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wenigen Tagen wird Lord Roberts aus Südafrika zurück erwartet, der den Krieg offiziell für beendigt erklärt hat. In Wahrheit ist er weniger als je seinem Ende nahe.
London, 3. Jan. Nach Meldungen aus Kapstadt haben sich schon 10000 Kapholländer den in die Kolonie eingefallenen Buren angeschlossen. Präsident Steijn leitet selbst die Invasion in die Kap-Kolonie. Ein Angriff der Buren auf Standerton wird erwartet.
— Der ^Londoner „Star" vom 22. Dezember schreibt: Der Ernst des heutigen Zustandes in Süd-Afrika ergibt sich deutlich aus nachstehendem Auszug aus einem Brief aus Johannesburg. Dieser Brief wurde in der zweiten Woche des November geschrieben und seit der Zeit hat sich der Zustand gewiß eher verschlimmert als ^verbessert. Lord Kitchener ist jetzt Oberbefehlshaber. Die von der militärischen Behörde getroffenen strengen Maßregeln, wie die Verweisung der Buren und die Zerstörung der Bauernhöfe haben den Zustand verschlimmert. Die Buren kämpfen jetzt mit der Verzweiflung und find jetzt viel gefährlicher als zur Zeit der Eroberung von Prätoria. Mit ihrer unvergleichlichen Schlauheit und ihrer äußerst genauen Kenntnis des Landes treiben sie einfach Spott mit allen Versuchen der englischen Offiziere, sie in die Enge zu treiben. Viele Offiziere erzählen nun, daß der Krieg wahrscheinlich wohl noch zwölf Monate dauern wird. Alle vom Feldmarschall bis zum geringsten Soldaten sind den Krieg herzlich müde. Die Offiziere haben ihr Selbstvertrauen verloren, die Soldaten marschieren, nur gezwungen und es verlautet allerlei über die Zufuhr von Lebensmitteln. Im allgemeinen erwartet man ein großes Uuheil für die britische Armee.
New-Aork, 3. Jan. An der mexikanischen Grenze bei El-Passo herrscht große Aufregung über die Entdeckung bedeutender Diamantfelder im amerikanischen Staate Texas.
Peking, 31. Dez. Enhai, der Mörder des deutschen Gesandten Frhrn. v. Ketteler, wurde heute Nachm, um 3 Uhr an der Mordstelle mit dem Schwerte hin- gerichtet.
— Eine Meldung aus Peking, 2. Jan. lautet: Die Präliminarnote verlangte die strengste Bestrafung von 11 Beamten, die mit Namen genannt sind, und außerdem von weiteren Personen, die die Gesandten nennen werden. Aus chinesischer Quelle verlautet, die chinesische Regierung sei nun bereit, Auhsien und Thungfuh- sian zu enthaupten, den Prinzen Tuan lebenslänglich an die nordwestliche Grenze zu verbannen, Chang und den Herzog Lan zum Selbstmord zu zwingen, sowie über 7 andere Prinzen, deren Köpfe ursprünglich verlangt wurden, die schwerste Bestrafung bis zu lebenslänglicher Verbannung an die Nordwestgrenze zu ner- hängen.
Unterhaltendes.
Man muß nur Kredit haben.
Humoreske von Hugo Rößler.
(Schluß.) (Nachdr. verboten.)
Nach einer halben Stunde hatte ich den Check über sünfzehntausend Mark auf das Bankhaus Goldstein u. Comp, in
meinen Händen. Mit diesem Bankhause stand ich übrigens schon dadurch in Verbindung, daß ich von demselben regelmäßig eine kleine, mir von meiner Tante ausgesetzte Summe bezog. Ich schrieb daher an die Herren, daß ich ein größeres Kapital in den Händen hätte, das ich gut anzulegen wünschte, und bat sie um ihren Rath. Tags darauf erhielt ich folgende Antwort:
„Geehrter Herr! Ihr Geehrtes von gestern ging uns gerade zu nach Schluß der Zeichnung für die neue Anleihe, bei der unser Haus stark betheiligt ist. In dem Wunsche, unsere Geschäftsfreunde an dem voraussichtlichen Gewinn, den diese Anleihe bringen muß, theilnehmen zu lassen, haben wir den Betrag von zwanzig Obligationen auf JhrKonto geschrieben. Wenn sie die Summe zu hoch finden sollten, können Sie das Papier mit gutem Nutzen wieder verkaufend Und von der Hand des Chefs stand als Nachschrift darunter: „Wir erfuhren mit Vergnügen von dem Glück, das Ihnen zutheil geworden ist, und hoffen, daß Sie als alter Freund unseres Hauses >uns auch ferner mit Ihren werthen Aufträgen beehren."
Mir wurde beim Durchlesen dieser Zeilen ganz schwindlig, und sogleich schrieb ich deu Herren, daß ich kein Geld aus Jamaika erhalten hätte und es mir unmöglich sei, die für mich eingegangenen Verbindlichkeiten zu erfüllen.
