Amtsblatt Anzeiger

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Uro.

Mittwoch, 7. Januar 1903

39. Jahrgang.

Rundschau.

Feld renn ach, 2. Jan. Nachdem der schon zweimal zum Ortsvorstcher ge­wählte Verwaltungsassistent Fauth gegen die jüngste Verfügung der K. Kreisre­gierung Reutlingen Beschwerde beim K. Ministerium des Innern erhoben hat, mußte die auf 20. Dez. anberaumt ge­wesene dritte Wahl verschoben werden. Das K. Ministerium hat aber diese Beschwerde als unbegründet verworfen und ist, wie verlautet, die Vornahme einer dritten Wahl auf 13. ds. Mts. bestimmt worden.

Tübingen, 1. Jan. (Schwurgericht.) Der letzte am 31. Dez. verhandelte Fall betraf die Anklagesache gegen den 25 Jahre alten verheirateten Kesselschmied Karl Christian Hoyh von Nürtingen. Die Anklage legte ihm ein Verbrechen im Sinn des H176Ziff. 1 des St.-G.-B. zur Last, das derselbe am 15. Dez. I. I. abends auf der Staatsstraße von Nür­tingen nach Oberensingen an einer 20jährigen Fabrikarbeiterin Marie Heim von Oberensingen verübte. Die Verletzte hatte Strafantrag gestellt. Auf Grund des Wahrspruchs der Geschworenen wurde der Angeklagte wegen eines Verbrechens wider die Sittlichkeit unter Annahme mildernder Umstände zu 6 Monaten Gefängnis verurteilt. Die Sitzungen des IV. Quartals nahmen damit ihr Ende. Der Vorsitzende entließ die Geschworenen unter Worten des Dankes für ihre Mit­wirkung.

Pforzheim, 2. Jan. Gestern Abend schoß sich der 20 Jahre alte Mechaniker Rudolf Behringer vier Kugeln durch die Brust. Dieselben durchbohrten die Lunge und führten heute früh den gesuchten Tod herbei. Heute Nacht 12 Uhr ver- nahm der Bäckermeister Ludw. Blaich in der Baumstraße in seiner Backstube ein schweres Röcheln, und als er nachforschte, fand er seine zwei Gesellen und seinen Lehrling bewußtlos am Boden und auf einer Backmulde liegen. Dieselben hatten den noch brennenden Ofen abgestelll und wurden durch die giftigen Kohlengase be­täubt. Herr Blaich schaffte die Bewußt- losen sofort an die frische Lust nnd sorgte für ärztliche Hilfe, welche auch gleich zur Stelle war. Ob Lebensgefahr bei dem einen oder andern der Verunglückten be­steht, läßt sich zur Zeit nicht sagen. Dieser Unfall ist wieder eine Mahnung, die Ofenklappe nicht ganz zu schließen, sondern den Gasen freien Abzug zu lassen. Gestern Vormittag ereignete sich in Birkenfeld ein Unglücksfall, der als Folge des Neujahrschießens anzusehen ist. Wie der ,Pf- Anz." meldet, bekam lie 8'/» Jahre alte Tochter des Taglöhners Hertz

den mit scharfen Patronen geladenen Re­volver in die Hand, mit dem ihr Vater kurz vorher das Neujahrangeschossen" hatte. Als das Kind mit der Waffe spielte, entlud sich diese und die Kugel traf den 3 Jahre alren Sohn des Hertz in den Kopf, so daß der Knabe nach 3 Stunden starb.

Mannheim, 29. Dez. (Holz.) Die Lage für 10' und 16' lange süd­deutsche rauhe Bretter ist fest mit Rück­sicht auf die knappen, greifbaren trockenen Vorräte und die hohen Rohholzpreise. Vom rheinisch-westfälischen Industriegebiet kam gute Frage nach 10' unsortierten brennbordfreien Brettern 7' breit, die knapp angestellt wurden. Bei größerem Angebot war der Begehr nach schmälerer Ware gleicher Beschaffenheit geringer. Breite Brennborde 10' lang blieben ver- nachlässigt. Bauholz wurde von süddeut­schen Werten im Preise unterschiedlich je nach dem Grad der Beschäftigung angeboten. Hobelware nordischer wie amerikanischer Herkunft wurde zu erhöh­ten Preisen für Frühjahrsbezug verkauft. Angebote rauher Sägewaren für Hobel­zwecke lagen von den nordischen Ausfuhr­ländern und Amerika bei hohen Preis­bestellungen vor. Im Verkauf herrschte Ruhe. Hier wurde ein kleines Floß ver­kauft zu 21,50 für Kleinholz, 23,50 für Mittelholz, 25,50 für Meßholz und 27,50 Mk. für Holländerholz ab hiesigen Hafen.

