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Lüro. 1.
Samstag, 3. Januar 1903
39. Jahrgang.
Rundschau.
Stuttgart, 30. Dez. Letzten Mitt. woch wurde laut „N. T." dem Hauptmann Mayer im 7. Infanterie-Regiment Nr. 125 — in Anerkennung der besten Schießleistungen seiner Kompagnie im Armeekorps — der ihm vom König verliehene silberne Ehrenschild mit eingravierter Widmung überbracht. Die Kompagnie, welche bereits seit zwei Monaten das Königsabzeichen trägt, erhielt die Büste des Königs.
Stuttgart. Es ist eine allgemein bekannte Thatsache, daß der selbständige Handels, und Gewerbestand im Laufe der letzten Jahre immer mehr ins Gedränge gekommen ist. Der hiesige Kon- sumverein hat sich immer mehr ausgedehnt und einen Geschäftszweig nach dem andern in seinen Betrieb ausgenommen. Die Zahl der Warenhäuser ist im Wachsen, dazu kommt die Konkurrenz der auswärtigen Versandhäuser. Gezwungen durch diese Verhältnisse hat sich nuu eine große Anzahl von hies. Geschäftsinhabern der verschiedensten Branchen zu einer gemeinsamen Rabattgewährung vereinigt. Der § 1 der Satzungen dieser Vereinigung lautet: „Unter dem Namen „Konsum- Rabatt- Verein Stuttgart" hat sich eine Vereinigung von Ladeninhabern und Gewerbetreibenden in Stuttgart und Umgebung gebildet, welche sich verpflichten, ihren Geschäftskunden — soweit sie dem Verein angehören — nach gleichmäßigen Sätzen und einem bestimmten Verfahren gegen Barzahlung auf den Kaufpreis eineu Rabatt zu gewähren. Der Zweck des Vereins ist, eine gesunde Entwicklung des Barverkehrs zu fördern und deu Jnterefseu des Kaufmännischen und gewerblichen Mittelstands sowohl als denjenigen der Käufer zu dienen Weiter ist bestimmt: Der Rabatt beträgt im Betrage v on 20—39 Pfg. 1 Pg.f. von 40—59 Pfg. 2 Pfg., von 60—79 Pfg.
3 Pfg., von 80—99 Pfg. 4 Pfg., von 100—119 Pfg. 5 Pfg. u. s. w. Das Publikum ist hienach in der Lage, bei freier Auswahl der Bezugsquellen auf alle seine Bedürfnisse Rabatt zu erhalten. Die von den.Geschäftsinhabern verabfolgten Rabattmarken werden vom Konsum- enten in ein Buch eingeklebt und dieses sodann bei der Geschäftsstelle des Vereins gegen 10 Mk. eingelöst. Der Konsument hat keinerlei Risiko, er braucht keine Einlagen zu leisten und ist unabhängig von den Wechselfällen eines Rechnungs-* abschlusses.
— Die Schriftleitung des Schwarzwaldvereins teilt mit, daß der in den letzten Wochen auf der Langenbrauder Höhe errichtete Aussichtstnrm nunmehr
besteigbar ist. Die Schlüssel zum Turm hält bis auf Weiteres Hr. Oberförster Buhler in Langenbrand und der Kassier des Bezirksvereins, Hr. Schultheiß Feldweg in Höfen, in Verwahrung.
F r e u d en st a d t, 31. Dez. Vorgestern brannte die zwischen Baiersbronn und Mittelthal gelegene Rauhfelsen-Sägmühle total nieder. Die in . der Nähe gelagerten Brettervorräte konnten gerettet werden.
Tübingen, 30. Dez. (Schwurgericht.) Am heutigen ersten Verhandlungs- tage der diesmaligen, nur für drei Tage vorgesehenen Schwurgerichtssession gelangte als erster Fall die Strafsache gegen deu vormaligen Spitalpfleger Martin Müller von Eningen wegen Amtsunterschlagung zur Aburteilung. Gegen den unumwunden sein Vergehen zugebenden Angeklagten wurde unter Zubilligung mildernder Umstände auf eine Gefängnisstrafe von 6 Monaten erkannt. — In der Nachmittagssitzung wurde sodann unter Ausschluß der Oeffentlichkcit die ledige, 1877 geborene Fabrikarbeiterin Marie Schäfer von Pfullingen, welche am 3. November das von ihr während des Heimwegs von der Fabrik geborene Kind männlichen Geschlechts in einen in der Nähe fließenden Bach gelegt hatte, so daß dessen Tod alsbald eingeireten sein muß, gleichfalls unter Zubilligung mildernder Umstände zu 3 Jahren Gefängnis verurteilt.
