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Nr. 14-S
Scrrnstcrg, 15. Dezember: 1900
86. Jahrgang.
Runvfchau
Stuttgart, 11. Dez. Bei der heutigen Wahl zum Bürgerausschuß sind die sozialdemokratischen Kandidaten unterlegen.
Stuttgart, 10. Dez. In der heutigen Nachmittagssitzung der evang. Landes- synode fand die erste Beratung über den Entwurf eines kirchlichen Gesetzes betr. eine neue Ausgabe des Spruch- und Liederbuchs für die evang. Volksschulen des Königreichs Württemberg statt. Nach Erwähnung des eingelaufenen Anträge erstattet Dekan Dr. Köstliu den Bericht der Commission. Er prüft zunächst die Frage, ob die Synode in die Reduktion des Memorierstoffes mit Beschlüssen, die auch für die Behörde bindend wären, einzugreifen oder ob dieselbe sich nur in einer begutachtenden Weise darüber zn äußern habe. Letzteres wird vom Berichterstatter bejaht. Sodann geht er auf die die Reduktion empfehlenden Gründe näher ein. Er betont, daß die Lehrer und Schulaufseher die gegenwärtig zu bewältigende Aufgabe für zu schwierig halten. Die Kommission entschied sich im wesentlichen durchaus für den vorliegenden Regierungs-Entwurf, der die bisher gelernten Sprüche von 350 auf 275, die Lieder von 35 auf 32 herabsetzt. Mitberichterstatter Renz ist gleichfalls trotz ernster Bedenken für den Regierungs- Entwurf. Doch ist er entschieden der Ansicht, die Reduktion solle die letzte sein.
Stuttgart, 10. Dez. Heute vormittags 11 Uhr fand die feierliche Einweihung des neuen Gebäudes der würt- tembergischen Sparkasse statt. Dieselbe liegt gegenüber dem alten an der Ecke der Schelling- und Kanzleistraße. Um 11 Uhr kamen der König und die Königin an und wurden von dem Vorstande empfangen. Hofrat Storr hielt eine Ansprache an die Majestäten und dankte Ihnen für Ihr Erscheinen. Hierauf gab der König seiner Freude Ausdruck, sich persönlich von dem Gelingen des Werkes überzeugen zu können und sprach seinen Dank der Vorstaudschaft aus für deren Verdienste um die Anstalt. Des Königs Wünsche begleiteten das Institut auch für die Zukunft. Der König erklärte, sodann das Gebäude für eröffnet. Hieraus erfolgte ein Rundgang durch die Räume des neuen Hauses. Der König sprach seine hohe Befriedigung über das Gesehene aus.
— Für den gesteigerten Päckereiver- kehr vor Weihnachten sind von der Postverwaltung besondere Vorkehrungen durch Vermehrung der Beförderungseinricht- ungen, der Arbeitskräfte rc. getroffen. Im Zusammenhang damit wird den Aufgebern von Postpacketsendungen, wenn sie auf deren rechtzeitige und unversehrte Ankunft rechnen, dringend empfohlen, die Einlieferung zur Post nicht erst in den letzten Tagen vor dem Christfest, sondern möglichst frühzeitig zu bewirken, auch die Sendungen fest und dauerhaft zu wer- packen und mit einer deutlichen, vollständigen, haltbar befestigten Aufschrift zu versehen. Die Emlieferung sollte ferner nicht erst kurz vor Schalterschluß, insbesondere in Stuttgart nicht erst um oder nach 7 Uhr Abends geschehen. Die Zulässigkeit der Vereinigung mehrerer Packele zu einer Packetadresse ist über die Dauer des bevorstehenden Weihnachtsverkehrs vom 15. bis 25. Dezember ds. Js. sowohl im deutschen Wechselverkehr, als im inneren württembergischen Verkehr aufgehoben.
— Der Landesausschuß der Volkspartei macht bekannt, daß er es für geboten erachte, daß bie Parteigenossen in den Stichwahlen ihre Stimme entschlossen für den Sozialdemokraten abgeben.
