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Uro. 33.

Mittwoch, 18. März 1903

39. Jahrgang.

Rundschau.

Stuttgart, 14. März. (Strafkam. mer.) Mit ungewöhnlicher Frechheit stieg in der Nacht vom 12. bis 13. Okt. v. I. der oftbestrafte 42jährige ledige Flaschner Ernst Christian Keppler von Renningen O.A. Leonberg, zwischen 12 und 1 Uhr in das Schloßgebäude auf dem benachbarten Jhinger Hof ein, wo er an einem Spalier emporkletterte und ein Fenster einschlug und durch das Speisezimmer in den Salon gelangte. Derselbe erbrach dort mittels eines Stemmeisens den Schreibpult und stahl daraus 227 Mk., 7 Briefmarken, ein leeres Portemonnaie und 2 Kassenschrank­schlüssel. Mit diesen wollte er den Kassenschrank im Schlafzimmer nebenan öffnen; die dort schlafende Freifrau v. Starkloff erwachte jedoch bei seinem Eintreten. Auf ihre Frage, was er wolle, antwortete der Einbrecher:Geld, Excellenz, Geld suche ich!", machte sich aber, als sie zu klingeln begann, eiligst davon. Es gelang ihm, zu entkommen. Mit dem Geld machte er eine Seereise von Cuxhaven nach Genua, kam dann zurück und wurde in Karlsruhe verhaftet. Das Urteil lautete angesichts der Vor­strafen auf 6 Jahre Zuchthaus nebst lOjährigem Ehrverlüste und Zulässigkeit von Polizeiaufsicht.

Stuttgart, 12. März. Der Be­sitzer des Tietz'schen Warenhauses hat mit den Besitzern des Hauses Königsstraße 27 (Ecke der Schulstraße) einen Vertrag über den Ankauf desselben abgeschlossen, in welchem sich beide Teile eine gewisse Neuzeit Vorbehalten haben. Als Preis für das Haus wird die Summe von 1 200 000 Mark genannt. Es handelt sich um einen großen Komplex, in welchem sich jetzt 68 Läden befinden.

Ueber die Durchführung der Bahn­steigsperre wird in dem Gesetzentwurf be­treffend die Beschaffung von Geldmitteln für den Eisenbahnbau rc. u. a. folgendes mitgeteilt: Neben den für alle Bahnen bei Einführung der Bahnsteigsperre gelten­den Gründen kommt für Württemberg noch besonders in Betracht, daß auf den älteren Bahnstrecken die Bahnsteige vieler Stationen, ans denen sich zum Teil ein sehr lebhafter Verkehr abwickelt, eine sehr geringe Breite haben und es daher bei diesen Stationen dringend angezcigt ist, den Zutritt zum Bahnsteig zum Schutz des Publikums gegen die mit dem Bahn­betrieb verbundenen Gefahren durch Ab­sperrung zu regeln und hiednrch den Bahnbeamten die Ausübung ihres Dien­stes und die Aufrechterhaltung der Ordnung zu erleichtern. Die Bahnsteig­sperre wird voraussichtlich dazu beitragen,

die Zahl der Unfälle zu vermindern, die entstehen können infolge unzeitigen Betre­tens der Geleise und Einspringens in die Züge, die noch in der Einfahrt oder schon in der Abfahrt begriffen sind. Es ist beabsichtigt, die Einrichtungen so zu treffen, daß der Zutritt zu den Warträumen frei bleibt. Für die Einrichtungen kommen 368 Stationen von Haupteisenbahnen in Be- tracht. Der Gesamtaufwand für die bau­lichen Einrichtungen berechnet sich ohne Verwaltungskosten auf Mk. 1 575 000. Der Minderaufwand für Zugbegleitungs- personal nach Einführung der Bahnsteig, sperre ist zu jährlich etwa Mk. 75 000, der Mehraufwand für Stationspersonal dagegen zu etwa Mk. 100 000 veranschlagt. Zunächst soll die Bahnsteigsperre auf der Strecke Bretten Stuttgart-Ulm Friedrichs­hafen-Landesgrenze gegen Bayern und Baden durchgeführt werden; hiefür wird eine 1. Rate mit Mk. 400 000 gefordert.

