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richtete. Selbstverständlich war ihm bis aus Weiteres das Ausgehen verboten. Bald konnte der Verband abgenommen werden. Wer beschreibt aber die Ent­rüstung des Offiziers, als ihm zu dieser Zeit von einem Unteroffizier, der mit einer Abteilung Pioniere vom Wasserübungs­platz zurückkehrte, die Mitteilung gemacht wurde:Der Hans", so hieß nämlich der Storch,sei außerhalb der Festung, in der Nähe des Glacis, betroffen worden und nicht zu bewegen gewesen, in die Kaserne zurückzukehren." Nun das war doch stark! Der Leutnant, er ist jetzt auch schon längst General, entschloß sich sofort, den Deserteur zu verfolgen und eilte, er erfreut sich selbst sehr langer Beine, auf das Glacis, wobei er ganz übersah, daß er im Hausanzug war. Richtig, der Storch war noch auf dem Glacis und suchte dort seine zoologischen Kenntnisse zu erweitern. Mit sanfter Stimme rief er ihm zu:Hans komm! Komm Hans!" Der Storch hörte zwar darauf, flatterte aber bei der Annäherung immer 50 Schritt weiter. So ging es über die Gänswiese, an der Friedrichsau vorüber und über den Exerzierplatz bis zum Hohen Steg, wo hinter dem Böfinger Wäldchen der Storch davonflog. Sehr ärgerlich und schachmatt kehrte der gute Mann von dieser Jagd in die Kaserne zurück, wo der wachhabende Unteroffizier unter dem Thor stand und auf die Frage: warum haben Sie den Storch hinaus­gelassen?" erwiderte:Herr Leutnant der Hans ist im Kasernenhof." - - Große Heiterkeit! Es war ein fremder Storch, den der Leutnant verfolgt hatte.

Metz, 30. März. In der heutigen Verhandlung des Oberkriegsgerichts gegen den Oberleutnant Rüger wurde derselbe wegen thätlichen Angriffs auf einen Vor­gesetzten mittelst Waffe, wodurch der Tod herbeigesührt wurde, gemäß K 97 des Ml.-St.-G.-B. zu 6 Jahren Zuchthaus und Ausstoßung aus dem Heere unter Anrechnung von 6 Wochen Untersuchungs- Haft verurteilt.

London, 30. März. Nach einem Telegramm aus Balmoral haben die Bu­ren wieder einen englischen Proviant­zug aus der Linie Delagoabai in die Luft gesprengt. Diese Sprengung fand in der Nähe von Balmoral statt. Wie aus Dewetsdorp gemeldet wird, erklärten die Buren, sie verfügten noch über große Vor- räthe an Lebensmitteln, ohne von denje­nigen zu sprechen, die sie für schlimme Zeiten vergraben haben. Sie erklären ferner, den Plan, in die Kapkolonie ein­zudringen, enögiltig aufgegeben zu haben.

London, 2S. März. Sir Alfred » Milner weigert sich entschieden, die Ober­leitung der Verwaltung Transvaals zu übernehmen.

Nach einer Meldung aus Manila haben die Amerikaner Aguinaldo mit seinem gesamten Stabe in der Nähe von Casiguran, 14 km von Baler, gefangen genommen. Die Gefangennahme wird amtlich bestätigt. Die Spione, welche dem amerikanischen Obersten Funston halfen, Aguinaldo gefangen zu nehmen, waren Leute vom Stamme der Macca-. bebes. Sie hatten unter dem Vorgeben, Insurgenten zu sein, sich den Aufständi­schen gegenüber erboten, ihnen Funstou in die Hände zu spielen. Die List war von Erfolg begleitet und Aguinaldo wurde

gefangen genommen (nicht sehr rühmlich für die Amerikaner!). DieFil. Lopez" äußerte einem Berichterstatter gegenüber, die Gefangennahme Aguinaldos bedeute nicht das Ende des Krieges; andere Führer würden ihn fortsetzen.

Washington, 29. März. General Mc. Arthur meldet, er hoffe, daß die Feindseligkeiten auf den Philippinen dem­nächst überall aufhören werden. Er halte es für wahrscheinlich, daß infolge der gegenwärtig stattfindenden Konferenzen Aguinaldo eine Kundgebung erlasse, in der zur allgemeinen Unterwerfung und Auslieferung der Waffen sowie zur An­nahme der amerikanischen Suprematie ge­raten wird.

WnterHattenöes.

Kesperus

oder: Jen Kcrrnpf urn den AiainanUn Erzählung von Frank Barrstt.

(Forts.) (Nachdr. verboten.)

Alles lieber, als diese Ungewißheit", sagte ich zu mir selbst;ich will noch fünf Minuten warten und dann"

Was nach dieser Zeit kommen mußte, wußle ich nur annähernd, aber ich fühlte, daß das Schlimmste nicht schlimmer sein konnte, als meine Befürchtungen und zu­gleich nahm ich mir fest vor, meine auf­geregten Sinne möglichst im Zaume zu halten und mich nicht durch Einbildungen beirren zu lassen.

Plötzlich dünkte es mir, als ob die Bettstatt, an welche ich mich lehnte, leise gekracht hätte. War dieses Geräusch, welches ich deutlich vernommen zu haben geglaubt, nur ein Spiel meiner erregten Phantasie, oder war es Wirklichkeit ?

