L.
Amtsblatt für die Staöt Wilöbaö
Erscheint Dienstag, Donnerstag u. Samstag
Der Abonnements-Preis beträgt incl. dem jeden Samstag bei gegebenen Zllnstr. Sonntagsblatt für Aildbad vierteljäbrlich 1 ^ 10 ^, monatlich 40 Pfg.; durch die Post bezogen im Oberamts- Bezirk 1 ^ 30 ; auswärts I ^2 45 Be
stellungen nehmen alle Postämter entgegen.
Der Annoncenpreis beträgt für die einspaltige Zeile oder deren Raum 10 Pfg., Reklamezeile 15 Pfennig. Anzeigen müssen spätestens den Tag zuvor morgens 9 Uhr aufgegeben werden. Bei Wiederholungen entsprechender Rabatt.—Stehende Anzeigen nach Uebereinkunft. — Anonyme Einsendungen werden nicht berücksichtigt.
Nr. 132.
Dienstag,
13. WovernlZer
1900
36. Jahrgang.
Runoscha u.
Stuttg art, 10. Nov. Se. Maj. der König hat den Ministerpräsidenten Freiherrn v. Mittnacht auf dessen Ansuchen wegen des leidenden Zustandes seiner Angen seines Amtes gnädigst unter Anerkennung seiner langjährigen treuen und ausgezeichneten Dienste enthoben; der Kriegsminister, General der Infanterie Schott v. Schottenstein wurde mit dem Vorsitze im Staatsministerium betraut und der Kabinetschef Freiherr v. Soden zum Minister des Aeußeren ernannt. An Stelle des Freiherrn v. Soden wurde der bisherige Legationsrat Freiherr v. Ge mm in gen zum Kabinetschef des Königs bestimmt.
— Se. Maj. der König hat dem scheidenden Ministerpräsidenten ein in den wärmsten Ausdrücken abgesaßtes Handschreiben zugehen lassen. Der König gedenkt in dem Schreiben rühmend Mitt- nachts dOjähriger aufopfernder Thätig- keit im Dienste dreier Könige und spricht die Versicherung der höchsten Anerkennung und des herzlichsten Dankes aus. Freiherr v. Mittnacht habe, als leuchtendes Vorbild treuer Pflichterfüllung, dank seiner hohen staatsmännischen Eigenschaften während eines Menschenalters dem Gange der Geschicke seines Vaterlandes den Stempel seines Geistes aufgedrückt nnd mitgeholfen, Württemberg in den stolzen Bau des wiedergeeinten Reiches einzu- fügen und es der Segnungen theilhaftig zu machen, welche die Wiederaufrichtung allen seinen Gliedern gebracht habe. Der König erwähnt die Mitwirkung Mittnachts an dem großen Gesetzgebungswerke im Reich und der Einführung dieser Gesetze in Württemberg sowie seine Verdienste um die Verkehrsanstalten, spricht die Hoffnung aus, daß der langjährige erprobte Diener und Ratgeber ihm auch in Zukunft mit seinem Rate, wenn er dessen bedürfen sollte, zur Seite stehen werde und behält sich vor, dem Minister eine besondere Ehrung zu erweisen. Mit be- wegten Segenswünschen für den scheidenden Minister schließ: das Schreiben: „Mögen Sie noch recht lange die wohlverdiente Ruhe genießen zur Freude Ihres Ihnen mit unwandelbarem Wohlwollen, Treue und Dankbarkeit stets zugethanen Königs Wilhelm!"
Neuenbürg, 8. Nov. Gestern Nachm, wurde hier die Schlußprüfung des Wan« derkochkurseS gehalten, verbunden mit einem Probeessen, wozu eine größere An
zahl Freunde und Gönner der Sache erschienen ist. Oberamtspfleger Kübler sprach über die Bedeutung der Wanderkochkurse für unser Volksleben, insbesondere in sozialer Hinsicht und brachte ein Hoch aus ans den Schwäb. Frauenverein und dessen Vorsteherin Frau Präsident v. Weizsäcker. Stadtrat Gollmer gedachte der Leitung des Kurses, insbesondere der Lehrerin Frl. Maurer. Der landwirtsch. Bezirksverein läßt es sich angelegen sein, die Kochkurse in immer weitere Kreise zu tragen. Der hiesige Kurs war bereits der elfte in den letzten 2 Jahren und weitere Kurse werden sich anreihen, zunächst in Langenbrand und Gräfenhausen.
