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Finanzlage des Reiches in ausführlicher Weise und kommt dann zum Schlüsse, daß die ihm von allen Seiten empfohlene Sparsamkeit nicht gut verwirklicht werden könne, nachdem der Reichstag sich auf fünf Jahre hinaus die Hände gebunden hat. Liebermann v. Sonnenberg spricht seine freudige Genugthuung aus darüber, wieder einen leibhaftigen Reichskanzler zu haben mit Fleisch und Bein, an dem man sich halten könne und der sich wehrt, wenn man ihn angreift. Redner dankt dem Reichskanzler, daß nicht Etiketten- fragen den Empfang Krügers verhinderten. Deutschland habe in dem Kriege nicht strikte Neutralität gehalten. Es sei eine Blamage für Europa, daß es nicht gegen­über dem schmachvollen Verhalten Englands ein Verurteilung aussprechen konnte. Zu einem glücklichen Ende kommen wir nur unter der Devise: Los von England. Rickert: Die Nachrichten von großen Aus­gaben für neue Gewehre sind, soviel ich glaube, unrichtig, ich wäre aber dem Kriegsminister sehr dankbar, wenn er dies bestätigen würde. Es wird immer von der Not der Landwirtschaft geredet, aber man bekommt kein klares Bild. Der Grundbesitz habe ein weit höheres In­teresse an der Viehhaltung als am Körper­bau. Wegen einer kleinen Grnppe von Interessenten darf nicht die große Masse des arbeitenden Volkes mit einem Brot­wucherzoll belastet werden. Der Nicht­empfang Krügers in Berlin war korrekt und geboten. Bismarck hat auch den Grundsatz gehabt, mit England ein gutes Verhältnis zu unterhalten. Die deutsche Volksvertretung darf die deutsche Regierung nicht im Stiche lassen. Kriegsminister v. Goßler erklärt, vor einiger Zeit war in den Zeitungen die Rede von einem skan­dinavischen Gewehr mit einer automati­schen Ladevorrichtung. Um auf dem Laufenden zu bleiben, haben wir uns mit dem Erfinder in Verbindung gesetzt, der uns zusagte, uns eine Probe des Gewehres zu liefern. Diese traf aber bisher nicht ein. Wie wir damit eine Division be­waffnen sollen, weiß ich nicht. Auch neue Probegeschütze sind bei uns von Eckardt nicht eiugegangen. Hasse (nat. lib.): Ich kann dem Abg. Richter nicht den Svaß machen, gestiefelt und gespornt in die Arena zu reiten. Ich finde die Trans­vaalangelegenheiten garnicht spaßhaft. Tie Darstellungen von dem Vorgang der Adreßüberreichung des Alldeutschen Ver­bandes an Krüger in der Kölm Ztg. waren irrig. Wir hätten die Adresse am liebsten in Berlin überreicht; unsere Schuld ist es nicht, daß wir ins Ausland gehen mnßten. Was der Abg. Bebel über die Vorgänge in Köln gesagt hat, unterschreibe er ganz. Redner bespricht die letzte Rede des Reichskanzlers und fragt, ob die Neutralität immer innegehalten werde. Habe doch ein Schiff der Wörmannlinie englische Soldaten befördert! W r wollen nicht zu einem Krieg gegen England Hetzen, wir wollen nur, daß Krüger hier ebenso empfangen werde wie in Holland. Die Franks. Ztg. meint, daß das deutsch­englische Abkommen gegenstandslos ge­worden sei durch den Vertrag zwischen England und Portugal und daß wir die Buren umsonst im Stich gelassen haben. Wir seien hier wieder wie schon früher von England übers Ohr gehauen worden. Der Reichskanzler meinte, ein Empfang

in Berlin hätte Krüger nichts genützt; ich bin derselben Meinung, es fragt sich aber, ob wir uns nicht selbst genützt hätten, wenn wir dem alten Herrn im Unglück die Hand gedrückt hätten und nicht Leuten, wie Cecil Rhodes, dessen Hand, wenn auch vergoldet, doch beschmuzt bleibt. Es handelt sich um die Zukunft Süd­afrikas ; es wäre für uns günstiger, wenn die Buren in ihrer Freiheit blieben. Reicbskanzler Graf Bülow gibt gegenüber dem Abgeordneten Hasse nochmals eine Darstellung des Sachverhalts und betont, daß seitens des englischen Hofes und der englischen Regierung weder an den Kaiser noch an ihn irgend ein Wunsch oder An­trag herangetreten sei. Im einzelnen führt Bülow aus, seine verantwortliche Stellung lege ihm die Pflicht auf, sich lediglich von der Staatsraison leiten zu lassen und auf der torra tirma der Wirk­lichkeit zu bleiben. Er sei überzeugt, daß der Abg. Hasse, wenn er an seiner Stelle stünde und die Welt und Europa so könnte wie er, genau dieselbe Politik machen würde. Das deutsch-englische Ab­kommen enthält keine Bestimmung, die sich auf einen Konflikt Englands mit den südafrikanischen Republiken bezöge. Das Telegramm von 1896 erfolgte, als ein Flibustierunternehmen, nicht aber ein Krieg zwischen zwei Staatswesen zu Ende war. Jedenfalls ließ dieses Telegramm uns keinen Zweifel darüber, daß wir im Fall eines Konflikts mit England allein auf unsere Kraft angewiesen sein würden. (Hört! Hört!) Von einer Preisgebung der Buren könne keine Rede sein, weil wir nnr die deutschen Interessen in der Welt zu wahren haben. Sich für die Interessen fremder Völker einzusetzen, mag menschlich ein schöner Zug sein, politisch jedoch ist es ein Fehler, der sich in der Vergangenheit oft genug gerächt hat. Der Reichskanzler schließt: So lange ich hier stehe, muß ich den Frieden und die Wohlfahrt des deutschen Volkes gegen alle Störungen und Gefahren in Schutz nehmen, von welcher Seite sie auch kom­men mögen, wie das meine verdammte Pflicht und Schuldigkeit ist.