Calw, 15. März. Gestern gingen aus der Stälinschen Liquidationsmasse die letzten Liegenschaften, die Baumwoll- spinnerei Kentheim, der Waldecker Hof mit Wasserkraft und die Villa in der Lederstraße hier samt Nebengebäuden durch Kauf in die Hände einer aus Kommerzienrat Zöppritz hier, Fabrikant Gust. Wagner, Fabrikant Herm. Wagner hier und Bankier Keller in Stuttgart bestehenden Gesellschaft über. Der Gläubigerausschuß hat seine Zustimmung erteilt. Die Fabrik in Kentheim wird in der bisherigen Weise weiterbetrieben werden. Der Kaufpreis für sämtl. oben genannten Liegenschaften beträgt dem Vernehmen nach 190000 Mark. Bei dem guten Stand der Gebäude und der vorzüglichen Wasserkräfte ist der Kauf­preis äußerst billig. Für die Gläubiger kommen nun 48 Prozent heraus; vorge­sehen waren 50 Prozent.

Calw, 16. März. Die Krokusblüte in Zaveistein, welche gegenwärtig in schön­ster Entfaltung steht, hat gestern viele Besucher angelockt. Hunderte von Touristen und Einheimischen wandelten gestern nach Teinach und Zavelstein, um den schönen Naturanblick zu genießen.

Tübingen, (Strafkammer.) In der gestrigen Sitzung wurde der ledige Ziegeleiarbeiter Reinhold Schlegel von Pliezhausen, OA. Tübingen, der der ver­ursachten Erpressung und der falschen Anschuldigung angeklagt war, neben dem Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von zwei Jahren, zu der Ge­fängnisstrafe von 1 Jahr verurteilt, sowie zur Kostentragung. Schlegel, ein übelbe leumuudeter Mensch, versuchte durch Drohung mit Anzeigen bei den Behörden von dem ledigen Wirt Philipp Müller

in Pliezhausen 10 000 Mk. zu erpressen und hat den Müller durch eine Anzeige des Betrugs in Höhe von 165 Mark beschuldigt. Dem Wirt Müller wurde die Berechtigung zur Urteilsveröffentlichung auf Kosten des Verurteilten zugesprochen.

Dorn Han, 12. März. Die hiesigen Bienenzüchter erwarben von der Gemeinde pachtweise eine Halde, die bisher unbe- nützt war, und bepflanzten sie mit Haselnußsträuchern, Pappeln und Weiden. Außerdem streuten sie auf Oeden, Schutt- Haufen und dergleichen Samen von reichlich Honig erzeugenden Pflanzen aus. Die Imker schloffen sich zu einer Orts­gruppe zusammen.

Heilbronn, 16. März. Der bis­herige Reichstagsabgeord. O.B.M. Hegel- maier (Rp.) wurde gestern in einer aus den 4 Oberämtern des 3. Wahlkreises besuchten Vertrauensmännerversammlung des Bundes der Landwnte fast einstimmig wieder als Kandidat aufgestellt. H. hat angenommen.

Pforzheim, 12. März. Der Stadt­rat beschloß, vorbehaltlich der Zustimmung des Bürgerausschuffes, die Erbauung eines Volksschulhauses an der Holzgarten­straße mit einem Aufwand von 270 000 Mark.

Pforzheim, 16. März. Wie un­ehrliche Arbeiter oft handeln, beweist Folgendes: Beim Ausgrabcn eines Bäumchens auf dem Hachel wurde dieser Tage ein Bündelchen Toldketten, teil­weise schon fertig eingehängt, von einem Knaben gefunden. Die Kostbarkeit etwa 2 Pfd. schwer und über 1000 Mk. im Wert (?) wurde bei der Polizei abgeliefert. Ob derunehrlicheMissethäter entdeckt wird?

Pforzheim, 15. März. Heute Nacht kurz vor 12 Uhr wurde Groß- feuer gemeldet. Es brannte in dem 20 Min. von der Stadt entfernten Sägwerk des Rob. Bürkle im Würmthal. Das Feuer, das in den reichlichen Holzvorrä­ten große Nahrung fand, entstand in dem Hobelwerk und dehnte sich rasch auf das Kesselhaus, den Maschinenraum und im Arbeiterhaus aus. Diese Ge­bäude wurden bis auf die Grundmauer eingeäschert. Auch 130 Eisenbahnwaggons amerikanisches Pitschpineholz, welches erst vor einigen Tagen eingetroffen war, ging in Flammen auf. Dasselbe reprä­sentiert einen Werth von 40000 Mk. Das Wohnhaus konnte nur mit großer Mühe durch die Pforzheimer Feuerwehr gerettet werden. Auch der naheliegende Staatswald war einige Zeit lang stark gefährdet. Die Entstehung des Feuers ist nicht bekannt. Bürkle ist versichert Der Schaden wird auf über 200000 Mk. geschätzt.