Tübingen, 10. Nov. Heute Früh 8 Uhr wurde der zum Tode verurteilte Doppelmörder Steinacher im Hofe der Anatomie durch den Scharfrichter Silier enthauptet. Der Delinquent war bis zum letzten Augenblick ruhig und gefaßt.
Frankfurt a. M., 9. Nov. Heute Nacht halb 11 Uhr stieß zwischen den Stationen Mühlheim und Offenbach der Personenzug Nr. 238 infolge unrichtiger Signale auf den daselbst auf freier Strecke haltenden O- Zug Nr. 42, der von Berlin gekommen war, mit voller Wucht auf. Infolge des Anpralls explo- dirte der Dampfkessel am letzten Wagen des O-Zuges, derselbe geriet in Brand und setzte auch den vorletzten Wagen sofort in Flammen. In einem Augenblick war Alles in Feuer und dichten Qualm eingehüllt. Das Jammern der Verwundeten war furchtbar, als verschiedene Passagiere die Ausgänge des Wagens nicht mehr erreichten. Bis 7 Uhr Morgens wurden sieben verkohlte Leichen gefunden. Beide Geleise waren während der Nacht gesperrt. Das eine wurde heute früh wieder für den Verkehr hergestellt. Die überlebenden Passagiere er- zählen von furchtbaren Schreckensszenen. Die benachbarten Stationen wurden erst von den überlebenden Passagieren, welche mit einigen der intakt gebliebenen Wagen kurz vor 12 Uhr Nachts nach Frankfurt weiter fuhren, von dem furchtbaren Unglück in Kenntnis gesetzt, da durch den Brand der Waggons sämtliche Telegraphen, drähte zerstört, zum Teil sogar geschmol- zen waren.
Frankfurt a. M., 10. Nov. Herr Marck, Besitzer einer Großweinhand, lung dahier, der einzige gerettete In- fasse des letzten Wagens des V-Zuges, teilt der „Ffr. Ztg." über feine Erleb
nisse bei der Katastrophe folgendes mit: Ich kam von einer längeren Reise aus Schweden zurück und war einige Nächte durchgereist, um möglichst rasch nach Frankfurt zurückzukomwen. Durch die lange Reise ruhelos geworden, verließ ich meinen Platz und ging, die Reisetasche in der Hand, in den Korridor, gleichzeitig in der Absicht, bei der baldigen Ankunft in Frankfurt möglichst rasch aus dem Wagen zu kommen. Bei mir hielt sich ein Schaffner im Korridor aus. Wir gingen eben auf die Glasthüre zu, welche den Abschluß des V-Wagens am Hinteren Ausgang bildet, als plötzlich der von mir gehende Schaffner sich todesbleich umwandte und mir zurief: „Um Gottes mil- len, der Zug kommt hinter uns!" Ich sah nur die beiden helllenchtenden Laternen des heranbrausenden Zuges. Im nächsten Augenblick schon erfolgte ein Donnern und Krachen, und unser Wagen war in zwei Theile getheilt. Die Maschine saß zwischen ihnen fest. Mein Glück war mein Aufenthalt im Korridor. Die Maschine hatte ihn abgesplittert. Ich stürzte zuerst hinunter in die Trümmer, neben die Räder der fauchenden Maschine, auf mir der Schaffner, der sich nicht rührte. Als ich bei dem Versuche, mich zu bewegen, die Bemerkung machte, daß ich das eine Bein gebrochen, aber nicht am Bewegen verhindert war, erwachte so- fort die Thatkrast in mir. Inzwischen war die Explosion erfolgt. Mit Blitzesschnelle standen die beiden letzten Wagen in Flammen und damit auch jener stehende Teil des Wagens. Ich stieg zum Fenster heraus, fiel auf die Böschung nnd kletterte über einen Stachelzaun, um mich vor den immer mehr überhandnehmenden Flammen zu retten. Dort blieb ich im nassen Felde liegen.
Berlin, 8. Nov. Auf Grund des Ergebnisses der Konferenz, die im Reichs, schatzamte mit den Vertretern der ver- schiedenen Schaumweinfirmen abgehalten wurde, wird nunmehr im Reichsschatz, amte der Schaumweinsteuer-Gesetzentwurf ausgearbeitet. Wie verlautet, ist eine Banderolensteuer in Aussicht genommen in Höhe von 40 Pfennigen für jede Flasche deutschen Schaumweins. Daneben wird dem Reichstage die Novelle zum Weingesetze zugehen, wodurch das Verbot der Kunstweinfabrikation ausgesprochen werden soll.
Berlin, 8. Nov. (Prozeß Sternberg.) Im Verlauf der heutigen Ver
1