Haag, 12. Dez. Das Reuter'sche Bureau ist von der Gesandtschaft der südafrikanischen Republiken ermächtigt wor- ven, förmlich zu erklären, daß das in einigen Blättern verbreitete Gerücht, der Kaiser von Rußland habe dem Präsidenten Krüger telegrafirt, er werde ihn nicht empfangen, jeder Begründung entbehrt.

Altona, 10. Dez. Bei der Dia­manthochzeit des Ehepaares Paulsen, die dieser Tage hier gefeiert wurde, wurden, dem Berl. Tagbl. zufolge, die Teilnehmer an der jJubelfeier dadurch sehr überrascht, daß die Jubilarin (Frau Paulsen), eine 78 Jahre alte Frau, von den verschiede­nen Speisen und Leckerbissen bei der Tafel nichts anrührte, sondern sich ledig­lich Milch und Zwieback reichen ließ, wo­von sie ein gut Teil genoß. Wie sie selbst erklärte, hat sie seit 18 Jahren nur von Milch und Zwieback gelebt und sich dabei bis heute sehr wohl gefühlt. Da­gegen gehört seit 30 Jahren zu ihren unerläßlichen Lebensbedürfnissen die lange Pfeife, ans der sie bei der Festtafel mit vielem Behagen stundenlang schmauchte.

Einer Meldung de?,Gaulois" von hier zufolge wird sich Holland nicht vor der Vermählung Ser Königin der

Sache des Präsidenten Krüger annehmen und dann nur im Einverständniß mit dem französischen und russischen Kabinet.

Petersburg, 8. Dez. Der Groß­fürst-Thronfolger erhielt ein Telegramm von der Kaiserin, in dem diese ihm ab­rät, nach Livadia zu kommen, da das Befinden des Zaren so günstig sei, daß der Zar hoffe, bereits am 28. Dezember nach Petersburg reisen zu können; jeden­falls hoffe das Zarenpaar bestimmt, Weih­nachten in Petersburg feiern zu können, und rieten die Aerzte von einem längeren Aufenthalte in Livadia ab.

London, 13. Dez. Den gestern Abend im hiesigen Kriegsamt eingelaufenen Nachrichten zufolge ist es De Wet gelungen, trotz der Anstrengungen der Engländer den Caledonfluß zu überschreiten. De Wet überschritt den Fluß zwar nicht vor Smithfield, sondern etwa 20 Meilen weirer nördlich. Er befindet sich augenblicklich in Helvetia und scheint sich nach Redders- bnrg begeben zu wollen. Im Kriegsamte glaubt man, daß Dewet sich in vollstän­diger Sicherheit befindet.

In der Person des Mr. Donald Couts Gordon, so wird aus Brisbane in Queensland (Australien) geschrieben, ist dieser Tage ein Mann gestorben, der durch ein eigenes Mißgeschick sich eine der reichsten Goldminen der Welt ans den Händen schlüpfen ließ. Als sich das Heer der ersten Goldsucher nach Australien wandte, hatte Mr. Gordon aus Banff- shire in Schottland sich unter dem Vor­trupp befunden und nach verschiedenen Abenteuern mit seinem letzten Gelde einen 17 Meilen von Rockhampton gelegenen Anteil erworben. Da aber sein Schürfen und Graben nach dem kostbaren Metall keine nennenswerten Resultate zeitigte, so war er froh, als er in den Brüdern Frederick und Thomas Morgan Käufer fand, die ihm für den Morgen Landes ca. 20 Mark nach unserem Gelde zahlten. Wenige Tage nach dem abgeschlossenen Handel gelang es den neuen Besitzern, eine der ertragreichsten Minen jenes ganzen Distrikts bloszulegen, die sie in der Folge für die kolossale Summe von siebzehn und einer halben Million Mark an ein Konsortium verkauften. Diese sogenannte Mount Morgau-Gvldmine ist heutigen Tages die reichste in ganz Austra­lien, und ihre Anteilhaber haben im Laufe der Zeit bereits mehr als 100 Millionen Mark an Dividenden aus ihr gezogen. Ihr unglücklicher erster Ent­decker Mr. Donald Couts Gordon ist nun in einem kaum eine Meile von dem ihm entschlüpften Dorado entfernten Hospitale in bitterster Armut gestorben.

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der Stadt Wildbad. vom 6. bis 14. Dez. i960. Gestorb'ene:

12. Dez. Waidelich, Johann Jakob, Holzhauer von Nonnenmiß, Gemeindebezirks Wildbad, 70 Jahre alt.

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