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brannt werden. Diese Ehrung gefiel jedoch dem Brautpaare nicht, und es be­schloß, den Burschen ein Schnippchen zu schlagen. Der Bräutigam begab sich in seiner Schürze, mit Säge und Hobel auf das Bürgermeisteramt, die Braut kam einige Minuten später mit dem Wasser» eimer an den Brunnen vor dem Bür­germeisteramt, dort ließ sie den Eimer stehen und begab sich aufs Bureau zum Bräutigam, wo die Trauung stattfand. Einige Tage später fand die kirchliche Trauung auf ähnliche Weise morgens um 6 Uhr statt. Man muß sich nur zu helfen wissen.

Eine Bielefelder Fabrik hat vor einiger Zeit ein Preisausschreiben erlassen für die beste Verdeutschung des bekannten englischen Wortes8S.K68«. Von 15247 Personen sind Auflösungen eingesandt worden, und zwar als Ver­deutschung dasWort,, Knusperchen" von 102. Die Preiskommission hat sich nun auch hiefür entschieden. Die 102 Personen, die dies Wort eingesandt haben, werden sich in den Preis von 1000 Mk. teilen müssen, ein jeder also 9 Mk. 80 Pfg. erhalten.

Ein interessantes Denkmal befindet sich auf dem Friedhose zu Mainz. Bei dem Straßenkampf am 21. Mai 1848 sind in Mainz auch 5 preußische Soldaten durch die Kugeln der Bürger gefallen. Als sich später die hochgehenden Wogen etwas beruhigt hatten, wurde diesen Ge­fallenen ein Denkmal errichtet, das fol­gende Inschrift trug:Zum Andenken an die am 21. 5. 1848 in Mainz gemor­deten Kameraden svon ihren Waffenge­fährten." Kaum war dies Denkmal ent­hüllt, als in einer Nacht das Wortge­mordeten" aus dem Stein herausge­meißelt wurde. Die Militärbehörde ließ die Inschrift erneuern, aber in der fol­genden Nacht hatte der Meißel abermals das Wort beseitigt und an dessen Stelle war in den Stein das Wortgetöteten" eingefügt wurde. Es wurde nunmehr eine Militärwache ans den Friedhof ge­stellt; als Liese aber eingestellt wurde, begann das Spiel von neuem, bis die Militärbehördevon einer besseren Ein­sicht geleitet" das Wortgetöteten" in dem Stein belassen hat. Noch heute kann man die Einfügung dieses Wortes aus dem Grabdenkmal sehen. Der Täter ist von der Behörde nie ermittelt worden, obwohl in Mainz jedermann wußte, wer der Täter gewesen war.

Cassel, 7. Juli. (ProzeßsSchmidt.) Bei Beginn der heutigen Verhandlung wurden von dem Vorsitzenden die den Geschworenen vorzulegenden Schuldfragen aufgestellt, entsprechend den Anträgen der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung. Danach werden zwei Hauptschuldfragen vorgelegt, die eine aus betrügerischen Bankerott, die andere auf Betrug gegen­über 25 namentlich aufgeführten^ Persön­lichkeiten. Zn jeder der Fragen wurde eine Nebenfrage nach mildernden Um­ständen gestellt. Es folgen die Plaido- yers. Der Vertreter der Anklage, Staats- anwaltschaftsrat Mantell, plaidiert für schuldig in vollem Umfang der Anklage; er gibt einen historischen Ueberblick über die Entwicklung des ganzen Treberunter­nehmens und sucht nachzuweisen, daß der Angeklagte bereits i. I. 1900, als er die bekannte Hypotek für seine Tochter bestellte, wissen mutzte, daß bei der Tre- bergesellschaft eine Unterbilanz von

Millionen bestand. Der Staatsanwalt schloß seine fünfstündige Rede mit der Aufforderung, sämtliche Schuldfragen zu bejahen. Das Schwurgericht bejahte hierauf die Schuldfragen wegen betrü­gerischen Bankerotts und Betrugs unter Ausschluß mildernder Umstände. Der Staatsanwalt beantragte 4U- Jahre Zuchthaus und 5 Jahre Ehrverlust, sowie 3000 Mk. Geldstrafe. Das Gericht er» kannte auf 2 Jahre 8 Monate Zuchthaus, wovon 8 Monate Untersuchungshaft ab­gehen, und 3000 Mk. Geldbuße. Die Ehrenrechte wurden Schmidt belassen.

Köln. 10. Juli. Ein Privattele­gramm des römischen Mitarbeiters der Köln. Volksztg." meldet aus Rom von heute morgen: Wie mir die Aerzte ver­sichern, können alle Mittel, wie Einsprizung von Salzlösung und Aelhcr und Zu­führung von Sauerstoff das Leben des Papstes nur um Stunden verlängern Seinem Neffen Camillo Pecci gegenüber äußerte der Papst, die Anstrengungen des Jubiläumsjahres hätten seine Kraft erschöpft.

Berlin, 9. Juli. Bor der 9. Strafkammer des Landgerichts I fand der Prozeß gegen den ehemal. Tresor­verwalter der Darmstädter Bank, Neßler, wegen Unterschlagung von über 800 000 Mark, Fälschung von D.'potbüchern und Aufnahmescheineu statt. Der Angeklagte der sich schuldig bekannte, wurde zu 5 Jahren Gefängnis und 5 Jahren Ehr­verlust verurteilt. Der Staatsanwalt hatte 5 Jahre Zuchthaus beantragt.

