Amtsblatt für die Stadt Witdbaö.
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Nr 7S
Scrrnsiag, 29. Juni 1901
87. IaHrrgcrng
Runvschau
Neuenbürg, 24.Juni. In Langenbrand brannte das Wohn- und Oekono- miehaus des Bäckermeisters Eberhardt ab. Die Feuerwehr leistete kräftige Hilfe und es gelang derselben, das Feuer xjn- zuschränken. Entstehungsursache unbekannt. Der Abgebrannte ist versichert.
Leipzig, 25. Juni. Die Leipziger Bank hat ihre Zahlungen eingestellt..
Dresden, 25. Juni. Die Nachricht von der Zahlungsstockung der Leipziger Bank hat in allen Kreisen der Bevölkerung die größte Bestürzung hervorgerufen. Vor der hiesigen Filiale in der Ferdinandstraße sammelten sich große Menschenmassen an. Wagen auf Wagen fuhr vor, deren Insassen sich in das Innere des Bankgebäudes begaben, um ihre Depots in Empfang zu nehmen. Die Aufregung wächst von Stunde zu Stunde. Seitens der Leitung der Bankfiliale wurden alle Baarauszahlungen verweigert mit dem Hinweis auf die nothwendige Kündigungsfrist.
Leipzig, 26. Juni. Die Leipziger Bank beschloß die Konkursanmeldung.
Berlin, 23. Juni. Ein eigenartiges Mittel zum Schutz gärtnerischer Anlagen gegen den Vandalismus des Publikums wird, wie die „Nordd. Allg. Ztg." mitteilt, auf der vielbesuchten Havelinsel Valentinswerder bei Spandau zur Anwendung gebracht. Man hat die der Beraubung besonders ausgesetzten Flieder- und Jasminsträuche stellenweise mit Teer bestrichen und die Besucher, welche dies wahrnehmen, hüten sich wohl, die Zweige zu berühren. Eine junge Berliner Dame hatte den Anstrich übersehen und unbefugt einige Fliederstrüuße gepflückt. Später ließ sie sich in einem Boot nach Tegelort übersetzen. Da bemerkte sie, daß ihr Kleid mit Leer beschmutzt war und sie beschuldigte den Fährmann, daß er sein Boot nicht sauber halte. Da war es dem Fährmann ein Leichtes, der Dame nachzuweisen, wo sie sich die Teerflecke geholt hatte.
— Abwendigmachen von Kunden durch unwahre Angaben istBetrug. Das Reichsgericht hat das Heranziehen von Kunden durch unwahre Angaben zum Schaden von Konkurrenzfirmen als Betrug im engeren Sinne des Strafgesetzbuches bezeichnet und in seiner Entscheidung erklärt: „Ein unbefugter Ein- griff in den Vermögensstand der betref- senden Firma findet statt, wenn man
mittels Täuschung deren Kundenstand abwendig zu machen sucht." Bedeutsam ist hiebei der besondere Ausspruch, daß der fragliche Nutzen, welcher der Firma unter Umständen verloren gegangen ist, geltend gemacht werden kann.
London, 24. Juni. ^Ein Brief der „Daily Mail" aus Kapstadt vom 5. d. M. meldet, der Einfall der Buren in das Kapland habe beängstigende Ausdehnung angenommen. Rekruten strömen dem Bureninvasionscorp von allen Seiten zu. Dasselbe sei bereits 10000 Mann stark. Die Buren nahmen in dem Coles- berger Remontelager 500 Pferde fort. Das Land sei innerhalb des Parallelogramms Kenhardt, Dordrecht, Willow- more und Namaqualand tatsächlich im Besitz der Buren. (B. T.)
