Amtsblatt
füv örs Stcröt Witööctä.
Erscheint Montag, Mittwoch und Frettag Bestellprcks in cl. Mustr. Sonntagsblatt Vierteljahrs, l Mk. 10 Pfg.(msnatl. im VerkMnis). Bei allen württ- Postanstalten u. Boten im Orts- u. Nachbarortsverkehr vierreljährl. 1 -« 45 ^: außerh. -desselben 1 ME. 20 ;
hiezu 15 Bestillgeld-
Anzeiger
füv Wiköbaö unö Umgebung.
Die Einrücknngsgebühr
beträgt für die einspaltige Zeile oder deren Raum 8 Pfg., auswärts 10 Pfg., Reklamezeile 20 Pfennig. Anzeigen müssen spätestens den Tag zuvor auf gegeben werden. Bei Wiederholungen entsprechender Rabatt. Stehende Anzeigen nach UebereinkunfI.
Nrv. ST.
Montag, 13. Inni 1903
39. Jahrgang.
Runds cb a u.
St-u-ttgart, 12. Juni. Eine son etwa 300 Baüschlossern besuchte Versammlung beschloß gestern abend einstimmig, am Montag den 15. Juni die Arbeit niedsrzulegen, falls die Meister die an Pe gestellten Forderungen bis Samstag nicht bewilligt haben. Die Gehilfen .fordern Vff-stündige Arbeitszeit, 10 Prozent Lohnerhöhung für ältere Arbeiter, Mini- nnallohn non 3 Mk. 20 Pf. für jüngere Arbeiter, Anschläge von 25 Prozent für Ueberzeitarbeit, 50 Piozent für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit.
Heilbwonn, 11. Juni. Wegen Weinfälschung ist am 22. Januar vom Landgericht Heilbronn der Weinhändler Franz Laver Riede zu 5 Geldstrafen in Höhe von je 100 Mk. verurteilt worden. Er bezog von Bozen Tiroler Traubcn,.preßte sie ans und goß Zuckerwasser darauf. Später füllte er einen Teil um und goß nochmals Wasser darauf. Die auf diese Weise hergLstellten Flüssigkeiten zeigte er als „Haustrunk" an und hielt sie in feinem Keller feil. Was man unter Haustrunk versteht, sagt das Urteil, ist gleichgiltig, da dem Angeklagten kein Ber- gehen gegen das Nahrungsmittelgesetz zur Last gelegt wird. — In seiner Revision behauptete der Angeklagte, es sei nicht sestgestellh daß er Wein habe nachmachen wollen. Er habe aber Haustrunk Herstellen wollen, der, wie bekannt sei, aus allem möglichen gemacht werde. — Das Reichsgericht verwarf Heute die Revision als unbegründet, da die Herstellung von Wein in der hier fraglichen Art verboten sei und das Getränk, um das es sich hier handle, als Wein angesehen werden müsse.
Pforzheim, 11. Juni. Der hier ausgebrocher.e Maurerstreik hat größeren Umsang angenommen, da die „Organisierten" kein Mittel scheuen, die weiterarbeitenden Maurer zur Arbeitsniederlegung zu veranlassen. Wo gütlicher Zuspruch nicht ausreicht, scheut man auch nicht vor deutlichen Drohungen zurück. Als Kuriosum mag mitgeteilt werden, daß die Ehefrau eines Genossen heute beim zuständigen Armenpfleger erschien und Armenunterstütznng beanspruchte, weil ihr Mann streiken müsse. Da die hiesigen Meister zusammenhnlten, dürfte wenig Aussicht für einen Erfolg der Streikenden vorhanden sein, um so weniger, als keine dringenden Arbeiten vorliegen.
Berlin, 12. Juni. Es unterliegt nach zuverlässigen Mitteilungen und nach Berichten ans verschiedenen Quellen schon jetzt keinem Zweifel, daß die Regierungen der Großmächte, nicht nur etwa die deutsche, sondern auch die der näher be
teiligten Staaten, die Ereignisse, die sich in Belgrad abgespielt haben und sich bis zur Einsetzung des neuen Fürsten weiter abspielen werden, als eine innere Angelegenheit Serbiens zu betrachten, oder doch als eine solche zu behandeln entschlossen sind. Unmittelbar über das Land hinausgreifende politische Folgen der Umwälzung werden daher in nächster Zeit nicht erwartet. Ueder spätere Folgen und Gestaltungen kann natürlich niemand jetzt ein zuverlässiges Urteil abgeben.
— Zu den Reichstagswahlen am 16. Juni wird die Dienstzeit der Telegraphenanstalten für den öffentlichen Verähr, der Fernsprechanstalten und der öffentlichen Fernsprechstellen bis 11 Uhr nachts verlängert. Die Telegraphenanstalten, welche bei der Beförderung von amtlichen Wahltelegrammen beteiligt sind, sind nach Erfordernis auch länger dienstbereit. Eine gleiche Verlängerung tritt auch am Tage der etwaigen Stichwahlen ein.
