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satzsteuer geschädigt werden, ist hinfällig, Anläßlich der Umsatzsteuerdebatte im württ. Landtag hat der Abgeordnete Schmidt-Maulbronn mitgeteill, daß in den WarenhäusernHungerslöhne" be­zahlt werden. Wenn asio nach dem Konfektionär" die preußische Waren­haus-Umsatzsteuer ein Schlag ins Wasser gewesen ist, so wird es sich für den württembergischen Landtag empfehlen, eine gründlichere Arbeit zu macken, ba­nnt nicht unsere Warenhäusler wie in Preußen hohnlächelnd vonkläglichen" Ergebnissen und vonLapalien" sprechen können.

Pom Oberamt Saulgau. Der Rekord der Besitzerin des Zentralhotels von Martina Franca steht in Gefahr, geschlagen zu werden. Dieser Italienerin die bis zum Alter von 56 Jahren nicht weniger als 29 Kindern das Leben ge­schenkt hat, ist eine Frau aus Hoßkirch (O.-A. Saulgau) bedenklich nahegekommen. Diese hat im vergangenen Frühjahr das achtun dzwanzigsteKind geboren und befindet sich erst in der Mitte der vierziger Jahre. Da das kleine Oertchen Hoßkirch nur etwa 300 Einwohner zählt, bildet diese kopfreiche Familie einen wertvollen Bestandteil der Gemeinde.

Ein in Riedlingen geborener Chinakämpfer mit Namen Windholz, der zuerst in der 5. Komp. Reg. 124 und dann mit 50 anderen Württembergern im 2. Seebataillon Nordseestation Wil­helmshaven, gedient und mit dieser Truppe zuerst den Boden des chinesischen Reichs betreten hat, hat in einem eingehenden, durchweg den Eindruck strengster Wahr­heit und Zuverlässigkeit machenden Vor­trag vor dem Einsender folgendes erzählt: Man hat keinen Begriff, wie schamlos durchweg alle Hunnenbriefe erlogen sind, wie sehr sie.uns erbitterten und uns, die wir unser Leben für unser Vaterland einsetzten, vor unfern Verbündeten bloß­stellten. Es ist doch weit gekommen, wenn selbst französische Soldaten uns trösten mußten wegen des von unseren eigenen Landsleuten, Menschen, die fern und sicher vom Schüsse saßen, angethane« niederträchtigen Schimpfes. Die meisten Hunnenbriefe wurden in Europa angefer­tigt, in China hat der eine oder andere Renommist einige Brocken zu Papier ge­bracht, die leichtfertigen und gewissen­losen Verbreitern falscher Nachrichten als willkommener Anhaltspunkt gedient haben mögen. Ein solcher auf der Lüge er­tappter Soldat wurde zu unserer aller Bedauern nur mit 14 Tagen Arrest be- straft. Ausschreitungen geringfügiger Art sind vorgekommen, wie sie überall Vor­kommen. Der Krieg, namentlich in solchen Ländern und so sehr entfernt von der Heimat, ist eine andere Sache als der Friedensdienst. Einen sehr schweren Stand haben da die Unteroffiziere. Un> sere Behandlung seitens der Offiziere war eine sehr freundliche und wohlwollende; nur Ausschreitungen gegenüber waren General v. Lessel und unser Brigadekom­mandeur v. Trotha unerbittlich. So wurde ein Soldat, der nach Ostern, also nach dem schon abgeschlossenen Waffenstill­stand einen Chinesen durchgeprügelt hatte, mit nahezu zwei Jahren Gefängnis be­straft. Sobald sich ein Chinese beschwerte, fand immer eine eingehende peinliche

Untersuchung statt. Mit den Franzosen vertrugen wir uns am besten, daun mit den Russen, die Amerikaner waren sehr für sich, die Japaner grüßten sehr freund- lich, schlossen sich aber vollständig ab. Den Engländern wurde der Burenkrieg nachgetragen, namentlich von den Russen und Franzosen, auch von uns und allen anderen Teilnehmern an der Expedition, das war aber nicht der Grund allein für das unfreundliche Verhältnis zu ihnen. Sie sind im Kampfe wenig wert, halten sich gerne fern vom Ernst und nach blu­tig erkämpftem Siege spielen sie sich als die Helden auf, plündern und schieben dann dieses den andern in die Schuhe; daher bekamen sie fast jeden Sonntag Prügel. Mit den Holländern und dann mit den Oesterreichern und Italienern standen wir rechtgut, ganz dreibundfreund­lich. Schimpfte ausnahmsweise einmal ein Amerikaner oder Japaner über uns, dann meinte er immer die Engländer. Darüber aber herrschte eine Stimme bis zum letzten Soldaten aller Nationen herunter; wer wäre besser im Stand ge­wesen, diesen schwierigsten aller Ober­befehle zu führen, als Graf Waldersee? Die Früchte wird man noch ernteu. Was nun das Anbinden betrifft, so ist es in unserem Bataillon nicht und überhaupt selten vorgekommen. Auf der Hinfahrt einige Male. In China und auf der Rückfahrt hatten wir Arrestzellen. Stra- fen bis zu 6 Monaten wurden im Taku- südfort verbüßt, längere werden in Köln abgesessen. Nicht verschweigen darf ich, daß alle fremden Nationen eine große Achtung vor uns, unserer Disziplin nnd unserer Leistungsfähigkeit bekamen, daß sie uns aber noch weit mehr beneideten um unsere Führung, unsere Ausbildung und Ausrüstung und namentlich unserer Behandlung seitens unserer Offiziere. Geplündert ist von Deutschen nickt worden. Einige Taßls, die ein Soldat einmal mitgenommen, hat er mit 10 Jahren zu büßen. Verachtung gebührt den Leuten, die die erlogenen Hunnenbriefe fabrizirt, wie denen, die sie ausgebeutet haben." Windholz ist im heftigsten Feuer bei Li- ang-Shiang-Shin und bei Nan-Jlu-Mön gestanden, und erhielt für seine Tapfer­keit von dem Kaiser eine Dekoration. Die Berichte solcher Männer haben doch mehr wert, als die Lügen gewissenloser Hetzer.

