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bauinspektion die hiesigen Gelände in Einsicht genommen; ob aber au- einem Ankauf etwas wird, erscheint zweifelhaft. Für die Gläubiger eröffnen sich keine günstigen Aussichten. Bei der jetzigen Sachlage, die sich wohl kaum besser ge- stallen dürfte, kann auf 50°/o des Gut­habens unter keinen Umständen gerechnet werden, selbst wenn der Garamiefonds herangezogen wird.

Jrendenstadt, 20. Febr. Letzte Woche ist der Buchführungskurs für Meister und Gesellen, der an ca. 20 Abenden seit Dezember o. I. erteilt wurde, geschlossen worden. Derselbe zählte 50 Teilnehmer, 48 von hier und 2 von einem Nachbarort. Der großen Anzahl wegen wurde der Kurs in dem geräumigen Zeichensaal des Realschulge- däudeS abgehalten. Leiter des Kurses war Hr. Schullehrer Schult, der den Teil, nehmern, die durchweg großes Interesse, viel Fleiß und Verständnis für die Sache an den Tag legten, die Grundzüge der Buchführung und das Wichtigste aus der Wechsellehre in klarer Weise vorführtr. Die Kosten des Kurses werden durch das Honorar der Besucher (ü 2 Ml.), sowie durch Beiträge der Handwerkskam- mer Reutlingen, der Kgl. Zentralstelle für Gewerbe und Handel und des Ge­werbevereins gedeckt.

Fr eu den st a dt, 22. Febr. Das Gasth. z. Linde auf dem Marktplatz ist gestern um den Preis von 89000 Mk. in das Eigen­tum des Oberkellners Herm. Grüninger von Wolterdingen käuflich übergegangen.

Tübingen, 20. Febr. Im Mu­seum des geologischen Instituts ist seit einigen Tagen ein vollständiges Skelett eines Plcsiosaurus aus der englischen Juroformation aufgestellt. Das Skelett, aus lauter von Gestein völlig befreiten Knochen zusammengesetzt, ist über 4 Meter lang. Das Tier ist in schwimmender Stellung montiert. Es ist das erste voll- ständig aufgestellte Exemplar von Plesio­sauriern in Europa (abgesehen von einem jungen Exemplar einer anderen Gattung im British Museum). Der Abguß eines immensen Hinterbeins eines Dinosauriers (Ovntiosaurns, ein landbewohnendes Rie­senreptil) aus dem englischen Jura ist ebenfalls in diesen Tagen zur Aufstellung gelangt. Derselbe mißt von oben bis zu den Zehenspitzen 3,90 Meter, senkrecht gemessen ist er 3,25 Meter hoch.

Freiburg, 20. Febr. Im Konkurse von I. Wirthle zu Todtmoos fand gestern hier eine Gläubigerversammlung statt. Es betragen die Passiva 1,370,797 Mk. und die Aktiva 939 470 Mk. Beim Ver­kaufe der Wirthle'schen Grundstücke aus freier Hand würden nach der Deckung der Hhpothekenschulden für die nicht bevor­rechteten Forderungen etwa nur 2 Prozent übrig bleiben. Aus der Erwägung heraus, auch den Gläubigern mit nicht bevorrech­tigten Forderungen einen größeren Teil ihres Geldes zu retten, ist der Gedanke entstanden, eine Gesellschaft zu gründen und die verschiedenen Etablissements weiter zu betreiben. Die Versammlung beschloß, unter Einwurf der Konkursmasse in die neue Gesellschaft und einer Bareinlage von 200 000 Mk. eine Aktiengesellschaft zu gründen. Nach einigen Bemerkungen aus der Versammlung wurde mit der Zeichnung begonnen, die zu einem glück lichen Ergebnis führte, so daß lautBr. Ztg." die Aktiengesellschaft als konstitu- .ert gelten kann.

HlnierheEendes.

Der Diamant des Levantiners.

Erzählung aus dem Orient von Rosenthal.Bonin.

6) (Nachdruck verboten.)

Ob wohl jene Haremsschöne auch in dem Garten hinter den hohen Mauern gelustwandelt war? Ich stellte mir vor, wie diese hohe, schlanke Gestalt unter den Palmengruppen und zwischen den Wänden farbenglühender Kamelienspaliere wohl ausgesehen haben mochte, einer Märchen­gestalt gleich, eine Fee, die Alles bezau­berte, Vögel, Menschen, Blumen, Thiere, Alles, was in ihre Nähe ksm, in ihren Zauberkreis bannte, die Alles zwang, wenn sie lächelte, ihr zu huldigen. Die Parteinahme für diese zu dem unheim­lichen Hauswesen des Pascha gehörende Frau ärgerte mich, ich war zornig da­rüber, daß dies Bild immer wieder vor meinen Augen stand und unaufhörlich meine Phantasie beschäftigte. Und dann kam mir ein neuer Gedanke. Wie, wenn diese Jndierin den jungen Ephraisi de- zaubert hätte, wie sie auch mich bezaubert hatte? Wenn sie mit dem Verschwinden des jungen Mannes im Zusammenhänge stände! Aber nein! Es war unmöglich, und dennoch dennoch! Ich wurde den quälenden Gedanken nicht mehr los.

