ist heute nacht gestorben

(Ingenieur Mannlicher, am 30. Januar 1848 in Mainz geboren, war bis 1888 Oberingenicur der Kaiser Ferdinands- Nordbahn, konstruierte seit >878 ver­schiedene Repetiergewehre, auch solche mit automatischem Verschluß; auch eine automatische Reiterpistole als Ersatz des Revolvers.

Ueber die Ueberschwemmung von Bloemfontein berichtet das Reutersche Bureau: Bloemfontein, die frühere Haupt­stadt des Oranjefceistaats, die heute nicht mehr als 7000 weiße Einwohner zählt, ist durch ein furchtbares Unglück heimge­sucht worden. Aus den bis jetzt vor­liegenden Nachrichten geht hervor, daß ein großer Wasserbehälter barst, der den NamenThe Fountain" trägt und dessen Wasser durch einen großen Damm zurück­gehalten wird, um Verwendung zu finden, falls die Hauptwassergnelle bei dem durch den Krieg bekannten Saunas Post ver­sagen sollte. 30 Personen sollen dabei ihr Leben eingebüßt haben und 180 Häuser zerstört worden sein. Gewaltige Regen, die im Verlauf des Sonntags niedergingen, ließen einen kleinen Neben­fluß des Modderriver anschwellen und dies führte zum Dammbruch. Das Wasser riß einen starken Steindamm von 20 Fuß, Höhe ein und stürzte sich dann auf die Stadt, die in den niederen Tei­len so schnell überschwemmt war, daß viele Leute ereilt wurden ehe sie überhaupt eine Ahnung von der Gefahr hatten. Es spielten sich herzzerreißende Scenen ab. Frauen mit Kindern in den Armen wurden weggeschwemmt und ganze Fami­lien ertranken trotz der heroischen Rett­ungsversuche. Das Wasser verlief sich fast ebenso schnell, wie es gekommen war, und die Stadt bot ein trauriges Bild. Ganze Häuserreihen, Geschäftshäuser und 3 Hotels waren weggeschwemmt. Die Straßen waren übersät mit Waren aller Art. Hunderte von Familien sind ob­dachlos und haben ihr ganzes Eigentum verloren. Außerhalb der Stadl wurde ein Lager eingerichtet und auch die Stadthalle ist von Obdachlosen besetzt.

Stcrndesbuch-GHronik

der Stadt Wildbad vom 8- bis 21. Jan. 1904. Geburten/:

8. Jan. Maier, Richard, Schlachthansaufseher hier. 1 Tochter.

8. Jan. Kappelmann, Louis Friedrich jr- Metz­

germeister hier, 1 Tochter.

1l. Jan. Mössinger, Ernst Friedrich, Holzhauer in Sprollenhaus 1 Tochter.

14. Jan. Müller, Martin Friedrich, Holzhauer in Ziegelhütte 1 Sohn.

11. Jan. Eitel, Friedrich, Fuhrmann hier, 1 Tochter.

21. Jan. Großmann, Christian Friedrich, Sta­tionstaglöhner, 1 Sohn. Aufgebote:

9. Jan. Bechtle, Friedrich, Holzhauer hier, und

Macker, Marie hier.

9. Jan. Lillich, Christian August, Maurer in Schwann, und Wacker, Luise in Schwann.

16. Jan. Lückert, Ernst, Weingärtner iu Win­nenden, und Krauß, Luise hier. Gestorbene:

10. Jan. Kiefer, Ernst, Gastgeber hier, 37 Jahre alt,

13. Jan. Rothfuß, Rosa Mina, Tochter des Schlossers, Wilhelm Robert Rothfuß hier, 7 Monate alt.