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New-Aork, 24. Juni. Eine Depesche aus Roanoke in Virginien bestätigt, daß in Pocathontas über 300 Menschen infolge eines Bruches eines auf einem Hügel errichteten Dammes ertrunken seien. Die herabstürzenven Wassermassen schwemmten ganze Häuser weg. Das Unglück geschah um Mitternacht. Die Mehrzahl der Ertrunkenen seien Bergarbeiter oder Angehörige von solchen. Einer Blättermeldung zufolge sollen auch die Städte Kaystone, Elkhorn und Vivi- ani sowie andere Orte überschwemmt worden sein. Die dortige Bahnlinie' soll auf 2ö—30 Meilen zerstört sein. 12 Meilen von der Unglücksstelle entfernt sind bereits 31 Leichen gefunden worden.
WnterrHattenöes.
Entlarvt.
Roman von Emil Droonberg.
(Forts.) Nachdruck verboten.
„Herr Marquis, wollen Sie mir nicht diese Mission übertragen?" sagte er, „Sie sagten selbst, daß Gefahr dabei ist und Sie dürfen sich einer solchen nicht aussetzen, wo das zu vermeiden ist, denn Ihr Leben gehört in diesem Augenblicke nicht Ihnen, sondern Ihrer Tochter, zu deren Rettung Sie ausgezogen sind!"
Der Marquis hielt überrascht sein Pferd an. Er wußte offenbar nicht, was er auf dieses Argument erwidern sollte.
»Ich habe aber noch weniger das Recht, Sie einer Gefahr auszusetzen," erklärte er, „die doch wohl nur durch unser Unternehmen heraufbeschworen wurde."
„Lassen Sie es doch geschehen, Herr Marquis!" bat Bender. Ich denke, der darf am ehesten sein Leben einsetzen, der am wenigsten damit verliert. Ich stehe allein, ganz allein in der Welt," es klang eine leise Wehmut durch seine Stimme, als er dies sagte, „und Niemand würde bei meinem Tode um mich trauern. „Ich selbst würde mich freuen, mein Leben für einen guten Zweck hingeben zu können, denn — dann hätte es doch überhaupt einen Zweck gehabt, während ich mich jetzt für sehr überflüssig in der Welt halte."
Marquis Hohenegg blickte mit Befremden auf den jungen Mann, der ihm bisher schon wie ein ungelöstes Rätsel erschienen war, aber ehe er eine Ernst, derung geben konnte, schritt Jener schon auf das Gebäude zu, das um einige Tinten dunkler sich von dem Schatten der umliegenden Berge abhob.
Es war, wie er näherkommend fand, ein breiter, viereckiger Turm, aus zwei niedrigen Stockwerken bestehend und an der Frontseite von einer Mauer umgeben, die im Halbzirkel einen kleinen Hofraum umschloß und durch ein Thor von schweren Eichenbohlen den Zugang zum Gebäude öffnete.
AusffrüherenJahrhunderten stammend, schien es zum Kastell oder auch nur als ein sicherer Aufenthalt während der Jagd- streichereien im Gebirg gedient zu haben.
Bender konnte sich nicht verhehlen, als er es näherkommend betrachtete, daß das Gebäude ganz (dazu gemacht sei, einen Schlupfwinkel für Räuber und anderes Gesindel abzugeben. Trotzdem klopfte er aber ohne Zögern mit dem Kolben seiner Pistole an bas verschlossene Hofthor, daß der Schall laut durch die Nacht dröhnte.
Noch hallte das Echo nach, als er schon ein kleines Fenster im unteren Geschoß sich öffnen und eine Stimme fragen hörte:
„Wer klopft? Ist es seiner von uns?"
„Ja," antwortete Bender unbedenklich mit leiser und verstellter Stimme, vom Schatten des Thores, an das er dicht herangetreten, gedeckt. „Mach auf und sage, ob Du allein bist?"
„Heilige Jungfrau von Loretto! Niemand ist im Hause, als mein Weib und ich. Komm getrost herein, Freund, ich wunderte mich schon, wo Du in diesem Höllenwetrer gesteckt. Im Augenblick bin ich bei Dir."
Bender sah den Lichtschein verschwinden und hörte die innere Thür öffnen.
Der hohle Husten, wie die Stimme des Mannes überzeugten ihn, daß er alt sei, und in der That stand, als der Thorflügel geöffnet war, eine kleine, zusammengeschrumpfte Greisengestalt vor ihm. Das volle Licht aus der Laterne des Alten fiel auf den außen Harrenden und ließ diesen zu seinem Schreck einen gänzlich Fremden erkennen.
„Heiliger Franz! Wer seid Ihr und was wollt Ihr, daß Ihr einen armen, einsamen Mann in dieser schrecklichen Nacht überfallt?"
Er versuchte, das Thor wieder zu schließen, aber Bender war bereits dazwischen getreten.
„Nichts für ungut, Alter," sagte er. „Not kennt kein Gebot; ich bin ein ver- irrter Wanderer und Ihr könnt Christen- leuten nach einem Wetter, wie das eben vergangene, nicht ein Unterkommen verweigern, um sich zu erholen. Kriegsrecht gilt überall; ich habe einige Freunde bei mir, die draußen meiner noch harren und muß mich vergewissern, ob sie ohne Gefahr hier eintreten können. Also voran, Alter und zeigt mir Euer Haus!"