Darauf kam folgende Antwort: „Wir bedauern sehr, daß Sie der neuen Anleihe kein Vertrauen schenken, und haben daher die für Sie gezeichneten Beiträge mit einem Nutzen von ssechzigtausend Mark verkauft, welche Summe auf Ihr Kreditkonto übertragen worden ist. Was Ihr Besitzthum in Jamaika betrifft, so kennen wir die Schwierigkeiten, welche derartige Veräußerungen mit sich bringen. Ihre einfache Unterschrift genügt für uns, Ihnen jede Summe, welcher Sie mittlerweile bedürfen sollten, zur Disposition zu stellen."
Sechzigtausend Mark! Die Summe war für mich ein vollständiges Räthsel, und meine Lage fing an bedenklich zu werden. Ich begab mich daher persönlich zu Goldstein u. Co., wo man mich empfing, als sei ich wirklich im Besitz eines großen Vermögens.
„Es ist bedauerlich," sagte Herr Goldstein zu mir, daß Sie so wenig Vertrauen auf die neue Anleihe hatten, das Papier ist inzwischen im Kurs gestiegen."
„Herr Goldstein," entgegnete ich, „ich habe das größte Vertrauen zu Ihnen; Sie sagten mir in Ihrem Schreiben, Sie hätten die Summe von sechzigtausend Mark mir gutgeschrieben, ich gebe die Anlage dieses Kapitals vollständig in Ihre Hand. Jetzt aber wäre ich Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mir ein paar Doppelkronen vorstrecken wollten, da meine Kasse etwas schwach bestellt ist."
„O, verehrter Herr," erwiderte er eifrig, „befehlen Sie, welchen Betrag sie wünschen. Zweitausend — viertausend Mark — oder mehr?"
„Tausend Mark genügen mir vollständig!" Und mit den klingenden Geldstücken in der Tasche verließ ich in eigentümlicher Bewegung das Bankhaus.
Mittlerweile waren Imeine beiden Freunde nicht wenig bestürzt über den unerwarteten Erfolg ihres Scherzes und
begannen ernstlich zu befürchten, ich könnte wirklich dem Gerüchte von meiner Erbschaft die Sie in ihrem Uebermuthe zu- sammengebraut hatten, Glauben schenken. Mit langen Gesichter» kamen sie nach einigen Tagen in meine Wohnung, die ich noch inne hatte, ehe ich das elegante Garconlogis in der Königstratze bezog, und Habenichts sagte besorgt zu mir:
„Du weißt doch, lieber Max, daß dein Onkel in Jamaika nicht gestorben ist?"
„Ich bin davon keineswegs überzeugt," entgegnete ich ernst, „da ich von seinem Leben durchaus nichts weiß."
„Gut, doch es ist Dir bekannt, daß die ganze Erbschaftsgeschichte nur aus einen Jux hinauslänft. Wir hatten sehr Unrecht und bedauern, zu dem Gerüchte Veranlassung gegeben zu haben."
„Laßt Euch das nicht kümmern, weine Freunde; ich bin Euch im Gegentheil recht dankbar dafür."
„Aber es ist unsere Pflicht, dem zu widersprechen und zu bekennen, wie unüberlegt wir gehandelt haben."
Ohne ihr Zuthun kam die Sache bald genug von selbst an den Tag. Man fing an, sich zu wundern, daß aus Jamaika keine Nachricht einlief, und die verständigen Leute schüttelten bedenklich den Kopf. „Das Lächerlichste dabei ist," sagte der Eine, „daß er jetzt selber an seine Erbschaft glaubt, an der ich von vornherein gezweifelt habe." „Auch ich," sagte Herr Müller hinzu, „obgleich sie mich 15 000 Mark kostet."
Eines schönen Morgens brachte der Briefträger ein halbes Dutzend Briefe, deren Inhalt ziemlich übereinstimmend lautete:
„Ersuche höflichst um gefällige sofortige Berichtigung meines Guthabens, da ich bedeutende Zahlungen zu leisten habe."
Die prompte Berichtigung aller meiner kleinen Schulden machte alle Zweifel über meine Zahlungsfähigkeit zu Nichte. Mein kühles und sorgloses Auftreten bildete jedoch für einige Zeit das Tagesgespräch in manchen Kreisen. „Ist das ein Glückskind!" sagte der Eine. „Das Glück kommt dabei weniger in Betracht," meinte ein Anderer; „er hat sein Spiel gut durchgeführt und gewonnen."
Einige Male kamen mir zwar Gewissensbisse, ich gestehe es; allein bald gelangte ich zu der beruhigenden Ueber- zeugung, daß ich selbst zu dem mich betroffenen Glücke durch etwaiges Vorgeben einer gemachten Erbschaft nichts beigetragen hatte, und daß es nur die Folge der öffentlichen Anbetung des „Goldenen Kalbes" und der unbestrittenen Wahrheit war, daß Kredit so gut ist wie Kapital.
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der Stadt Wildbad. vom 28. Dez. 1900 bis 5. Jan. 1901. Aufgebote.
28- Dez. Metzler, Karl Gottlob, Zimmergeselle von Calmbach, u. Rentschler, Pauline Dienstmagd von dort.
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