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in den Schrank. Dann machte ich der Kranken wieder einen frischen Umschlag, flöste ihr Arznei nebst Kraftbrühe ein und begab mich in meine Kabine.
Ich mußte hierzu an dem Kapitän vorbei. Er lag noch regungslos unter der Decke. Morgen wird es sich zeigen, wie es mit ihm steht, heute mag ich ihn nickt wecken, wenn er überhaupt noch zu wecken ist.
Ich fühlte mich erschöpft, etwa einen neuen Rmgkampf mit ihm zu bestehen. Ich erschrack fast, so laut murmelte ich diese Worte. Unfähig, weiter etwas zu denken, warf ich mich ganz zerschlagen auf mein Lager.
Als ich erwachte, stand die Sonne schon hoch am Himmel, meine Kabine war lichterfüllt, und die See glänzte im fröhlichsten Vormittagslicht — es mochte wohl gegen neun Uhr Morgens sein. Ich ging in die Küche, die neben meiner Kabine war, und kochte eine tüchtige Portion Thee und aß dazu beinahe eine halbe Blechkapsel englischer Biscuits, von denen ich einige Dutzend Kistchen unversehrt entdeckt hatte. Meine Sorgen und Aengsten waren ausgeschlafen. Ich fühlte mich stark und kräftig, und hoffte den Kapitän, wenn er nicht gar zu wütend war, falls er überhaupt noch lebte, bändigen zu können. Um nach ihm zu sehen, stieg ich auf das Deck.
Decke und Kapitän waren.verschwunden! Ich fühlte doch einige Besorgnis und nicht geringes Bangen, das Kapitänslogis zu betreten. Wenn er bei meinem Eintritt mich niederschoß, eine verborgene Waffe benutzend, oder mir den schweren Zündstein, der auf dem Tische stand, an den Kopf warf? Geheuer war die Sache keineswegs, nnd Vorsicht vor allen Dingen gut.
Ich bewaffnete mich daher mit einer eisernen Stange, die ich gefunden hatte, und kletterte die Treppe zur Kapitänskajüte hinab. Trotzdem ich absichtlich nicht leise auftrat, regte sich in der Kabine nichts. Lautlos schlich ich nun in den Raum.
Dort lag der Kapitän auf dem Sopha mit dem Tuche bedeckt und schlief sichtlich tief und ruhig. Die Augen hatten blaue Schatten, das Gesicht war bleich und abgezehrt, die Haare erschienen mir grauer als vorher, aber der starre, verzerrte Gesichtsausdruck war aus den Zügen verschwunden. Die Nacht in der kalten frischen Luft mußte eine Krisis herbeigeführt haben, denn der Mann sah wohl schwer erschöpft und sehr heruntergekom- men, jedoch absolut nicht mehr so krank und entstellt wie gestern aus.
Ich ging an ihm vorbei in die Kabine der Kranken: diese lag unveränndert — doch etwas war anders, sie hatte die weißen, abgezehrten Arme unter den Kopf geschoben, und zum erstenmale, seitdem ich sie gesehen, starrten mich die Augen nicht mehr an — die Augenlider mit starken Wimpern lagen sanft über denselben.
Ich nahm das Milchgefäh und goß ihr einen Eßlöffel der Flüssigkeit in den sMund, die Kranke hustete dabei und chluckte, die Augen öffnete sie nicht, sie veränderte auch ihre ^Lage nicht. Ich gab ihr Chinin, wusch mit einem nassen Handtuch ihr daS Gesicht, wobei sie tief atmete, sonst aber völlig teilnahmslos
blieb, und begab mich dann, das Milchgefäß in der Hand, in den anderen Raum.
Als ich dort hineinkam, saß der Kapitän aufgerichtet da und sah mich erschreckt, erstaunt und verwundert an. Er öffnete den Mund um zu sprechen, wurde bleich und fiel, von Schwäche sichtlich übermannt, rückwärts wieder auf das Ruhebett zurück. (Forts, folgt.)
Lokertes.