Er nahm seine Pistole mit gespanntem Hahn in 'die rechte Hand und bedeutete dem Wirt, voranzugehen, der mit sichtlichem Schreck und Aerger das entschlossene Wesen des Fremden betrachtete.
„Heiliger Narzissus," rief er, meint Ihr denn, daß mein Haus eine Herberge für alle Leute ist, die in den Gebirgen umherziehen. Geht in Frieden, Signor und laßt mich das Thor schließen! Ich kann so viele Leute nicht beherbergen und zu finden ist hier nichts in diesen öden Mauern."
„Alter Narr," sagte der Deutsche, „haltet Ihr uns für Wegelagerer? Ihr sollt Eure Gastfreundschaft nicht umsonst geben, es sind Nobili und Ihr wißt, die zahlen reichlich."
„Ich habe immer das Gegenteil behaupten gehört," bestritt der Alte. „Aber wenn Ihr durchaus wollt, so ruft nur Eure Freunde! Im ganzen Hause ist keine Seele als ich und mein Weib und ein kleiner Bub. Ihr werdet hier so sicher aufgehoben sein, wie in Abrahams Schooß."
„Ich pflege meinen Augen am liebsten zu trauen," erwiderte Bender trocken. „Also voran und zeigt mir den Weg! Meinb Ihr es ehrlich, so wird es Euer Schaden nicht sein."
Der Alte schien einzusehen, daß ihm nichts übrig blieb, als zu gehorchen und fügte sich, unter verschwenderischen Be
teuerungen seiner Redlichkeit und der Sicherheit seines Hauses in den Willen seines Gastes und geleitete ihn die zerbröckelten Stein stufen hinauf, die zum Hause führten.
Den unteren Teil desselben nahm fast ganz eine weite Halle ein, die jetzt zur Küche diente und in welcher ein kleines Feuer auf dem Heerde brannte.
Ein altes von Jahren und Gicht krumm gezogenes Weib, mit mürrischer Miene, saß dabei, während von einem Mooslager daneben ein Knabe von etwa zehn bis elf Jahren sich erhob uns mit forschenden verschmitzten Augen den Fremden betrachtete.
Bender ließ seine Augen umherschweifen, ohne etwas Verdächtiges wahr- zuuehmen.
„Einstweilen scheint mir Euer Haus sicher," sagte er dann, „und ich gehe meine Freunde zu holen. Nur möchte ich vorher noch wissen, wen ihr eigentlich erwartet habt, als Ihr mir das Thor geöffnet.
„Sankt« Madonna! — wen sollte ich erwartet haben?" fragte heuchlerisch der Wirt. „Hier die Eltern des kleinen Frederigo, wollten uns heute besuchen und den Burschen abholen. Wir glaubten sie verspätet, durch das höllische Wetter im Gebirge. Doch da fällt mir ein — wie sind Sie denn bei diesem schrecklichen Gewitter hierher geraten und wie haben Sie mein armes Haus finden können?"
„Wir wollen nach Askoli und haben uns im Gebirge verirrt. Der Führer und die Vetturins haben uns hintergangen und sind dann entflohen, wobei sie sogar ihre Tiere im Stich ließen. Sie hatten sicher Helfershelfer im Gebirge, denen sie uns in die Hände spielen wollten. Der Führer schien mir besonders verdächtig."
„KennenSie den Namen des Mannes?"
„Franzesko Miughetti nannte er sich mir."
Der Knabe am Feuer machte eine leichte Bewegung, der Wirt und sein Weib blieben jedoch ruhig und unbefangen.
„Sorgt, indeß ich meine Gefährten hole, für ein gutes Feuer und was etwa Euer Haus vermag," sagte Bender und wandte sich mit diesen Worten zum Gehen.
Der Wirt leuchtete ihm aus der Thür und kehrte dann sogleich in die Halle zurück, wo er den Knaben bereits in eifrigem Gespräch mit der Frau fand.
„Der Vater hat es selbst gewagt," sagte der Bursche, „und bei Sankt Peter — diese Nobili sollen ihm nicht entgehen!"
„Aber was sollen wir thun", meinte der Alte. Sie werden vielleicht zahlreich sein. (Forts, folgt )
SLandesbuiH-GHrroni k.
vom 21. bis 28. Juni.
Geburten:
21- Juni. Schrast, Georg Gottfried, Taglöhner in Nonnenmik 1 Tochter.
23. Juni Treiber, Karl Friederich, Holzhauer
in Sprollenhaus, 1 Tochter.
27. Juni. Schmid, Karl Friedrich, Zimmermann
1 Sohn.
28. Juni. Schrafft, Johann Friedrich, Bauer in
Kälbermühle, 1 Sohn.
G e st o r be n e:
24. Juni. Baumgartner, Emil, Kaufmann aus
Stuttgart, derzeit als Kurgast hier, 55 Jahre alt.
26. Juni. Proß, Marie Rosalie, geb. Deffner, 45 Jahre alt, Ehfrau des Sägwerkbesitzers Albert Proß in Sprollenmühle.