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Werke sei, der auf den thatsächlichen Rück-! zug der Mächte und eine entsprechende Einbuße ihres Ansehens bei den Chinesen hinauslanfe. Der Berichterstatter der Morning Post bemerkt: Nachdem die Politik des Zurückweichens einmal be­gonnen hat, herrscht ein wahrer Wett­kampf unter den Mächten, um den Chine­sen durch Zugeständnisse entgegenzukommen. Europa hat bereits so viel Ansehen ver­loren, daß mehr oder weniger Nachgiebig- keitseineDemütigung kaum verschärfenkann.

Unterhaltendes.

Der weiße Hirsch.

Eine, Erzählung von Adelheid von Rothenburg geb. v. Zastrow. (Forts.)

»Ich sah, während ich mit den Kin­dern hinter den Felsen stand, um einen nächtlichen Konzertgeber zu belauschen, einen Mann stürzen, u. ich vermute, ich fürchte"

Der Oberförster gab keinen Laut von sich, aber er ließ die Verhafteten fahren, als ob sie gar nicht mehr vorhanden wären und eilte das Plateau hinauf, dessen Anblick ihm die aufgehäuftenStein- massen entzogen hatten.

Rührt Euch nicht oder ich schieße euch nieder wie tolle Hunde", sagte der Fürst gebieterisch und er zog ein Pfeif­chen hervor, welches er an die Lippen setzte. Schrill und lang gellte der Pfiff und unten am Fuß des Berges, wo sie, mit Windlichtern versehen, der fürstlichen Herrschaft gewartet, setzte sich die Diener­schaft in Bewegung.

Hildebrand hatte unterdessen das Platean erreicht in demselben Augenblick, als der weiße Hirsch, aufgeschreckt durch die nächtliche Störung, iw Hintergründe erschien, aber nicht diesem galt seine Eile. Mit einem tiefen Stönen, welches er vergebens zu unterdrücken strebte, kniete er bei dem Sohne nieder. Der hatte die Augen noch einmal geöffnet, er sah den weißen Hirsch wie ein Traumbild an sich vorüberziehen.

Er lebt," flüsterte er, und lächelte der Geliebten zu, die sich noch immer ratlos über ihn beugte, es war als wollte er sagen:Es genügt mir, daß ich dahin muß, um dir den Liebling zu erhalten," aber der Oberförster hatte keine Zeit für dergleichen zarte Dinge, seine Hände zitterten ein wenig, als er den Rock des Sohnes ausknöpfte; da war das Kopf­tuch der Bäuerin, ganz in Blut getränkt! Jetzt kam auch vom Fürsten gesendet, einer der Diener mit Licht. Nun entdeckte Hildebrand auch die Wunde.Rüdiger mein Junge, hieran stirbst du nicht. Gott sei gepriesen!" Und in dieses laute Preisen und Danken mischte sich das stille Weinen des jungen Mädchens.

Dieandere" war unterdessen auch näher getreten. Hast du nicht gehört?" flüsterte sie liebevoll der ganz Erschütter­ten in das Ohr,er wird leben, und es ist besser, wir sorgen für seine Pflege, als daß wir hier stehen und weinen, Was ist näher von hier aus, Schloß oder Mühle?" wendete sie sich an den Diener, welcher dem Oberförster mit dem Wind- licht leuchtete.

Die Mühle, Durchlaucht!"

Jetzt erhob Rüdiger wie in Bestürz- ung den Kopf, und die Prinzessin- denn das war nun doch dieandere," neigte

sich zu ihm. Sie war auch sehr schön, aber sie war nicht die Einzige, welche ihr liebes holdes Angesicht verhüllt hatte.

Sie verzeihen einer übermütigen Mädchenlaune den Scherz, welchen wir mit Ihnen getrieben," sagte sie weich und zugleich schelmisch, sie ist nur die Hofdame und Jugendfreundin der Durchlaucht, u. die Durchlaucht lag im Pavillon hinter der Gardine verborgen und gebot der Hofdame, auf den Scherz, den der Zufall geschaffen, einzugehen. Als dann der bit­terste Ernst sich entwickelte, hielt ich es erst recht für geraten, daß meine Hilde­gard in ihrer Rolle verharrte, denn ich glaubte, daß nur eine Prinzessin in Ihren Augen das Recht besitzen dürfte, Diamant­ringe zu verschenken. Ich hoffe, daß sie da­rum nicht weniger respektiert werden wird!"

Ans Rüdigers Gesicht wechselte flam­mende Röte mit tätlicher Blässe, ein nener Blutstrom drängte aus der Wunde, die zum Glück kein edles Organ berührte.

O da bin ich unvorsichtig gewesen," klagte die Prinzessin, und sie reicbte ihr eigenes feines Tuch, welches der Ober­förster alsbald zum Verbinden benützte.

Papa" rief sie dem Fürsten zu, wel­cher unterdessen den Transport der Ver­brecher nach dem Schloß bewerkstelligt hatte,laß rasch eine Bahre Herstellen, wir müssen ihn nach der Mühle schaffen, denn dies ist Las nächste Haus. Hört man doch das Rauschen des Baches bis hierher."