Darmstadt, 2. Jan. Laut der Darmstädter Zeitung" wurde in Selters bei Stockheim in Oberhessen eine Sool- quelle mit viel Kohlensäure vou einem Gießener Unternehmer erbohrt.

Es fehlt nicht an Leuten, welche die Flucht der sächsischen Kronprinzessin billigen. Sie nennen den Vorfall ein Stück Frauenemanzipation, weil Luise Antoinette nicht aus Neigung, sondern dem Elterngebot folgend heiratete und weil an dem sächsischen Hof der freien Auslebung ihrer Natur Schranken gezo­gen wurden. Diesen Verteidigern hält derFrankfurter Gen.-Anz." folgende Strafrede:Die Prinzessin mag i« Dresden an der Entwicklung ihrer Per­sönlichkeit gehindert worden sein; in ihrem eigentlichen Frauenberufe, ihren Kindern eine gute Mutter zu sein, hat ihr gewiß niemand im Wege gestanden. Hierin ist sie schuldig geworden. Je größere Gewißheit jeder neue Tag bringt, daß ihr der Zwang eines streng über­wachte» Hoflebens erst dann unerträglich wurde, als eine menschliche, nur allzu menschliche Leidenschaft sie Gatten- und Mutterpflichten vergessen ließ, umsomehr vollzieht sich der Umschwung in der

öffentlichen Meinung. Darin besteht nach unfern gottlob noch herrschenden Anschauungen die Befreiung des Weibes doch nicht, daß es sich über die Pflichten der ehelichen Treue und der guten Sit­ten in dem Augenblick hinwegsetzen darf, wenn eine andere Persönlichkeit ihr In­teresse mehr zu fesseln weiß, als der Gatte, dessen Namen die Frau trägt und der vor der Welt die Pflicht über­nommen hat, auf ihrem Lebenswege ihr Beschützer zu sein. Dem bedauerlichen Schritte der Frau fehlt die innere Begründung. Soll ihr Drang nach der Freiheit die Sympathien der Welt finden, dann müssen ideale Interessen sie recht- fertigen. Aber man erfährt nichts wei­teres als daß die Kronprinzessin in dem Genuß der äußeren Annehmlichkeiten des Lebens gehindert wurde nirgends zeigt sich ein höherer Zug in diesem Freiheitsdrange, und vor uns steht nicht das gebildete, nach Befreiung ringende Wesen, sondern das verlangende Weib, dem ein kurzer Rausch, ein neues Glück, ein Glück im Winkel vorgaukelt. Aber selbst wenn sie in der Beurteilung des Mannes, dem sie sich nach Zertrümmer­ung ihrer seitherigen Existenz anvertraut, keine Enttäuschung erleben sollte, ein Umstand wird früher oder später stets einem reinen Glück im Wege stehen, der Gedanke an die Kinder, die ihrer ver­lorenen Mutter nicht mehr in Liebe, geschweige denn in Achtung gedenken können.

Achern, 5. Jan. Der 40 Jahre alte Friedrich Lott, Kassierer an der hies. Vorschußkasse, der seine Wohnung mit derjenigen seines Vaters und zweier Schwestern teilte, bedrohte in einem An­fall von Tobsucht seine Angehörigen mit einem Revolver. Das Dienstmädchen er­hielt 2 Schüsse in den Arm und flüchtete sich, die andern Personen, der Vater ausgenommen, retteten sich durch ein Fenster. Der 70 Jahre alte Vater des Tobsüchtigen konnte nicht mehr ins Freie gelangen. Als die Polizei in das Haus eindrang, fand man ihn mit durchschos­sener Brust tot aus dem Boden liegen. Der Mörder wurde verhaftet. Er war wegen Geistesgestörtheit schon einmal mehrere Monate in einer Anstalt. Der erschossene Vater war eine Reihe von Jahren Bürgermeister in der hies. Stadt, sowie langjähriges Mitglied des Kreis- ausschusscs Badens.

Meran, 3. Jan. Nach hier einge­troffenen Meldungen wird der Kronprinz von Sachsen, sobald es der Gesundheits­zustand des Königs zuläßt, demnächst mit seinen fünf Kindern zu längerem Aufenthalt hier eintreffen.