— 604 —
lichste Erklärung scheint, die Rede falls das Land auf die Notwendigkeit weiterer' großer Truppensendungen vorbereiten. Kitchener soll der Regierung kategorisch erklärt haben, wenn England das Spiel gewinnen wolle, müsse es Südafrika ganz anders als bisher mit Truppen füllen.
— Man berichtet aus London: Zu der bevorstehenden Weihnachtsvorstellung von „Aschenbrödel" im Londoner Hippodrom ist ein wunderbarer Pantoffel angefertigt worden, der über 2000 Mk. kostet. Er besteht aus tausend abessinischen Diamanten von gleicher Größe, die in Silber gefaßt sind. Der Pantoffel ist so schön, daß das wirkliche Aschenbrödel sich gar keinen zierlicheren hätte wünschen können. Von allen Seiten bricht sich das Licht in den Steinen. Von ebenso großer Bedeutung ist natürlich die Kutsche, die ganz aus Glas hergestellt und von 1500 Glühlichtern erleuchtet wird. Diese kostet 20000 Mk. Wenn alle Glühlichter brennen, ist die Kutsche buchstäblich ein feuriger Wagen. Sie wird von sechs reizenden Ponies gezogen, die reich mit rotem Saffianlederzeug aufgezäumt sind und von sechs Postillonen iu Silber und Weiß geführt werden. Sechs Bediente iu Silber und Weiß folgen. Die Livreen kosten durchschnittlich 1200 Mk. pro Stück, und die ganze Vorstellung, in der über 400 Personen auftreten, verursacht einen Kostenaufwand von 200000 Mk.
Kapstadt, 20. Dez. Die Lage in der Kapkolonie ist durch das Eindringen von 2000 Buren über den Oranjefluß ernster geworden. Es besteht die ernste Besorgnis, daß die holländischen Burenfreunde sich anschließen und den Aufstand ausbreiten werden. Nachdem der beste Teil der britischen Kavallerie außer Gefecht gesetzt oder durch Pferdemangel bewegungslos geworden ist, macht sich das Fehlen von ausgebildeten berittenen Truppen schwer fühlbar. Die besten Kenner des Landes betonen, es sei absolut notwendig, alle irgend verfügbaren berittenen Truppen sofort nach Südafrika zu senden.
MntevHcrttenöes.
Von der Landstratzh.
Weihnachts-Erzähl. von Maximilian S chmi d t.
(Schluß) (Nachdr. verboten).
Die Försterin saß schweigend neben ihm, sie wollte den Kleinen in seinem Gedankenlaufe nicht stören; sie wollte ihn sich selbst möglichst zurecht finden lassen.
Nun aber war das Forsthaus erreicht. Der Förster, ein echter gemütlicher Waidmann, stand mit dem siebenjährigen Töchterlein Afra vor der Thür; sie erwarteten mit Sehnsucht Frau und Mutter und begrüßten sie herzlich. Als sie ins Haus eintraten, blieb Felix, von dem man anfangs gar keine Notiz genommen, vor der Thüre stehen. Die Försterin rief aber jetzt der herbeigeeilten und sie gleichfalls begrüßenden Magd zu:
„Greti, führ' das Büberl in die warme Küch' und gieb ihm etwas zu essen; ich komme dann schon selbst. Felix geh' nur einstweilen mit der Greti."
Felix merkte recht wohl, daß jetzt über sein Schicksal entschieden würde. Ob wohl der Förster ebenso barmherzig;ein würde, wie seine Frau? Ob man ihn dabehielte
oder ob er wieder fort müsse? Und wohin? Und — und —. Er sann und sann und blickte durchs Fenster nach den immergrünen, hohen Fichten und Tannen, und neue Gedanken durchbrachen da die Schichte, die sein junges Herz mit Trauer und Schmerz umhüllt und er sagte laut:
„Ach, wie müßt das schön sein, im Wald herin leben dürfen!"
„Iß doch, Büberl!" mahnte ihn jetzt Greti, die ihm bereits einen Teller voll warmer Suppe hingestellt hatte. „Feld- mann, marsch dich!" jagte sie den unter dem Tische liegenden Hand weg.
„Laßt's den Hund nur da," sagte Felix. Ich Hab' die Hund so viel gern." Dabei streichelte er zärtlich den ihn mit seinen treuen, klugen Augen anblickenden Jagdhund am Kopse. Nachdem er dann einige Löffel voll Suppe zu sich genommen hielt er inne und fragte die Magd: „Ist der Herr Förster bös?"
„Der Herr Förster? Gott bewahre! Das ist ein kreuzbraver Mann. Aber was hat das mit Deiner Suppen z'thun?"
„Ir no' i fürcht halt recht, der Herr Förster zankt mit seiner Frau, daß' st mi herbrachr hat und — schickt wi wieder fort — und i war so gern do blieben."
„Deshalb schmeckt Dir Dei Suppen nil?" fragte die Magd.
Felix nickte bejahend.
Inzwischen war aber der Förster cingetreten und hatte die Rede des Knaben vernommen. Die Försterin, welche ihn kurz von allem unterrichtet, sowie das Töchterchen folgten ihm auf dem Fuße.
