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Urs. S8.
Ar eitag, 5. Juni 1903
39, Jahrgang.
Rund? Gau.
Stuttgart, 30. Mai. (Strafkammer.) Das Urteil gegen den öffentlichen Notar Hermann Mayer von hier lautet wegen Vergehens wider die Sittlichkeit im Sinne des ß 174 Ziffer 1 des Str.--G.-B. auf 6 Monat und 15 Tage Gefängnis, wovon 3 Monate für Untersuchungshaft abgehen. (Die gesetzliche Mindeststrafe ist 6 Monate.) Für die vorläufige Haftentlassung wurde seitens des Gerichts eine Kaution von 50000 Mk. verlangt.
Stuttgart, 28. Mai. Die Zisen- bahnverwallnng hat gutem Vernehmen nach die Zuckerfabrik Stuttgart zur Vergrößerung des Hauptbahnhofes angekauft. Der Kaufpreis beträgt 2 200 000 Mk.
Stuttgart. Während der Direktor der Württ. Versicherungsanstalt mit einigen Beamten die Psingstfeierlaae benützte, um die zur Anstalt gehörigen Genesungs Heime in Wildbad, Lorch u. s. w. zu besichtigen, kamen von München die höheren Beamten der Versicherungsanstalt Bayern, auf einer Rundreise begriffe», am Pfingstmontag hier an und besichtigten eingehend das Anstaltsgebäude in der Rotebühlstraße. Die fremden Besucher waren außerordentlich befriedigt über die einfache, solide und dabei so zweckmäßige Einrichtung des ganzen Gebäudes.
Stuttgart. Unter den Wahlschlagworten, oder richtiger gesagt Wahllügcn, befindet sich auch die Behauptung, daß die Schaffung von 27 neuen Kavallerieregimentern beim kommenden Reichstag beantragt werde. Warum nicht lieber 27 Armeekorps? Das wäre doch noch mehr zum Gruseln als nur 27 Kavallerieregimenter. Wenn aber aus dem Umstand, daß die Reichsregierung eine so ungeheuerliche Meldung nicht dementiert, der Schluß gezogen wird, die Meldung müsse doch wahr sein, so muß ein solches Verfahren scharf zurückgewiesen werden. Aus einer sehr präzisen Aeußerung des Reichskanzlers aus früheren Zeiten ist doch wohl allgemein bekannt, daß die Reichsregierung aus sehr guten Gründen nicht gewillt ist, jeder Zeitungsente ein Dementi entgegen- zusetzen. Fürs erste will sie die Erfinder von solchen Schauermären nicht als gewichtige Leute anerkennen und das würde sie tun, wenn sie eine Antwort überhaupt geben würde. Noch mehr aber steht die Reichsregierung auf dem gewiß richtigen Standpunkt, sich durch Antworten ans naseweise Fragen oder kecke Erfindungen ein förmliches Programm auf eine Reihe von Jahren hinaus nicht herauslocken zu lassen. Es ist deshalb mehr als begreiflich, wenn die Regierung sich einfach in Schweigen hüllt. (Enzth.)
> Alten st e i g. Unser seitheriger Reichstagsabgeordneter, Herr Friedr. Schremps, sprach am Freitag in Obcrschwandorf, Beihiugen. Bösingen, Spielbcrg, Egenhausen und zuletzt in Altensteig vor zahlreich besuchten Bersammluugen zu den Wählern. Im Gasthaus zur Linde entrollte Herr Schremps ein umfassendes Bild seiner Tätigkeit während der letzten Rcichstagsperiode, insbesondere legte er dar, weshalb er gegen den Zolltarif und gegen das Fleischbeschaugesetz gestimmt habe. Der Bauernstaud mit seinem Grundbesitz, seinem Familiensinn und seiner Heimatsliebe sei noch ein Hauptbollwerk gegen die umstürzlerischen Bestrebungen der Sozialdemokratie. Redner verbreitete sich noch eingehend über die Freihandels- Politik im Gegensatz zur Schutzzollpolitik. Herr Landtsgsabgeordneter Schaible griff wiederholt zum Wort, um die Berechtigung und Notwendigkeit der Mittelslands- volitik, für die Herr Schremps so warn» eintrete, mit tief empfundenen Worten darzulegen. Herr Stadtpfarrer Breu- ninger, dem der Vorsitz der Versammlung übertragen war, schloß die Versammlung mit dem Wunsche, die Wähler möchten bei Abgabe ihrer Stimmen am Wahltag ihren Patriotismus und ihre Liebe zu Kaiser und Reich über alle Sonderinteressen stellen zum allgemeinen Wohl des großen deutschen Vaterlandes.