Neuenbürg, 9. Dez. Die hies- bürgert. Cvllegien beschlossen in ihrer gestrigen Sitzung den projektierten Turnhallebau im Lauf des nächsten Sommers zur Ausführung zu bringen.
— Dem Berliner „Vorwärts" schreibt man: „Einem Norweger ist es gelungen, ein neues Gewehr zu erfinden, das sowohl hinsichtlich seiner genialen Konstruktion, als auch der Durchschlagskraft seiner Geschosse alle anderen Systeme übertrumpft. Mit dem neuen Mordinstrument wurden im deutschen Lehr- Infanterie- Bataillon eingehende Versuche angestellt, die ein dermaßen „glänzendes Resultat" ergaben, daß, wie von durchaus vertrauenswürdiger Seite versichert wird, der Kaiser befohlen habe, eine der Divisionen des hannoverschen 10. Armeecorps probeweise damit auszurüsten. Die Erfindung ging vor kurzem in den Besitz eines Konsortiums internationaler Kapitalisten über, unter denen sich u. a. auch die Rothschilds befinden. Einer der Hauptteilnehmer ist ferner der Geheimrat Ehrhardt in Düsseldorf, in dessen Fabriken die Waffen hergestellt werden sollen.
Berlin, 11. Dez. (Reichstag.) Etatsberatung. Abg. Bebel (Soz.) geht aus die Ausführungen des Schatzsekretärs ausführlich ein und verbreitet sich zunächst über die rückläufige Wirtschaftsbe- wegung, deren Folge im nächsten Jahre erhebliche Mindereinnahmen mit sich bringen dürfte, während die Ausgaben sich immer mehr erhöhten. Redner kritisiert besonders die Marine- und Militär- Ausgaben und schildert die Finanzlage als eine sehr traurige. Das Centrum macht Redner verantwortlich für die Verschwendungswirtschaft. Bezüglich der Transvaalfrage erinnert Redner an das Telegramm des Kaisers an Krüger anläßlich des Jameson-Einfalls. Daß Krüger in Berlin nicht empfangen^ worden sei, müsse auf die Buren den Eindruck der Treulosigkeit machen. In einer Amsterdamer Zeitung sei der Ausspruch zu lesen: „Die Deutschen fürchten Gott und ihre Schwiegermutter". Redner geiselt eingehend die Zollerhöhungspolitik, ihre Conse- quenzen für unsere internationalen Ver- kehrsbeziehungeu und unsere Arbeiter. Weiter berührt Redner die 12000 Mark- Affaire und fragt, wann Graf Posadowsky Kenntnis von der 12 000 Mark-Angelegenheit erhielt und wie die Summe ausgegeben wurde u. s. w. Auch über angebliche Bestellungen auf ein neues Gewehr richtet er Fragen an die Regierung und berührt alsdann noch die sozialen Kultur- anfgaben des Reiches. Staatssekretär Posadowsky erklärt in Bezug auf die 12000 Mark-Affaire, daß er die Verantwortung trage für Alles, was in seinem Amt geschehen sei. Jenes Gesetz war nicht für dieMrbeitgeber, sondern für die Arbeiter gewesen. An den Zentralverband habe man sich deshalb gewandt, weil er ein großes Interesse daran gehabt habe, daß die Massen durch amtliches Material aufgeklärt würden. Der betreffende Beamte habe übrigens die höchsten sozialpolitischen Verdienste. In Bezug auf die Sozialpolitik sei durch die letzten Reformgesetze schon viel geleistet. Abg. Kardorff (Rp.) wirft Bebel Größenwahn vor und tritt sodann den Ausführungen Bebels entgegen. Abg. Richter (freist Volksp.) wendet sich gegen Posadowsky in der 12 000 Mark- Affaire. Private Gelder dürften nicht ohne Wissen und gegen den Willen des Reichstags genommen werden. In der Transvaalfrage billigt Redner den Standpunkt des Reichskanzlers. Redner bespricht in seinen weiteren Ausführungen die