Nr. 8S.

Amts- rmd AnzetgeLlatt für den OderarnLsbezkL Calw

84. Jahrgang.

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Die Zustände in Bayern. Die auswärtige Lage. Der AdriaLonfkikt.

Zn München üben die Spartakisten ihre Schreckensherrschaft Weiter aus. Nicht nur das Bargeld, sondern auch das Vermögen wird beschlagnahmt, soweit es in den Banken liegt, und zwar bis zu 27 Prozent. Di« Rote Garbe soll SOOOO Mann stark und sehr gut bewaffnet sein. Di« Spartakisten habe» ihre» Machtbereich bis ins bayrische Gebirge ausgedehnt, wohin st« mit Lokomotiven Raubzüge unternehmen, um von den Dorfbewohnern Lebensmittel zu erpressen. Der Mörder Eisners, Graf Arco, soll ans der Klinik herausgeholt und umgedracht worden sein. In Augsburg ist jetzt das Hauptquar­tier der Regierungstrupprn. In Nürnberg bereitet sich das General­kommando auf «inen spartakistlschen Putsch vor.

Die auswärtige Lage ist zur Zeit wieder unklarer als je. Es wetterleuchtet von allen Himmelsrichtungen her. und die politischen Wettermacher in Paris scheine» auch kein Mittel finden zu wollen, die schweren Gewitterwolken zu vertreiben. Die Engländer dürfen ihren Sieg noch nicht genießen. In Indien und Aegypten find ernst­liche Uuabhängigkcitsbewtgungen ausgebrochen, die dir humanen Engländer mit größter Schärfe bekämpfen. In Irland ist rin Gene­ralstreik aasgebrochen, der offensichtlich politischen Charakter trägt. Herr Wilson hätte hier also genügend Gelegenheit, seine Nationaki- iätengrundsätze zu betätigen. Im Osten dauert der Kampf fort. In den Ostscrprovinzen wüten die Bolschewisten immer noch. Die deutsch­baltische Stadt Riga wird von ihnen völlig entvölkert; 6 000 Bür- grrliche wurden hingerichtet. Die Verantwortung für diese Greuel« taten und sden Hungertod weiterer Tausende von Bewohnern der Ostseeprovinzen tragen die Alliierten, die es dem deutschen Oberkom­mando verboten hotten. Tnippenvrrftärkungen zur See nach den Ostseeprovinzen zu führen. Aber was kümmert das die Alliierten, vor allem den Menschheitsapostcl Wilson. Die Blockade über Deutschland wird aufrechterhalteu, ob noch Tausende täglich sterben, und ob der Wahnsinn des Bolschewismus auch weiter um sich greift. Die Polen sind jetzt zum Pormarsch gegen Osten geschrieben. Aber es wird sich hier weniger um die Bekämpfung des Bolschewismus handeln, als um das Bestreben, die Ostgrenzen des künftigen politi­schen Reiches so günstig wie möglich zu ziehen. Die Polen wolle« gegen Rußland zu den Bobr und Bug als Grenze, und selbst­verständlich wollen sie dann auch Ostgalizien behalnm. das zwar eine ukrainische Bevölkerung hat, die schon in Friedenszeitrn sich gegen die polnischen Unterdrückungsbestrebungen ihrer Nationali­tät wehrte, aber das kümmert die Polen nicht, denn nun sind sie ein­mal am Ausbau des großpolnischrn Staats, und da wird eben her- eingenommen, was nur möglich ist. Jedoch die Ukrainer geben frei- willig ihre Ansprüche auf Ostgalizien nicht auf: ste stehen zur Zeit vor Lemberg und demonstrieren dort ihre Rechte durch Beschießung der Stadt. Im Innern der Ukraine herrschen noch ungeklärte Zu­stände. Die Bolschewisten werden allmählich von den nationalistischen Ukrainern zurückgedrüngt: nach den letzten Meldungen soll die Haupt­stadt Kiew den Bolschewisten entrissen worden sein. Aus Südruß- land liegen zur Zeit keine Nachrichten vor, doch scheint es. als sam­meln die Alliierten dort ein Heer, um gegen die Bolschewisten Vor­gehen zu können. Aus Sebastopol sind sic vorerst hinansgeworfen worden. Recht wenig friedensfreundlich sieht es auf dem Balkan aus. Dort haben sich die Rumänen und Tschechslowakcu zusammeu- getan, um die ungarische Rot« Armee zu schlage». Bestand scheint die ganze Räterepublik nicht zu haben, weil sie keine disziplinierten Truppen besitzt Die Hoffnung der Ungarn, sich durch den Bolsche- wismus vor dem Gewaltfrirden zu retten, dürfte also bald zu­schanden werden.