— Ein schönes Weihnachtsgeschenk haben die bürgerlichen Kollegien Ulms den Beamten der Stadt und Stiftungen in einer sehr wesentlichen Aufbesserung der Gehälter gemacht. Die Witwenpension wurde von */s auf V- der Beamtenpension erhöht, die Waisenpension nach Stuttgarter Regel. Die Aufbesserung erfordert im ersten Jahr einen Aufwand von 11000 Mark.
— Freiherr Oskar v. Münch wird auch in Württemberg nicht mehr für „gemeingefährlich" gehalten, die polizeiliche Einweisung in eine Irrenanstalt und die Forderung seiner ständigen Begleitung durch einen Jrrenwärter ist durch Erlaß der KreisregierungReutlingen aufgehoben.
Heilbronn, 29. Dez. Ein Gerücht über Unregelmäßigkeiten im Ratskeller hat jetzt, nachdem es schon seit Wochen in der Stadt zirkulierte, eine so bestimmte Form angenommen, daß die Staatsanwaltschaft Untersuchung eingeleitet hat. Wie die „Neckarztg." berichtet, handelt es sich um einen Abmangel an Weinvorrat im Wert von mehr als 5000 Mk. Das Fehlende ist durch eine aufmerksame Prüfung seitens des Geschäftsführers in einer Differenz zwischen der buchmäßigen
Auslieferung aus dem Hauptkeller der Gesellschaft und dem thatsächlichen Bestand im Schankkeller festgestellt worden.
Pforzheim, 29. Dez. Als der Presserlehrling Th. Hofsäß, der in Pfocz- 'heim beschäftigt ist, ans dem Heimweg j von Pforzheim nach Jspringen begriffen war, wurde er plötzlich von 2 älteren Personen angegriffen, die ihm seinen Wochenlohn abnahmen. Als er wieder zurück nach Pforzheim wollte, um den Ueberfall sofort anzuzeigen, hielten die Raubgesellen den Lehrling fest und droh ten, ihn totzustechen, falls er sein Vorhaben ausführe.
Pforzheim, 29. Dez. Wie aus Göbrichen gemeldet wird ist dort seit einigen Tagen der Gemeinderechkier Adolf Hofsäß spurlos verschwunden und zwar unter Mitnahme von mehreren tausend Mark.
Pforzheim. Ein Conponschwindel ist in Nürnberg entdeckt worden. Von einem jungen Mann wurden in einer Weinhandlung, bei Geschäftsleuten und sogar in Bankgeschäften Zinsscheine der Stadt Pforzheim verausgabt, die nichts als wertlose Muster waren, die ein Buchdrucker in Stuttgart neben anderen Mustern der Stadtverwaltung vorgelegt und die der in dieser Druckerei angestellte Bruder, der in Nürnberg Verhaftete, an sich genommen hatte.
Frankfurt a. M., 30. Dez. Die Stadtverordnetenversammlung beschloß den Ausbau des Kaisersaales im „Römer" nach dem Entwürfe des Baurats Meckel und bewilligte hiefür 120000 Mk., sowie außerdem 45000 Mk, für die Erneuerungsarbeiten im Römer.
— Aus München berichtet die „Allgemeine Zeitung": Eine beschwerliche Exekution hatte dieser Tage auf Grund eines von auswärts erlassenen Vollstreckungstitels ein Amtsvollzieher bei einem Baumeister im Südviertel vorzunehmen. Der Schuldner, der gerade mit seiner Ehefrau vor dem halb ausgeführten Neubau sich befand, bemerkte das Herannahen der Gerichtsperson und flüchtete sich sofort die Bretterstiege des Rohbaues hinauf bis zur höchstmöglichsten Spitze, in der Hoffnung hierher nicht verfolgt zu werden. Der Beamte jedoch stieg ihm nach, um die Pfändung voczuuehmen, allein im Momente „höchster Gefahr" warf der Baumeister die gefüllte Geldbörse seiner auf der Straße stehenden Frau zu, welche sich sofort damit entfernte. Bei der nun folgenden Leibesvisitation wurde nur noch eine goldene Uhr mit Kette gefunden, gegen deren Pfändung aber, da sie auf Teilzahlung erworben, noch nicht zur Hälfte bezahlt und mit