W i l d b a d, 29. Juni. Der gestrige Tag war ein Ehrentag für den hiesigen Liederkranz, der sich auf dem 8. Gausängerfest des Enz-Nagold-Gaus den ersten Preis ersungen hat. Wer die Gesangesleistungen dieses Verbands kennt, der weiß, daß diese auf einer seltenen Höhe stehen, was auch von den Preisrichtern anerkennend hervorgehoben wurde. Um so ehrender ist es für den hiesigen Liederkranz, aus dieser großen und schwe- ren Konkurrenz als Sieger hervorgegangen zu sein. Die Freude über diesen schönen Erfolg war darum auch eine hohe und können wir hinzufügen eine allge- meine, weit über die Kreise des Liederkranzes hinausgehende. Dies kam in dem herzlichen Empfang, der den heimkehren- den Sängern zu teil wurde, in schönster Weise zum Ausdruck. Herr Stadtschult. heiß Bätzner, sow'e der Militärverein „Königin Charlotte" und der Vorstand des Turnvereins Herr Bankdirektor Bätzner hatten sich auf dem Bahnhof eingefunden, um den preisgekrönten Ver- ein zu bewillkommnen. Als der Zug in die Halle einfuhr, ertönten brausende Hochrufe, die Kapelle spielte, und der Militärverein begrüßte den Bruderverein mit dem Lied: „Wenn die Quellen silbern fließen." Auf dem Bahnhofvorplatz ergriff Herr Stadtschultheiß Bätznerdas Wort und gab seiner Freude über den Erfolg des Liedrrkranzes im Wettgesang Ausdruck, indem er ausführte, daß dieser Sieg nicht nur eine Ehre für den Verein, sondern für die ganze Stadt sei. Er ermahnte die Sänger, auch fernerhin oen Gesang, der soviel zur Einigung und zur Größe unseres Vaterlandes beigetragen habe, tüchtig zu pflegen. Herr Reallehrer Kirschmer. der Vorstand des Lieder- kranzes, dankte dem Herrn Stadtvorstand für seine freundlichen Worte und für die dem Verein durch sein Erscheinen bewiesene Ehrung und insbesondere auch dem Militärverein für den schönen und herzlichen Empfang. Er erblicke hierin ein Zeichen für die guten Beziehungen, die zwischen den beiden Vereinen bestehen und werde stets bestrebt sein, dieser gute Einvernehmen zu pflegen und immer herzlicher zu gestalten. Beide Vereine verfolgen — ein jeder in seiner Weise — dasselbe Ziel, nämlich dem Vaterland zu dienen: Der Militärverein durch Pflege echter Kameradschaft, der Liederkranz durch die Pflege des deutschen Lieder, durch das deutscher Geist und deui- scheS Wesen gefördert werden. Hierauf bewegte sich der Zug unter Borantritt der Kapelle durch die König-Karl- straße nach dem Kurplatz, wo der Liederkranz sein Preislied: „Morgen im Walde" von Hegar wiederholte. Bon dort aus begab sich der Liederkranz in sein Lokal, in den Gasthof z. „Sonne". Herr Stadt, schultheiß Bätzner ließ er sich nicht neh
men,mit den Liederkränzlern noch eine Stündchen zusammenzusein, was dieselben sehr freute und ehrte. Der Vorstand des Vereins sprach dem Herrn Stadtvorstand den Dank des Liederkrauzes aus für die Teilnahme an dem Feste und brachte eia Hoch auf ihn aus. Herr Stadtschultheiß Bätzner dankte für die ihm dargebrachte Ovation und versicherte den Verein seiner ferneren Unterstützung. Mit Recht ermunterte er den Liederkranz, vor allem das Volkslied zu pflegen. In launigen Worten gedachte er auch „unserer Weiber" und zuletzt ergriff er das Wort, um den beiden Vorständen des Vereins, Herrn Reallehrer Kirschmerund Herrn Lehrer Lächele, den Dank für ihre Arbeit auszusprechen. — Nachdem noch Herr Bankdirektor Bätzner als Vorstand des Turnvereins dem Bruderverein herzliche Glückwunsch; ausgesprochen hatte, begaben sich die Liederkränzler zu ihrem SangesbruderHrn. Schäffler z. Eisenbahn. Hier nahm Herr Reallehrcr Kirschmer Veranlassung, den Sängern seinen Dank auszusprechen für ihre treue, unverdrossene Unterstützung, für die persönlichen Opfer an Zeit, Kraft und Gemeinsinn, die jeder während der harten und anstrengenden Vorbereitungszeit bringen mußte und auch willig und gern gebracht habe. Sodann feierte er die großen Verdienste des Dirigenten Hrn. Lächele um den Verein, dem es gelungen sei, in kürzester Zeit und unter schwierigen Verhältnissen dank seiner außerordentlichen Tüchtigkeit den Verein auf eine Höhe zu bringen, auf der er nie gestanden sei, und mit demselben einen Preis zu erringen, auf den er mit Recht stolz sein könne. Dankerfüllt stimmten die Sänger in das Hoch, das ihrem tüchtigen, unermüdlichen,sangesfreudigen und sanges» kundigen Dirigenten galt, mit ein.
Herr Großmann gedachte der Tätigkeit des Vorstandes und sprach ihm den Dank des Vereins aus. Nachdem der Vereinsvorstand noch in humorvollen Worten der anwesenden Damen gedacht und auf sie ein Hoch ausgebracht hatte, trennte man sich in dem Bewußtsein, einen arbeitsreichen, aber von Erfolg gekrönte» Tag hinter sich zu haben.
Von 14 dem Enz-Nagold-Gau angehörenden Vereinen hatten sich 9 an dem Preissingen beteiligt mit folgendem Resultat:
u) Höherer Volksgesang.
Preis lu. Liederkranz Wildbad (33 Sänger) „Morgen im Wal- de" von Hegar — 61 Punkte.
Preis Ib. Liederkranz Engelsbrand (41 Sänger) „Die Schwaben braut" von Rich. Hegar — ^ - 60 Punkte, d) Niederer Volksgesang. Preis 1u. Sängerbund Höfen (32 Sänger) „Mein Schatz am Rhein" von R. Arnold —^ 62 Punkte. Preis Id. Sängerbund Arnbach (29 Sänger) „Mägdlein, s'ist Früh, lingszeit" von R. Arnold — , 55 Punkte.
Preis Ib. Frohsinn Schwann (38 Sänger) „Burschenabschied" von Julius Wengert -- s- 52 Punkte.
Preis II. Sängerbund Gräfenhausen (83 Sänger) „Beim Scheiden" von Ch. Burkhardt —> 51 Punkte