(Schwab. Merk.)

L ei pzi g, 4. Nov. Die Leipz. Volksztg. teilt mit, daß der Konkursverwalter Ju­stizrat Or. Barth, der als zweiter Kon­kursverwalter im Konkurse der Leipziger Bank seines schwierigen Amts waltete, verschwunden sei. Barth halte nament­lich die Angelegenheit mit der Kasseler Trebergesellschaft zu ordnen. Die vie­len Reisen, welche Barth zum Teil bis nach Bosnien, Finnland, Italien und Frankreich zu diesem Zweck machen mußte, sowie die sonstige angestrengte geistige Thätigkeit, welche die Konkursverwaltung mit sich brachte, riefen nach Angabe sei­ner Familie bei Barth eine derartige körperliche und geistige Abspannung her­vor, daß eine Störung der Geistesthätig- keit eingetreten ist. Authentisches ist bis­her über die Angelegenheit nichts bekannt.

Berlin, 5. Nov. Die Boykottirung der englischen Schiffe ist, wie man den M. N. N." aus Berlin schreibt, am 1.

Januar 1902 zu erwarten; gewiß ist dieser gewaltige Plan nicht leicht auszu­führen und eine große Anzahl Schwierig­keiten ist noch aus dem Weg zu räunun, aber, soweit sich die Sachlage jetzt über­schauen läßt, schwinden alle Hindernisse. Man hat namentlich befürchtet, daß die New Docker Hafenarbeiter sich an dem Plan nicht beteiligen w irden; aber das hat sich als irrig herausgestellt. Die New-Dorker, unter denen die Iren ein außerordentlich starkes Kontingent bilden, sind gewonnen, sie sind stellenweise Feuer und Flamme für die Idee. Namentlich die französischen Hafenarbeiter sind be­geistert für diesen gewaltigen Plan, nicht ein einziger Hafenort in Frankreich wird der Bewegung fernbleiben, auch Genua ist gewonnen nur in Holland selbst, in Rotterdam ist die Stimmung noch sehr flau; die Rotterdamer Hafenarbeiter, etwa 4000 an der Zahl, sind fast aus­schließlich auf das Löschen und Laden englischer Schiffe angewiesen; aber auch in Rotterdam schwinden die Hindernisse mehr und mehr. Die Jahreszeit ist sehr gut gewählt, der Schiffsverkehr ist daun ziemlich unbedeutend; die nichtenglischen Schiffe reichen vollkommen aus, um eine Stagnation des internationalen Handels zu verhindern. Vielleicht gelingt es auch, die englischen Hafenarbeiter, die ja auch zum Te'! diese unerhörten Grausamkeiten Kitcheners und Genossen verabscheuen, zum Anschluß an den Boykott zu bewegen. (?) Geschieht dies auch nur auf wenige Tage, so ist schon sehr viel erreicht; jeden­falls hat man es mit einer Bewegung zu thun, wie sie bis jetzt kaum dagewesen ist.

Brüssel, 4. Nov. DemPetit Bleu" zufolge muß die Hinrichtung des englischen Leutnants Doyle durch die Buren als der Anfang der Repressalien bezeichnet werden. Andere Erschießungen gefangener englischer Offiziere werden folgen. General Lotha verständigte Kit- chener in einem besonderen Schreiben, daß für jeden Hingerichteten Buren ein eng­lischer Offizier erschossen werde.

Paris, 4. Nov. Die Kommission des Aero-Klubs beschloß mit i3 gegen 9 Stimmen bei 3 Stimmenthaltungen, den Deutsch-Preis von 100 000 Frs. dem Luftschiffer Santos Dumont ohne jede Beschränkung zuzuerkennen.

Paris, 5. Nov. Der Luftschiffer Santos Dumont trat aus dem Aero­klub aus, weil viele Mitglieder der Preiskommission erklärt hatten, daß sein Luftschiff das Problem der Lenkbarkeit in keiner Weise der Lösung näher gebracht habe. Der Industrielle Deutsch kündigt an, daß er einen neuen Preis mit noch strengeren Bestimmungen errichten werde'

Peking, 7. Nov. Li-Hung-Tschang ist gestern Abend 11 Uhr gestorben.

Peking, 7. Nov. Li-Hung-Tschangs Tod ist beschleunigt worden, durch den Widerstand seiner Angehörigen gegen die Anwendung des europ. Heilverfahrens, sodaß die Aerzte Or. Velde und Coltman erklärten, die Behandlung niederznlegen, wenn der chinesische Arzt nicht entlassen würde.