Das war mit Hülfe des Oberförsters und der Leuie rasch gethan. Von frischen Zweigen ward sie geflochten und Rüdiger auf den Shawl der Prinzessin gebettet. Der Fürst und der Oberförster leiteten den Transport, und wie letzterer seinen Landesherrn so stämmig die höchsteigene Schulter unterschieben, und überall mit zugreifen sah, wo es not that, klopfte sein Herz tief undEs giebt noch Liebe und Treue im deutschen Reich," dachte er be­wegt. So ging es behutsam und rasch den Berg hinab und die beiden Damen, welche den Fürsten nicht verlassen wollten, folgten.

Es ist die rührendste Geschichte, welche ich jemals erlebte, flüsterte die Prinzessin ihrer Begleiterin zu,aber ich habe nun auch genug von der Romantik. So weit darf es nicht kommen! Ich lasse mir das in Büchern gefallen, aber wenn in Wirklichkeit das Blut des Helden einem warm über die Finger läuft, dann hört die Poesie auf!"

Die hört nie auf, wo er ist," hauchte Hildegard von Stetten.

Du meinst, weil er ein so ächter deutscher Mann ist? Da magst du recht haben, aber unser Roman bedarf noch vielfacher Auflösung. Das weiß doch noch keiner von ihnen, daß du deiner Johanne Cousine und schon einmal in der Mühle gewesen bist, um deiner lieben verstorbenen Mutter Auftrag zu erfüllen. Ebenso, daß wir im Stillen für ihres Mannes Be- gnadigungwirkten.DaskröntnundasGanze.

Sie langten jetzt bei der Mühle an, aber die lag nicht in solcher Ruhe, wie man es zu dieser Stunde erwarten konnte, Lichter zeigten sich hinter den Fenstern, eine barsche Stimme kommandierte und am Eingang, von einem Gensdarmen be- wacht, stand Robert, das Haupt auf die ! Brust gesenkt. (Schluß folgt.)

Vermischtes.

Der Tenorist Alfred Ritters Haus hat in der letzten Zeit in pfälzischen und elsässischen Städten Konzerte veranstaltet. Ein solches war vor einigen Tagen auch in Zweibrücken angekündigt, fand jedoch nicht statt, was den Sänger veranlaßte, an denPfälz. Merkur" folgendes Schrei- ben zu richten: Sehr geehrter Herr Re­dakteur! Wenn Sie diese Zeilen erhalten, habe ich den Staub Zweibrückens bereits von meinen Füßen geschüttelt. Bis gestern abend waren zu meinem Konzerte sage und schreibe 5 Karten verkauft, Pardon, nicht einmal verkauft, sondern nnr vor­gemerkt. Zum Einsiedler habe ich'weder Talent noch Neigung, und es geht mir wie der Natur: Ich habe auch meinen korror vueui!" Jedes Publikum hat die Kunst, die es zu haben verdient, und so wünsche ich den Zweibrückern ein prächtiges Varists. Ich bin überzeugt, daß Herr Bulß, der ja auch so trübe Erfahrungen machen mußte, meinem Wunsche beistimmen wird. Mit vorzüg­licher Hochachtung Ihr ergebener Alfred Ritterhans." Der Sänger drückte sich höflicher aus, als der Charakterspieler Kläger, der, nachdem er zweimal vor schlechtbesetztem Hause in Osnabrück ge­spielt hatte, am lehren Gastspielabend zu spät und in schwankender Haltung anf- trat. Als das Publikum zischte, gab er folgende Erklärung ab:Wenn ein Künstler wie Klager in einem Nest wie Osnabrück gastiert, muß er entweder ver­rückt oder betrunken sein; ich habe das letztere gewählt."

Ueber das geologische Alter der Erde sprach der bekannte Forscher I. Zoly auf dem 8. internationalen Geologen- Kongreß 1900 zu Paris und führte etwa aus: Das geologische Alter der Erde kann aus dem Salzgehalt des Meeres berechnet werden. Der Natrongehalt des Ozeans ist aus den Gesteinen gelöst wor­den und nach Jolys Untersuchungen brauchten die Wasserläufe unter den heu­tigen Bedingungen 90 bis 100 Millionen Jahre, um dem Meere seinen heutigen Natrongehalt zuzuführen.

Um den Provinzgastwirten, die die Weltausstellung besuchten, einen nütz­lichen Wink zu geben, hatte derTonring- Club" in der Hygieineausstellung ein hygieinisches Zimmer hergestellt, das in Zukunft bei Neueinrichtungen als Muster dienen soll. Ein solches Zimmer muß wenigstens drei Meter Höhe und Länge und fünf Meter Breite haben; so viel Cubikmeter Luft erheischen die mensch«. lichen Lungen; es enthält sich aller staub­sammelnden Zuthaten, verzichtet auf Tep­piche, Bettvorhänge und schwere Gardinen, begnügt sich mit einfachen waschbaren Leinwandvorhängen. Die Fußbodenmrter- lage besteht nicht aus Kalk, sondern aus staubfreiem Asphalt. Die Fenster sind in der Höhe angebracht, um den Sonnen­strahlen den Eintritt zu erleichtern. Die Wände entbehren jeglichen Stuckfchmuckes, sind gefirnißt und lassen sich leicht waschen. Das Bett besteht aus Eisen, der Nacht­tisch aus Eisenblech; an Stelle der muf­figen Kommode tritt ein Schrank aus Hellem Holz. Die Waschschüssel ist breit und die Wafserkanne enthält wenigstens fünf Liter Wasser. Welche Revolution grade der letztere Umstand in den wasser-