Ich sagte mir, daß ich einzig von der Dienerschaft des Paschas über diese Sache etwas erfahren könne und, wie die Dinge in Karro lagen, nur durch große Beloh­nungen. Von den Männern dürfte ich wohl kaum etwas erfahren. Nach den Verhältnissen, die rn den Haushaltungen der Großen hier herrschten, wußten diese nur selten etwas von den intimeren Dingen, die sich zutrugen. Dagegen wa- ren alte vertraute Haremsdienerinnen häufig in die geheimen Geschehnisse der Paläste eingeweiht, oft sogar dis hervor­ragendsten Werkzeuge im Dunkeln schlei­chender Jntriguen. Aber wie bei dem abgeschlossenen Leben der Haremsbewoh- nerinnen zu einer derartigen Person ge­langen? Wie die Richtige ausfindig machen?

Wenn ich auch mit dem Pascha ver­kehrte, hundertmal zu ihm in den Palast käme, würde ich wohl kaum wieder je eines der weiblichen Bewohner seines Hauses zu Gesicht bekommen. Die Be­gegnung mit der Jndierin war ein sich wohl kaum wiederholender Zufall. Mei­nem Plane also, mit einer solchen Person in Verbindung zu treten, stellten sich die größten Schwierigkeiten entgegen, und ich beschloß, den erfahrenen alten Agenten zu Rat zu ziehen, lud ihn zu mir in den Gasthof unv trug ihm meinen Wunsch vor.

Der Mann machte bei meinen Eröff­nungen ein nachdenkliches Gesicht.Hm, das ginge wohl. Die Frauen gehen ja, wenngleich unter Bewachung, frei aus. Schwierig bleibt es immerhin. Man müßte eine List ersinnen. Da kommt mir eben ein Gedanke. Eine der Auf­seherinnen betreibt einen Handel mit Stickereien. Sie geht ohne Aufsicht, wohin sie will. Hier ließe sich mit einem tüchtigen Stück Geld vielleicht etwas machen. Ich will gleich morgen durch meine Tochter sondircn lassen. Geben Sie hundert Franken und lassen Sie sagen, ein reicher Europäer möchte ein paar Worte mit einer alten Dienerin aus dem Hause Saref Paschas sprechen.

Sichern Sie jener Dienerin durch den Mund der Aufseherin hundert Franken für eine Zusammenkunft von einigen Minuten zu, denn fünfzig Franken muß jene Dienerin gleichfalls der Aufseherin auch noch abgeben, und Sie erreichen vielleicht ihr Ziel."

Ich erklärte dem Griechen, daß ich für seine Hilfe ihm sehr dankbar wäre, und überreichte ihm sofort hundert Franken. Er versprach, mir des nächsten Tages Ant­wort zu sagen, und entfernte sich.

Kaum war der Mann aus dem Zim­mer, so trat Wcner ein und berichtete daß ein egyptischer Diener mich zu sprechen wünsche.

Mit tiefer Verbeugung trat ein langer, übermäßig hagerer Egypter ein und über­reichte mir ein Briefchen.

Ich entfaltete das Schreiben. Es kam von S»ref Pascha und enthielt in fran­zösischer Sprache eine Einladung für heute um 5 Uhr Nachmittags nach dem Man- surpalast. Ich beantwortete das Billet dahin, daß ich Seiner Excellenz ehrenvollem Rufe unverzüglich Folge leisten werde und übergab den Brief dem Egypter, welcher mit tiefer Verbeugung das Schrei­ben an sich nahm und stamm, wie er ge­kommen war, las Zimmer wieder verließ.

Da es jetzt schon halb Fünf war, so hatte ich nicht mehr Zeit, den Hotelwagen zu bestellen, sondern eilie zum Esbekiy- platze und nahm mir dort eine Droschke. Ein gutes Trinkgeld ermöglichte es, daß ich trotz des Stromes von Menschen, die alle möglichen Dinge auf dem Kopi und unter dem Arm trugen, trotz der Eselge­fährte, der Züge gepackter Kameele und Maultiere, die in engen Straßen unS entgegenfluteten, zur bestimmten Zeit vor dem Palaste hielt.

Der Kawasse öffnete diensteifrig den Wagen. Ich wurde sofort wieder durch die drei Diener zu dem Pascha geführt, der mich in einem am Anfänge der offe­nen Säulenhalle gelegenen kleinen, mit alten, persischen Teppichen zeltartig aus­geschmückten Salon empfing. Die Decke oben bildete ein kreisrunder Spiegel, von dem die Teppichfalten niederhingen, sonst befanden sich in dem Raume nur zwei niedrige, einander gegenüberstehende, mit Lammfellen belegte Divans. Auf einem derselben saß der Pascha, der sich bei meinem Eintreten entschuldigte, daß er nicht aufstehe, mich zu begrüßen, da er heute von der Gicht geplagt sei.

Ich habe," fuhr der alte Würden­träger fort,einige Dinge auftreiben lasse», die für Sie von Wert sein dürf­ten. Bevor wir aber zu den Geschäften schreiten, wollen wir ein Schälchen Sorbet schlürfen."

Der Pascha lud mich durch eine Handbewegung zum Sitzen ein und fuhr fort:Ich will dem geliebten Gast zu Ehren mit unfern alten Traditionen brechen," hierbei lächelte das Mumicn- gestcht des Alten auf eine Weise, wie etwa ein galvanisirter Leichnam die Ge- sichtsmuskeln verzerren würde,und ein Wesen soll uns die Erfrischung reichen, schön wie der Mond im Frühling."

Der Pascha bewegte eine elfenbeinerne Klappe, die neben ihm auf dem Lamm­fell lag, die schweren Teppichsalten theil- ten sich auf einer Seite des Zeltes, und herein trat die Jndierin, in den Händen, welche von Brillantringen funkel­ten, ein verdecktes Brett tragend.

(Fortsetzung folgt.)