So sagte er jetzt zu dem Knaben:
„Iß nur Dei Suppen! Du darfst schon dableiben, und sollst es gut bei uns haben."
Felix war aufgesprungen. Sprechen konnte er nicht; ersküßte nur dem Förster und seiner Frau unter Thränen die Hände. Auch die kleine Afra reichte ihm die Hand zum Willkomm und sagte wie tröstend zu ihm:
„Ich laß Dir heut die schön' Spielsachen sehn, die mir's Christkindl bringt."
„Es wird dem Felix auch etwas bringen," versicherte der Förster.
„Mir?" fragte der Knabe, und sich seines Traumes erinnernd, setzte er traurig hinzu: „Ja mei' Traum, wenn der in Erfüllung gegangen war!"
„Wer weiß's!" entgegnete die Försterin. „Tröst Dich nur, Büberl, alles wird noch gut werden für Dich."
Den Nachmittag durften die Kinder nicht in der Stube, sondern nur in der Küche verbleiben, denn dort richtete der Förster mit seiner Frau den Christbaum zurecht. Afra erzählte mit strahlenden Augen dem Knaben von der Herrlichkeit einer Ehristbescheerung, aber Felix machte sich nur eine unvollkommene Vorstellung davon.
Als es dunkel geworden war hörte man vor dem Hause ein Glöcklein ertönen hell klingend, — der Ton kam näher, und näher, bis er vor der Wohnstube per- stummte.
„Ah!* rief Felix. „Vielleicht bringt mir's mei Mutterl vom Himmel runter mir is, als wär's in meiner Näh."
„Deine Mutter macht vielleicht das Christkindl und bringt Dir auch schöne Sachen," meinte Afra wichtig.
„Meinst Du?" fragte Felix in kind
lichem Glauben und es überrieselte ihn ein glücklicher Schauer. „Kann i's sehn?"
„Seh'n kannst Du's nicht," belehrte ihn Afra, „aber waS sie Dir bringt, wird Dich freuen."
„Das Gespräch der Kinder wurde plötzlich unterbrochen, denn es öffnete sich die Thür und aus dem Wohnzimmer ertönte neuerdings das Glöcklein.
„Schnell sollt's in d' Stuben kommen," rief Greti.
Das ließen sich die Kinder nicht zweimal sagen nnd im nächsten Momente standen sie sprachlos vor Erstaunen vor dem mit unzähligen Lichtern, goldenen und silbernen Nüssen, rotbackigen Aepfeln, buntfarbigem Konfekte geschmückten Christbaum. Felix blickte um sich, ob er seine Mutter nicht sehe, da begegnete er dem freundlich blickenden, wahrhaft mütterlichen Gesichte der Försterin. Sie nahm ihn bei der Hand und führte ihn zum Tische hin, wo auch für ihn eine Menge Sachen lagen, welche sie als sein bezeichnete.
„Js!s wahr, hat mei' Muatterl für mi das alles bracht?" fragte Felix mit leuchtenden Augen.
„Dei Mutterl ist im Himmel beim Christkind, wo's ihr gut geht," versetzte die Frau. „Aber sie hat den Traum, von dem Du mir erzählt hast, in Erfüllung bracht, denn ich bin's, die von nun an Mutterstelle an Dir vertreten will. Sei brav und fleißig, unv es wird Dir an nichts fehlen."
So viel Weh und wieder so viel Glück an einem Tage — Felix konnte es kaum fassen. Er war bald im eifrigen Spiel mit der kleinen Afra, die an dem neuen Hausgenossen großen Gefallen fand.
Nachdem bie Kinder zu Bette gegangen, trank der Förster mit seiner Frau den üblichen Weihnachtspunsch. Er erhob das Glas und sagie: „Stoßt an mit mir auf das Glück unseres Töchterchens!" Wie eine Ahnuug durchzuckt mich ein Gedanke. Heute ist eine Rauhnacht, da steht die Zukunft offen. Laß uns auf eine glückliche Zukunft trinken!"
Die Gläser gaben guten Klang.-
Der Förster hatte richtig geahnt. Felix machte seinen Pflegeeltern in jeder Weise Ehre. Durch ihre und eine erkleckliche Staatshilfe ward dem talentvollen Felix das Studium und der Besuch der Forstakademie ermöglicht, die er mit der ersten Note absolvirte. Nach seiner ersten Anstellung holte er sich — nicht ans Dankbarkeit, sondern aus gegenseitiger Herzensneigungseine Jugendgespielin Afra, des Försters Töchterlein, zur Frau und lebt zur Zeit als tüchtiger und angesehener Forstmeister in zufriedenen, glücklichen Verhältnissen, zur Freude der braven, nun alternden Schwiegereltern, die mit dem glücklichen Paare stets gemeinsam 'Weihnachten feiern, in pietätvoller Erinnerung an jenen ersten, für alle so folgenreichen heiligen Christabend. — —-
Der gemütliche alte Förster erzählte mir jüngst diese Geschichte und schloß, seine Alte bei der Hand nehmend, mit den Worten:
„Meine Alte hat mit dem armen Büberl das Glück unseres Haüses von der Landstraße aufgelesen und das Sprichwort hat sich wieder als wahr bewährt: Wer sich erbarmet fremder Not, Den segnet auch der liebe Gott!