Die Haare stiegen mir zu Berge, als ich nach etwa einer Sekunde den Ton sich wiederholen Hörle; ich beherrschte mich indeß und harrte aus. Nach dem Ticken der Uhr, nach welchem Geräusch ich die Zeit ungefähr bemaß, waren erst vier Minuten verstrichen; noch eine Mi­nute länger wollte ich warten und mich dann auf den unsichtbaren Feind werfen.

Aber kaum hatte ich dies ausgedacht, als ich auch, wie durch eine Eingebung, empfand, der Räuber müsse dicht hinter mir auf dem Bette stehen; ich öffnete die Lippen, um Aaut nach Joe Brace zu rufen, aber ich^ kam nicht so weit ein dickes Handtnch ward mir plötzlich über den Kopf geworfen und scharf angezogen, so daß mein Schädel sehr unsanft an die scharfkantige Bettsäule stieß!

Ich strebte mich zu befreien um­sonst, das Tuch schnürte mich mit zurück­geworfenen Kopf fest an den Pfeiler eine Falte desselben verschloß mir den Mund so sickier wie der beste Knebel und nur mühsam vermochte ich Athem zu holen. Ich zerrte und riß an dem im- provifirten Lasso, denn eine kundige Hand geworfen und geknotet; icb tastete mit den Händen nach rückwärts, um den Knoten zu lösen, aber sofort wurden meine Finger in die dicken steifen Bett­vorhänge verwickelt und als ich den Ver­such machte, die Füße vom Boden empor­zuziehen, um durch das Gewicht meines Körpers den Kopf aus der Schlinge zu reißen, erreichte ich nichts weiter, als daß der Knoten sich noch enger schürzte und mich nahezu erdrosselte!-

Einen Augenblick suchte ich meine Ge­

danken zu sammeln; dann machte ich den Versuch, mittelst der endlich aus den Gar­dinenfalten befreiten Hände die Beine meines unsichtbaren Gegners zu umklam­mern, allein auch diese Hoffnung erwies sich als trügerisch, der Schurke hatte sich wohlweislich gehütet, in den Bereich meiner Hände zu kommen. Aber dennoch segnete ich diesen mißglückten Versuch, denn der­selbe ließ mir ein unschätzbares Etwas in die Hände fallen ein Messer, wel­ches der Räuber vermuthlich auf's Bett geworfen, um bcide.'Hände für seine Ma­nipulation mit dem Handtuch zu gewinnen!

Leider vermochte ich auch mit dem Messer nicht an die Beine meines Geg­ners zu gelangen ich Hütte mir kein Gewissen daraus gemacht, auf's Geraöe- wohl losznstechen und ihm wenigstens die Knieflechsen zu zerschneiden aber unter den obwaltenden Umständen war es sicherer, wenn ich die Waffe, die auch für mich gefährlich werden konnte, un­schädlich mackite. Indem meine Finger über die Waffe glitten, fühlte ich, daß das Messer mit einem Horngriff versehen, mithin also das nämliche war, welches Van Hoek mir gegeben und welckes ich ins Bett gesteckt hatte. Aus die Feder drückend, ließ ich die Klinge in die Scheide zurückspringen und steckte das Messer dann in die Tasche. Ich fühlte meinen Muth auf's Neue schwellen wenn es sich um einen Kampf ohne Waffen handelte, durfte ich kaum befürchten, den Kürzeren zu ziehen, und als nächste Folge der ver­änderten Situation begann ich mit Riesen­kräften an den Bettvorhängen zu zerren. So gewaltig waren meine Anstrengungen daß ich endlich einen Erfolg errang; krachend fiel die schwere Messingstange, an welcher die Vorhänge in breiten Ringen liefen, herab und der Brokatstoff rauschend zu Boden. O, was hätte ich darum ge­geben, wenn die Lampe durch die nieder­fallende Stange zerschlagen worden wäre das Klirren und Prasseln der Glas­splitter hätte vielleicht doch Hilfe herbei­gerufen!

Jetzt machte ich von Neuem den Versuch mit der Linken den Knoten des Handtuchs, welches mich an den Pfeiler fesselte, zu lösen, aber in dem Moment, in welchem ich den einen Zipfel des Tuches erfaßte, ergriff eine knochige Hand die meine und zog dieselbe über meine Schulter empor nach hinten, wo sie festgehalten wurde. Zugleich ward mir ein mit einer Flüssig­keit getränktes Tuch unter die Nase ge­halten und fest angepreßt, so daß einzelne Tropfen durch meinen Schnurrbart herab auf meine Lippen träufelten. (F. folgt.)

Es ist nicht uninteressant, darauf hin­zuweisen, daß die Witterung in diesem Frühjahr fast in allen Stücken derjenigen im Jahre 1865 gleicht. Damals brachte der fietzte Märztag noch einmal einen ge­waltigen Schneefall, wie auch während des ganzen Monats Schneetreiben zu ver­zeichnen war. Aber am 1. April begann eine langandauernde prächtige Witterung, welche sich für das Wachsthum außer­ordentlich segensreich gestaltete, und als die Reben reif waren, wurde ein Wein geherbstet, welcher zu den besten Marken des Jahrhunderts gehörte, denn heute noch stehf der 1865er in hohem Ansehen. Hoffentlich wird das Gewächs des Jahres 1901 ein ebenso gutes wie im Jahre 1865.