In Berlin wird nächster Tage die Einstellung der neuen Droschken, der sog. Hansoms, erfolgen. Die Berliner Han- sows haben mit den Londoner Wagen gleichen Namens nur das gemein, daß sie zweirädrig sind und daß der Kutscher­sitz sich hinten befindet, im übrigen sind sie bedeutend praktischer und eleganter eingerichtet, als die Londoner. Die Räder sind niedriger, das Wagendach kann zurückgeschlagen und bei schlechtem Wetter vorn geslchossen werden und außer dem Rücksitz haben sie auch noch einen Vordersitz. Alle diese Einrichtungen fehlen bei den Londoner Wagen. Ferner haben die Berliner Hansoms den Vorteil, daß das Wageninnere sehr geräumig ist.

Als Festort für das nächste im Jahr 1902 stattfindende deutsche Bundcsschießen wurde in einer heute mittag abgehaltenen Sitzung des Gesamtausschuffes München gewählt. Einladungen waren außer von München noch von Frankfurt und Düffel- dorf ergangen.

Vom deutschen Volksschulwe- sen heißt es in dem Statistischen Jahr­buch für das Deutsche Reich: Es gab im Jahre 1902 in Deutschland rund 58000 Volksschulen mit 123000 Lehrern und über 22 000 Lehrerinnen. Die An- zahl der Schüler betrug 8,8 Millionen. Die Aufwendungen bezifferten sich auf 412 Millionen Mk., davon 120 Will. Mark aus Staatsmitteln. Die Aufwen­dungen für jedes Schulkind bezifferten sich im Durchschnitt auf 47 Mark.

Eine Zentral-Polizeistelle zur B e- kämpfung des internationalen Mädchenhandels ist als ein neues Dezernat bei der Berliner Kriminal­polizei errichtet worden. Solche Stellen werden auf Anregung Frankreichs, wo die Konferenzen stattfanden, über die ganze zivilisierte Welt verbreitet werden. Die Verhandlungen über die Einrichtung

fanden auf diplomatischem Wege durch das Auswärtige Amt statt.

St. Blasien, 10. Juli. Staats­minister von Tirpitz ist zu einem mehr­wöchigen Erholungsaufenthalt in unserer Sommerfrische eingetroffen und im Hotel und Kurhaus abgestiegen.

Rom, 9. Juli. Prof. Mazzoni er­klärte gegenüber einem Vertreter der Agenzia Stefani, die Gefahr drohe stetig, aber die Krankheit sei unberechenbar. Es sei möglich, daß der Papst noch 3 Tage lebe.

Die neuen serbischenBrief- marken sind in Sammlerkreisen mit Spannung erwartet worden. Ihr Aus­sehen rechtfertigt keineswegs den ihnen vorausgegangenen Ruf. daß sie die schönsten sein sollten, die Serbien bisher veraus­gabt hat. Es ist vielmehr eine Aushilfs- ausgade, die vermutlich nur kurze Zeit im Gebrauch sein und daher eine wilde Sammeljngd entfesseln wird. Die neuen Wertzeichen geben noch das Bildnis des ermordeteu Königs Alexander, das jedoch mit einem Stempel, der das serbische Wappen vorstellt, so überdruckt ist, daß der Kopf des Königs völlig verdeckt wird. Der Stempel ist je nach dem Wert der Marke schwarz, blau, violett oder rot. Eine weitere Ausgabe mit dem Bilde des Königs Peter I. ist in wenigen Tagen zu erwarten.

WrrterHcrLtenües.

Auf derKolumbia".

Eine Seegeschichte von H. Rosen thal Bonin.

14) (Nachdruck verboten.)

Jetzt fiel mir erst ein, daß die Vor­räte hinter dem Schiffslogis lagen und ihren einzigen Zugang durch dasselbe hatten, der Kapitän, also in dieser Be­ziehung völlig von uns abhängig und in unserer Macht war. Das, ich muß ge­stehen, freute mich.

Sie sollen Nahrung erhalten, wenn Sie ruhig sind und die Dame nicht be­lästigen," erwiderte ich.

Der Kapitän spie hastig aus und schlug mit der Faust dröhnend auf den Lukendeckel.

Ich kümmerte mich nicht um seinen Zornausbruch, ging in die Vorratskam­mer und reichte dem Mann eine Büchse Fleisch, ein Glas eingemachte Früchte und eine Flasche Wein durch mein Guckloch.

Er nahm die Gegenstände, finster vor sich hinstarrend, und ging in seine Kabine zurück.

Wir litten schon einige Tage Mangel an Wasser. Die Vorräte derKolumbia" waren total verdorben. Ich konnte heute schon keine Milch mehr auflösen, keinen Thee, keinen Kaffee, keine Suppe mehr kochen. Zwar war noch ziemlich viel Bier vorhanden. Dies vertrug jedoch die Re­konvaleszentin nicht. Das Bier war warm, und auch ich sehnte mich nach einem Trunk Wasser. Ein Apparat, Meerwaffer zu destilliren, fand sich nicht auf dem Wrack, und somit gesellten sich zu unfern übrigen Leiden bald die Folterqualen des Durstes. Ich sah zum Himmel auf. Wenn es nur regnen wollte! Meine Vorricht­ung würde genug Wasser fangen und in ein leeres großes Faß im Küchenraum leiten.

Der Himmel erbarmte sich unserer aber nicht, er schien uns überhaupt ver-