Altensteig. 2. Juni. Der vom hies. Schwarzwald- und Verschönerungsverein erstellte Aussichteturm auf dem Kaps bei Egenhausen mußte wegen Baufälligkeit abgebrochen werden. Derselbe 'wird in Bälde durch einen bedeutend höheren ersetzt werden.
Altensteig, 3. Juni. Zwei mehrere Stunden anhaltende Gewitter brachten gestern vormittag Hagel und wolkenbruchartigen Regen. Elfterer siel in der Größe von Welschnüfsen in Menge nieder und dauerte geraume Zeit an. Doch ist hier der Schaden ziemlich unbedeutend, da kein Sturm ging, während einige benachbarte Orte stärker vom Hagel gelitten haben.
Alten steig, 30. Mai. Anläßlich der Geburt des 7. Knaben bei dem hiesigen Taglöhner Christian Lutz übernahm Se. Maj. die Patenstelle. Den Eltern wurde von Sr. Maj. ein reichliches Geldgeschenk überwiesen.
Tübingen, 1. Juni. Am Pfingstmontag in der Frühe st-3 Uhr brach in dem Gasthof zum Lamm von Bayha auf dem Marktplatz Feuer aus, das im oberen Stock beginnend sich rasch durch die unteren Stockwerke bis zu dem parterre gelegenen Wirtschaftszimmer verbreitete, das Gebäude im Innern erheblich beschädigte und sämtliche Räume un
bewohnbar machte. Zu dem Schaden, de" der Brand verursachte, kommt auch dev durch das Wasser. Auch das anstoßende Haus des Kolonialwarenhändlers Bräun- ing geriet in Brand, ein Teil des Dachstocks wurde zerstört. Die Feuerwehr hatte große Mühe, des Feuers Herr zu werden, da der Feuerherd in einem kleinen, zwischen den beiden Häusern gelegenen Winkel sich befand, dem man nicht beikommen konnte. Nach dreistündiger angestrengter Löscharbeit war die Gefahr beseitigt, die insoseru keine geringe war, als rechts und links vom Bayhaschen Hause sich eine Apotheke befand und der dv^tige ganze Gebäudebezirk eng aneinander gebaut ist. lieber die Entstehung des Feuers ist man noch ganz im Unklaren. Unter den vielen Pfingstgästen, die das Lamm beherbergte, verursachte das Feuer eine große Verwirrung. Viele der Gäste mußten im tief- steu Negligs flüchten. Der Schaden dürfte ziemlich bedeutend sein.
— Die Handwerkskammer Heilbronn versendet an sämtliche gewerblichen Vereinigungen des Kammerbezirks das nachfolgende Rundschreiben: Der Verbandsvorstand der württembergischen Gewerbevereine hat an uns das Ersuchen gestellt, dahin zu wirken, daß sämtliche Handwerker und Gewerbetreibenden die Ausgabe ihrer Rechnungen besser und einheitlicher regeln möchten. Der Vorstand unserer Kammer ist der Ansicht, daß dieser durchaus zeitgeniäßen Anregung nur Folge gegeben werden könne; denn einerseits beschweren sich viele Konsumenten, sie können keine Rechnung bekommen und darum auch nicht bezahlen; andererseits klagen die produzierenden Gewerbetreibenden darüber, daß sie kein Geld erhalten. Diesen Uebelständen kann nur durch eine stramme und gleichmäßige Regelung der Rechnungsausgaben abgeholfen werden. Wenn diese m einer Gemeinde zugleich einheitlich, gleichsam unter dem gegenseitigen Zwang der Interessenten erfolgt, dann fällt für den einzelnen die Gefahr der Anschuldigung einer rigorosen Behandlung seiner Kunden von selbst weg. Daher ersuchen wir Ihre Vereinigung dringend, zu' einer Ihrer nächsten Sitzungen, soweit es Ihnen tunlich und möglich erscheint, alle Handwerker und Gewerbetreibenden Ihrer Gemeinde einzuladen und mit denselben gemeinsame Beschlüsse in dem Sinne herbeizuführen, daß 1' mit jeder abzuliefernden Ware bezw. beim Abschluß jeder geleisteten Arbeit sofort die Rechnungen einzureichen sind. 2. Je auf 1. Januar, 1. April, 1. Juli und 1. Oktober von allen Handwerkern und Gewerbetreiben, den Rechnungen ausgegeben werden.