124

bestehenden llnzuträglichkeiten zu machen. I Vor allem müsse die Regierung erwarten,! daß der Bischof sein Publikandum rück»' gängig macht. Der Bischof hat es uns durch seine Abreise nach Rom unmöglich gemacht, direkt mit ihm zu erörtern. Ich habe deshalb den Gesandten beim päpst­lichen Stuhl angewiesen, die Aufmerksam- keit der Kurie auf die Bedeutung dieses Falles zu lenken. Ich will mich der Hoff nung hingeben, daß die Kurie mit uns dafür sorge, daß dieser bedauerliche Zwie- spalt ohne weitere für die Beziehungen zwischen Staat und Kirche störenden und für die Allgemeinheit schädlichen Folgen bleiben wird. (Bravo.)

Rom, 3. Mäcz, Die offiziöseCa- pitale" dringt einen Leitartikel zur Papst- feier, in dem sie sagt: Der Glanz der Feste, die frohe Teilnahme der Gläubigen und der ungestörte Verlauf der Jubi- läumSfrier beweisen, daß der Verlust der weltlichen Herrschaft das geistliche An­sehen des Papsttums gehoben habe. Die ganze Welt sei nunmehr überzeugt, daß de» König von Italien und der Papst ohne gegenseitigen Schaden friedlich in der gleichen Stadt nebeneinander leben können.

Äus Stadt und Umgebung.

Wildbad, 6. März. Herr Julius Feucht, Werkmeister von hier, wurde laut Beschluß der bürgerl. Kollegien in Schwenningen zum Stadtbaumeistcr daselbst ernannt.

Die diesjährigen Musterungen in Calmbach finden am 20. und 21. März statt. Am SamStag den 21. haben zu erscheinen: Morgens Uhr die Militärpflichtigen von Wildbad ; um 8 Uhr diejenigen von Schömberg, Schwarzenberg und Unterlengenhardt. Am Freitag den 20.: Morgens tz Uhr die Militärpflichtigen von Beinberg, Bieselsberg und Calmbach. Um 8*/, Uhr diejenigen von Enzklösterle, Höfen, Jgelsloch, Langenbrand, Maisen­bach und Oberlengenhardt.

W '.s bringen uns die Zölle?

(Schluß)

Die württembergische Landwirtschaft hat sich ferner auf den Zweig der land­wirtschaftlichen Produktion geworfen, der lohnend ist, die Viehzucht. Württem- berg hat den höchsten Viehstand Deutsch­lands (auf 1 qkm. Bodenfläche 51 Rin­der, im ganzen 1 Million Stück.) Da nun die Bauern Futtermittel brauchen, diese aber mit höheren Zöllen belegt werden sollen, so muß dadurch der Viehstand verringert werden. Die Schwei- nezucht Württembergs dagegen ist noch nicht auf der Höhe, daß der Bedarf mit inländischen Schweinen gedeckt werden könnte. Die Landwirtschaft aber braucht für ihre Produkte einen Markt, ein Absatzgebiet und das ist die Stadt, die industrielle Bevölkerung. Nun aber will der Bauernbund die Industrie in ihren Grundexistenzbedingungen erschüttern, also ihre Kaufkraft mindern und schädigt dadurch die Landwirtschaft. Denn auf diese Weise geht der Fleischkonsum zurück und der Bauer findet für sein Vieh keinen Absatz mehr. Bezüglich der seither bestehenden Holzzölle ist nur daran zu erinnern, daß die württbg. Forstverwaltung in den Jahren 1879 bis 1884 einen Reinertrag von 24 Mk. pro sta, 8591 von 30 Mk. und 9298 dagegen von 38 Mk. hatte, ein Beweis,