Wie die Dinge im fernen Osten stehen, das können wir augen­blicklich nicht sicher beurteilen. Das aber durfte feftstehen, Japan ist mit dem bisherigen Ergebnis der Fricdensverhandlungen in Paris nicht zufrieden, nnd zeigt sich nicht geneigt, die angelsächsischen Schach- Siige gegen seine Interessen gutzuheißen. Die Amerikaner, und hinter ihnen der harmlose englische Bundesgenosse, steifen den Chinesen den Rücken bei ihrer Rückforderung der deutschen Kolonien in China, die Japan für sich beanspruch«, und an den koreanischen Unabhüngig- kcitsbestrelmngen scheinen die Angelsachsen auch nicht schuldlos zu sein Das Sprungbett für Ostasieu. Korea, aber ist für das übervölkerte japanische Insclreich eine Lebensnotwendigkeit. Man merkt es auch an den Reibereien der amerikanischen und japanischen Truppen in Sibirien, daß die beiderseitigen Beziehungen recht wenig herzlich sind. Außerdem wollen die Amerikaner die Bestimmung ihrer Einwanderer» Gesetzgebung nicht aufheben, nach drnrn dir Japaner nicht dasselbe Einwanderungsrecht haben wie dir weiße Raffe. Es hat also den Anschein, als ob der durch Englands glänzende Diplomatie Eder den Krieg kümmerlich übrrbrückte fapanisch-amrr i» Manisch« Gegenjatz nun doch noch zum Konflikt Ähren sollt«.

Allerdings wären jetzt die Chancen für Amerika sehr günstig, «nd oarin liegt der Ausschluß für die amerikanische Kriegrpstttik. Und wenn Japan sich noch so sehr an das englisch« Bündnis klammert, und der japanisch« Kaiser erst vor kurzem mit dem englischen Mar­schallstab ausgezeichnet wurde, im Ernstfälle hätte Japan di« Angel­sachsen gegen sich, wird also »schgebe» müssen, sofern ihm nicht glück­liche Umstände dir Durchdrückung seiner Forderungen ermöglichen.

3u k r Adriafrag« scheinen dir Alliierte» noch zu keiner Lösung gekommen zu sein. Orlando ist abgrreist mit seiuru Unterhändlern, und hat nur noch den italienischen Gesandte» in Paris zurückgelaffen. In Italien aber wird der bekannte d'Annunziorummel wieder ausge­macht, um der Welt die Ansprüche des heiligen Egoismus Italiens schmackhafter zn machen. Die italienisc!)« Preffe ist von einer geradezu erheiternden Offenheit über den wahren Charakter der Ententepolitik. Sie wirst Herrn Wilsou und den Herren Angelsachsen ungeschmmkt« Wahrheiten an den Kopf, an denen der Unbeteiligte seine Freude haben kann. Wenn man Wilson sagt, daß er sich doch sonst nicht so sehr um die Ratioualitätcngrundsätze kümmere, daß er die Frei­heit der Meere zugunsten der Herrschaft der Angelsachsen ausg-bk, nnd daß er bezüglich Deutschlands auch keine Rüärsicht aus das Nationalilütenprinzip nehme, so kann er an dieser bundesbrüderlichc» Auffassung über seine Ehrlichkeit sehen, was man von ihm hält.

Uebrlgens den italienischen Briganten, die uns auch noch mit Zustimmung Wilsons das deutsche Südtirol nehmen wollen, ist für ihren Berräterstrcich eine kleine Aufregung wohi zu gönnen, und weiter wirdr ja nicht werden, denn keine Krähe hackt der andern die Augen aus. O. 8.

Zur MssküWskmd;- ml> MliknssrW.

Erklärungen deutscher Staatsmänner zur Friedenesrage.

Wien, 2t. April. DieN. Freie Preffe" bringt in ihrer Osternummer Mitteilungen aus Gesprächen des Reichspräsiden­ten Ebert und des Botschafters Grafen Wedel mit Ver­tretern des Blattes über die innere und äußere Lage Deutsch­lands und über die Frirdensfvage.