Leipzig, 11. Juni. Der allbekannte Vorsitzende der deutschen Turnerschaft, Or. Ferd. Götz, beging gestern mit seiner Gattin das Fest der goldenen Hochzeit in großer Rüstigkeit, unterzieht sich der Jubilar doch gerade in diesen Wochen den Anstrengungen der Wahlkampagne als Reichsragskandidat. Unter den in sehr großer Anzahl eingetroffenen Glückwünschen befand sichu. a. als Vertreter desAusschusses der deutschen Turnerschart Polizeisekretär Atzrott-Berlin und der Direktor der k. Turnlehrerbildungsanstalt Bier-Dresden. Die Stadt Freiburg a. U., Vater Jahns Geburtsort, übersandte eine kostbare Schale, die Turngemeinde Koburg und der Budweiser Turnverein goldene Ehejubiläumsdiplome und Medaillen, der Münchener Männerturnverein einen Blumenstrauß. Wertvolle Festgaben trafen auch aus Petersburg ein, ein Zeichen, daß der Name Goetz auch in weiter Ferne wohl bekannt und geachtet ist, wo die deutsche Turnerei gepflegt wird. — ^
Luzern, 6. Juni. Unter dem Schlagwort: Ein weiblicher Schütze berichtet das „Luz. Tgbl." : Auf dem Schießplatz des bündnerischen Dorfes Jgis machte sich eine Kellnerin über einen Schützen lustig, der nur Einer und Zweier geschossen hatte. Der Schütze drehte die Sache um und sagte: „So mach' es besser'" Ohne weiteres nahm das Mädchen das geladene Ordonnanzgewehr, kniete rnhig nieder und gab den Schuß kunstgerecht ab: Ein Vierer! Dreimal senkte sich das Fähnlein vor der Schweizer Kellnerin, die so wacker zu schießen verstand. Sie erhielt für ihre Leistung einen Lorbeerkranz.
— lieber den Hergang bei der Ermordung des Königspaares äußern sich jetzt die Mitbeteiligten. Wie das Berliner Tageblatt aus Belgrad meldet, gibt der Oberstleutnant Mischitscb, der wirkliche Führer der Königsmörder, folgende Schilderung: Das Komplott wurde vorbereitet von Nowakowitsch, Maschin, Gentschitsch und Atanackowitsch. Eingeweiht wurden zumeist Subalternofsiziere, keine Generale. Gegen V-2 Uhr nachts kamen die Offiziere aus den Kaffeehäusern zusammen vor den Konak, um Maschins Befehle entgegenzunehmen. Das 7. Infanterieregiment um. zingelte die Polizeibureaus der Jnfan- teriekaserne. Das 4. Kavallerieregiment und die berittene Artillerie umgab die Häuser sämrlicher Minister. Das 6. Infanterieregiment und die Gardeinfanterie umzingelte den Konak. Der Gardekapitän Kostitsch öffnete das Westtor und ließ die Ofsiziere ein. Mischilsch griff das Südtor an und überwältigte die Palastgendarmen (6 Tote, 20 Verwundete), woraus alle Offiziere vor das Eingangstor des alten Konak drangen und die Türen sprengten, wobei Naumowitsch durch die Dynamit, explosion getötet wurde. Die Verschwörer drangen ein und erschossen den Hauptmann Miljkowitsch. General Petrowitsch zerstörte die elektrische Lichtanlage. Die Verschwörer zwangen nach einstündigem Suchen im Finstern Petrowitsch, das Versteck des Königspaars in der Vorratskammer zu zeigen. Mischitsch forderte vom König die Abdankung und die Ausweisung der Königin. Auf Alexanders Weigerung wurde das Königspaar erschossen. Die Leichen wurden in den Parkhof geworfen, wo sie früh 5 Uhr der russische Gesandte fand. Die Tragödie forderte 54 Tote und Verwundete.
Petersburg, 12.Juni. Der„Swjet" schreibt, die Offiziere, die die Königin Draga ermordeten, seien keine christlichen slavischen Krieger, sondern Janitscharen. Die Stufen des serbischen Thrones wür- den für immer blutbefleckt bleiben. Dem i kommenden Machthaber müsse man Vorsicht zurufen, denn wo Blut sei, sei leicht auszugleiten. Das Blatt betrauert in dem König Alexander einen guten Slaven und edlen Mann. — Die „Nowosti" betonen, die Fehler des Ermordeten seien keine so großen gewesen, um ihn und die Königin in so verräterischer Weise umzubringen. Ihr Blut schreit zum Himmel und wird nicht ungerächt bleiben. Derartige Verbrechen hinterlaffen unverwischbare Spuren, denn eine bessere Ordnung der Dinge könne die Bluttat nicht rechtfertigen. Eine Einmischung ver Mächte in die inneren Angelegenheiten Serbiens sei nicht zulässig.