daß in der letzten Periode der Reinertrag keine Verminderung erlitten hatte trotz der hohen Caprivischen Holzzölle. So wiederholt der Redner, daß die württbg. Landwirtschaft kein Interesse an Getreide- Zöllen hat, daß durch dieselben vielmehr ihre Absatzgebiete vermindert werden und die ganz» Lebenshaltung des Bauern verteuert wird, daß die Interessen des Landes dadurch nicht gefördert werden, daß die Bauernschaft gegen die Industrie verhetzt wird, sondern daß die Hebung der Lage des Bauernstands nur Hand in Hand gehen kann mit der industriellen Entwicklung. Mit einem Protest gegen die seitherige Vertretung des Bezirks im Reichstag, schloß der Redner, dem die Versammlung reichen Beifall zollte. Hierauf wurde zur Diskussion eingeladen, an der sich Hr. Reallehrer Kirschmerbe­teiligte und folgendes ausführte: Wenn der Herr Vorredner soeben bewiesen Hot, daß hohe Getreidezölle nicht im Interesse des größten Teils des deutschen Volkes liegen, so könnte man sich wundern, daß sich im Reichstag dennoch eine Mehrheit für höhere Getreidezölle gefunden. Dies jedoch ist einzig und allein dem politischen Einfluß derjenigen Gesellschaftsklasse zu­zuschreiben, die den Großgrundbesitz aus­macht, jenen zumeist adeligen Herren, die über mehr als 100 hg, zu gebieten haben, deren es in Deutschland etwa 25 000 gibt. Diese sind wirklich notleidend. Ihr Geschrei über dieNot der Landwirtschaft" ist begründet, wenn sie dabei an sich selbst denken. Sie sind verschuldet bis über die Ohren. Darum soll ihnen der Staat zu Hilfe kommen. Während z. B. in der Pro­vinz Hessen-Nassau mit vorwiegend bäuer­licher Bevölkerung oder im Rheinland das Vermögen zu den Schulden sich verhält wie 100 zu 24 und 27, verhält es sich iu den Großgrundprovinzen Pommern und Posen wie 100 zu 181 und 239! (Nach den Feststellungen der schlesischen Landwirrschaftskammer). Welchen Nutzen nun ein Großgrundbesitzer von einem um 2,5 Mark erhöhten Getreidezoll hat, möge ein Beispiel zeigen. Von 34 Fideikommiß- besitzen entfallen z. B. auf einen im Durchschnitt 20000 stg. Davon sollen 11000 hg landwirtschaftlich genutzte Bo­denfläche sein und mit^/» Brotgetreide bebaut werden, so würden die 2750 trg 12 äü. pro stg gerechnet 33000 Doppel­zentner ergeben. Ziehen wir V« für Saatgut und als Verbrauch für die eigene Wirtschaft ab, so bleiben 24 750 äs. zum Verkauf übrig. Die Erhöhung des Ge­treidezolls um 2,5 Mk. würde also mit einem Schlage die Einnahmen des Fidei- kommißherrn um 2,5 X 24 750 um 61875 Mk. vermehren. Ferner er- giebt ein geschichtlicher Rückblick, daß die Landwirtschaft im vergangenen Jahrhun- dert etliche Jahrzehnte gehabt hat, die geradezu glänzend gewesen sind, Vergleich­bar denfetten Jahren", die bis vor 2 Jahren die deutsche Industrie gehabt hat. Bon 182130 kostete die Tonne Weizen Roggen läuft ziemlich parallel i« den alten preußischen Provinzen 121 Mk.. 183140 138 Mk., 1841 50 167 Mk., 185160 211 Mk.; jetzt kommt eine kleine Senkung, 186170 205 Mk. 187175 233 und dann fängt die Senk­ung an, 18761880 211 Mk. usw. Das beweist, daß auch die Zölle nichts nützen können. Denn was ist aus den hochge­steigerten Einnahmen dieser glänzenden Periode geworden? Sie haben sich in

Güterpreisc verwandelt, während die Be­triebskapitalien sich nicht vermehrt haben.

Neulich hat ein badischer Assessor im Ministerium des Innern eine Schrift veröffentlicht, wonach für Baden von allen Familien

1) krin Interesse an den Ge- treidezöllen haben (weil den Bedarf selbst deckend) 14,6°/o.

2) ein geringes Interesse (da der Verkauf unter 20 Ztr. bleibt) 7,9°/«.

3) ein gegenteiliges Interesse (weil sie keine oder nicht genügend Brot- srucht bauen) 70,7°/,.

4) ein mäßiges Interesse (da der Verkauf 20100 Ztr beträgt) 6,2°/o.

5) ein erhebliches Interesse (da der Verkauf 100 Ztr. übersteigt) 0,6°/o.

Die gleichen Verhältnisse bestehen in Württemberg. ,

Die Haupteinnahmequelle des deut­schen und insbesondere des württem- bergischen Bauernstandes ist die Vieh­zucht (nach Minister Pischek 56°/o, während der Getreidebau - 26°/« ein- trägt). Eine Erhebung in Württemberg zeigt, daß in bäuerlichen Wirtschaften von je 1000 Mark des auS dem Verkauf eingenommenen Gesamterlöses, auf Getreide entfielen bei größeren Bauerngütern . 143 Mk.

mittleren . 70 Mk.

kleineren . 62 Mk.

auf Viehzucht

bei größeren Bauerngütern . 686 Mk.

mittleren . 800,50 Mk.

kleineren . 736 Mk.

Deshalb kommt für die Viehzucht der Zoll für Futtermittel sehr in Betracht.

Fast jeder Viehzüchter muß Futter Hin­zukausen. Jede Art Futter aber wird durch das Zollsystem verteuert. Man mache Düngemittel frei, Futter- mittel frei, das nützt dem kleinen Landwirt!

Endlich noch ein Wort über Hand-, werk und Zölle.

Nirgends in der Welt ist das Hand­werk so jämmerlich und ärmlich bestellt, als da, wo Großgrundbesitz ist. Da ist der Handwerker auf die unterste Stufe der Existenz herabgedrückt, denn der wandernde Landarbeiter ist der denkbar schlechteste Kunde. Die Politik der kon­servativen Großgrundbesitzer ist handwer­kerfeindlich. Am besten in der Welt ist das Handwerk da, wo der beste industrielle Geschäftsgang ist. Gerade da, wo viele Menschen wohnen, wo Zuzug von Leuten ist, wo gute Löhne bezahlt werden, kann der Handwerker seinen Kampf ums Da­sein am ehesten kämpfen. Der Handwerker muß gegen Zollerhöhungen sein aus fol- genden Gründen:

1. Der Handwerker ist Konsument und fühlt alle Verteuerungen der Lebens- mittel am eigenen Leibe. Je zahlreicher seine Familie ist, desto mehr leidet auch er unter der Brotverteuerung.

2. Der Handwerker braucht Maschi­nen: Nähmaschinen, Bohrmaschinen, Ho­belmaschinen, Stanzmaschinen, Schneidma- schinen ete. Alle Maschinen und alles Handwerkcrgerät werden durch Zölle verteuert.

3. Der Handwerker braucht Roh- stoffe: Tuche, Leder, Holz, eiserne Träger eb . welche durch Zölle verteuert werden.

4. Der Handwerker wird durch Zölle in seinem Absatz in keiner Weise g e-

,schützt.

' 5. Der Handwerker muß befürchten,