— Der Oberleutnant im 1. Hanseat. Jnf.-Reg. 75, Alfred v. Müller (derselbe, von dem auch eine ausführliche Geschichte des Kriegs in Südafrika erschienen ist), hat im deutschen Kolonialverein zu Bremen 2 Vorträge über den Burenkrieg gehalten, die bei Liebel in Berlin erschienen sind und zum Besten und Ausgereiftesten gehören, was bisher über diesen Krieg gedruckt worden ist. Die allgemeinen Verhältnisse, unter denen der Krieg sich vollzog und die Leistungen der Generale, die auf diesem Hintergründe sich abspielten, werden lichtvoll und klar, mit einem Hauch Moltkeschen Geistes uns vorgeführt. Da ist es nun von großem Interesse, daß Alfred v. Müller dem General Joubert, der anfangs so sehr bewundert, später aber so hart getadelt worden ist, großes Lob zollt. Joubert hatte den kühnen Plan entworfen, seine 20000 Mann starke Ostarmee über das hohe, schwer zu überschreitende Grenzgebirge zu werfen, das Transvaal von Natal trennt, und den Krieg in Feindesland zu tragen. Da die gesammte Masse der Verpflegung wegen nicht über einen einzigen Paß geleitet werden konnte, auch^dieser etwa gewählte Paß durch feindliche Abteilungen von geringer Stärke leicht hätte gesperrt werden können, so zerteilte Joubert sein Heer in 9 Kolonnen, von je etwas über 2000 Mann und beschloß, sie erst angesichts des 13 000 Mann starken Gegners, des Ge» nerals White, also unter den Mauern von Glencoe, Dundee und Ladysmith, zu vereinigen. „Jeder Fachmann kann er- messen, wie fein ein solcher Apparat eingefädelt werden, wie ausgezeichnet der BesehlsmechaniSmus funktionieren und
wie fest das Oberkommando die Unterführer in der Hand haben muß, damit ein solcher Vormarsch durch schwieriges Gelände glückt und vermieden wird, daß die aus den Pässen herabsteigenden, wenig gefechtsbereiten Kolonnen Teilniederlagen erleiden und so das angestrebte Zusammenwirken vereitelt wird." Joubert hat aber in der That die kühne Operation mit vollstem Glück durchqeführt, wobei ihm der völlige Mangel der Engländer an einer zur Erkundung geeigneten Reiterei zu statten kam; dieser Mangel verhinderte White von vornherein an der richtigen Gegenstrategie, die in einem raschen englischen Vorstoß gegen die in der Versammlung begriffenen Freistaatburen bei Albertina bestanden hätte. Am 11. Oktober 5 Uhr Abends begann der Vormarsch Jouberts; am 12..waren schon alle Pässe im Westen und Flußübergänge im Osten in seinem Besitz und die Engländer in Glencoe schwebten in Gefahr von Ladysmith abgeschnitten zu werden. Sie zogen sich zwar dorthin zur Hauptmacht zurück; allein Joubert schnitt diese selbst durch die Wegnahme von Colenso so völlig von allen Verbindungen ab, daß lange Zeit ihre Gefangennahme unabwendbar zu sein schien. Joubert blieb dem Geist kühner Offensive auch später treu, indem er alle Truppen, welche er nicht vor Ladysmith selbst brauchte, auf Pietecmaritzburg vorgeheu ließ. Aber freilich, nun trat mehr und mehr auch die Schattenseite des Burenheeres zutage. So geschickt und kühn es in seinen Bewegungen war — es fehlte ihm diejenige energische Offensive, die nicht damit zufrieden ist, den Feind zu überflügeln, und ihn durch Manöver zum Rückzug zu drängen, sondern welche die taktische Entscheidung zu erzwingen sucht, um durch einen wuchtigen Schlag den abgeschnittenen Feind sofort zu vernichten und Raum für weitere Offensive zu schaffen. Auch offenbarte sich z. B. bei Colenso eine so schlaffe Manneszucht, daß Schalk Burg- Her es nicht wagen durfte, den glänzenden Sieg durch eine schneidige Verfolgung zu krönen, weil eine Niederlage der verfolgenden Truppen auch die Hauptmasse mit sich fortgerissen hätte; der tüchtige General mußte sich an der Ab- wehr des Feindes genügen lassen. Aber so verhängnisvoll diese Mängel werden sollten — dabei bleibt es, daß die Oberleitung der Buren durch Joubert eine glänzende gewesen ist.