Der Reichspräsident erklirrte: Trotz der Niederlage und der grausamen Waffenstillstandsbedingungen nach dom furchtbarsten Kriege der Weltgeschichte und trotz der schwere« inneren Krisen hat Deutschland sich bisher aufrecht erhalten und wird sich davon bin ich fest überzeugt auch fernerhin aufrechterhalten. Deutschland wird und kann nicht untergehen. Die gegenwärtige Regierung will ein freies soziales Deutsch­land durch den Willen der Mehrheit des Volkes. Wir wollen keine Herrschaft der Minderheit, kein Experimentieren mit wirtschaftlichen Utopien. Wir wollen ausbauen, nicht zerstören, vor allem aber keine Gewalt. Es ist dagegen auch der feste Entschluß der Regierung, keiner Drohung und keinem Zwange zu weichen. Auch gegen den mit neuer Kraft von Osten an­stürmenden Bolschewismus wird Deutschland weiterhin einen Damm bilden, dessen Bruch nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa und die ganze Welt in der bolschewistischen Flut ertränken würde. Dies sollten sich unsere Feinde gejag^ sein lassen und ihre Politik darnach einrichten. Deutschlands Lage jetzt und in Zukunft hängt von einem schnellen und annehm­baren Frieden ab. Will die Entente aber mit dem Frieden noch zögern oder uns einen Gewaltfriedrn aufzwingen, so hat allerdings alles, was ich eben gesagt habe, keine Geltung mehr. Auch die innere Kraft des deutschen Volkes kann nicht mehr Helsen, wenn man sie gewaltsam zerstört. Weder die jetzige noch irgend eine deutsche Regierung würde einen Frieden unter­zeichnen können, der den 14 Punkten Wilsons widerspräche. Sie war fertig, und damit würde alles zusammen stürzen.

Auch Graf Wedel betonte, daß Deutschland nur auf Grund der Bedingungen Wilsons Frieden schließen könnte, diese Bedingungen dann aber auch loyal durchführen würde. In diesem Entschluß sei die Regierung drit der Nationalver­sammlung und dem ganzen deutschen Volk einig. Don dem Er­gebnis der bevorstehenden Verhandlungen werde es abhängen, ob der Sturm sich lege oder zum Orkan anjchwelle. Wir wer­den in letzterem Falle, sagte Graf Wedel die Verantwortung nicht zu tragen haben. Wir ziehen es vor. «ns i« Orkan durchzuringen, so gut es eben geht, als einen Vertrag zu unter­zeichnen, der die Zukunft Deutschlands vernichtet und uns und unsere Nachkomme» zu Sklaven macht. Kein vernünftiger Mensch unterschreibt sein eigenes Todesurteil. Wer das nicht einsteht und uns «in« solche Unterschrift zumutet, der hat den Sinn für Wirklichkeit verloren. ,

Ministerpräsident Ccheideman» «klärt« gleichfall» gegenüber dem Berlin« Vertreter vomReuen Tag" zur Auf­forderung der EMnte, des festgesetzten Text der Friedennpräll-

minarie» am 25. April in Versailles in Enrpfang zu «ehn»«^ daß Deutschland cm den 14 Punkten Wilsons als Grundlage des Friedens unbedingt festhalten werde. Da» Ziel werde nicht Ablehnung, sondern Verhandlung über die Vorschläge d« Entente sein, um, wenn irgend möglich, eine Einigung mit den Gegner» zu finde». Das Kabinett werde natürlich fs fol­genschwer« Entschlüsse «tcht allein soffen, sondern die National- Versammlung Mitwirken nnd da rüder hi»««» «öglicherweff« das Volk durch Referendum entscheiden laste«.

Berlin, 25. April. Dir Morgenblöttkr berichte» aus Haag: Der Berliner Korrespondent desDaily Chronieic" hatte eine lkiter- redung mit dem Ministerpräsidenten Sck-eidrrnann. Dieser erklärte, daß die Nationalversammlung ganz bestimmt über den Friede» be­fragt werden würde. Nur wen» es sich ergeben sollte, daß das Ur­teil der Nationalversammlung so ausfalle, daß Deutschlands Antwort nur von einer kleinen Majorität getragen sein würde, daun erst müsse das Volk in seiner Gesamtheit durch das Mittel einer Abstimmung befragt werden. Der Berichterstatter erklärt ferner, nach seinen Er­kundigungen in deutschen Regiernngskreisen sei es wahrscheinlich, daß der Vertrag auch nach Unterhandlung« und Erörterungen nicht nicht unterzeichnet werde» «Erd«, da di« deutsch« Negierung da­von überzeugt sei, daß eise vernünftige Mrterlag« für den Friede« nicht erreicht werden könur.

Was man alles vs» Deutschland verlangen will.

Bern,.April. Rach derDaily Mail" hat der Friedenrvc»- trag mit Deutschland im letzten Augenblick noch eine Aenderung er­fahren müssen, weil man vergessen lMr. rin« Klausel rinzuschieben, wonach Deutschland sich verpflichte» muß. auf jedes Gebiet im Kaiser Wtlhelmsland am Südpol zu verzichten.Petit Pari- sien" meldet, es sei überhaupt zweifelhaft gewesen, ob der Wortlaut des Präliminarfriedens noch vor Ende dieses Monats veröffentlicht werde. Nach der Pariser Presse wird angesichts der ungeklärte» Situation der Abschluß des Frieder» eine weitere Verzögerung er­fahren, so daß Wilson voraussichtlich erst zwischen dem 20. Mai und dem 1. Juni nach Amerika zurückbehren wird.Echo de Paris- erklärt, von einer Volksabstimmung in Deutschland über die Bestim­mungen des Vertrages könne keine Rede sein. In diesem Fa'-i werde Fach die schon getroffenen Maßnahmen sofort durchführen lassen, wo­bei Heroe in seiner .Victoire' sich zu der Aeußerung auffchwlngt, man werde einen Frieden in Berlin diktieren.

Eine Berner Information des JournalsJournal de Genrve" will wissen, daß verschiedene Vertreter der Ententrmächle in Pari» geneigt sind, dein Friedensoertrag mit Deutschland ein Anhängsel an- zugliedern. wonach Deutschland auf den Gotthardvertrag mit der Schweiz zu verzichten hat. Italien wird nach dieser Richtung kein« Schwierigkeiten machen.

Englische Meldungen über die Aufhebung der Blockade.

Berlin, 25. April. Laut Berliner Lokalanzeiger- meldet die Morningpost", an der Londoner Börse werde dir Aushebung der allgemeinen Blockade erstfür Ende Mai erwartet. Im Ministerium fänden über dir Aushebung der Blockade seit dem 18. April Bespre­chungen patt. DieDaily News" meiden, die Agentur Lloyds in London nehme Versicherungen nach deutschen Häfen ab 1. Mai an.

Die Finanzverhanbln gen m t den Neutralen.

Berlin, S5. April. DerDeutschen Allgemeinen Zeitung- wird aus Haag gcmrldet. daß die Finanzverhandlungrn Deutschlands mit den Neutralen bisher zu keinerlei Ergebnis geführt haben. Die nieder­ländischen Finanzieute sähen in einer sogenannten Krcditanleihe von etwa einer Milliarde Mark, die Mark zu 60 Cent gerechnet, den einzigen Weg. aus Len Schwierigkeiten hcrauszukommen, die dl« Folgen des Kapital- und Kreditmailgels in Deutschland seien. Unsere Mark wird also dann die Hälfte des Friedenswerts gelten. Das find mit die praktischen Ergebnisse der Streiks, die uns verhin­dert haben, Ware ins Ausland zu liefern.

Die Entente und die ungarischen Bolschewisten.

Wien. 24. April. Die ungarische Räteregierung hat sich durch ihren Wiener Gesandten an di« dortige Ententemiffion gewandt mit dem Ersuchen, Delegierte nach Budapest zu ent­senden, um wegen eines Waffenstillstandes zu »erhandeln. Der englische Gesandte, Oberst Cunningham, hat sich in Parts nähere Informationen auf telegraphischem Weg« erbeten. Rach Eintreffen der Pariser Antwort hat er dann der Räteregierung milteilen lasten, daß di- Entente bereit ist. einen Waffrnstill- stand abznschließrn «ad den Vormarsch de« Truppe» sofort ein­stellen zn lassen, wen» di, «Ltrregierung abdänkt und ei» neues Kabinett aus Vertretern aller bürgerlichen Klaffen Un­garns gewählt wird und weiter all« Verfügungen, di« die Räte­regierung erlassen hat und di« den Privatbesitz betreffen nnd di« persönliche Freiheit «»nfchrünkn. sofort aufgehoben w«h«.