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wo ein Dejeuner Dinatoire stattfand, an dem die nächsten Familienangehörigen teilnahmen. Die Neuvermählten reisten 3 Uhr 35 Min. nach Traunkirchen ab. Der Kaiser überbrachte anläßlich seines Besuches am 26. Oktober im Palais des Erzherzogs Rainer persönlich das Hochzeitsgeschenk, bestehend aus einem über- aus kunstvoll gearbeiteten Brillanten- Kollier. Der Einzug des Herzogs mit Gemahlin in Stuttgart ist für den 14. November in Aussicht genommen. Am Tage des Einzugs findet im Wilhelmspalais Familientafel und abends im Weißen Saal des K. Residenzschlosses Gratulationscur und Hofkonzert statt.
Paris, 31. Okt. Der „Gaulois" meldet, daß während der Reise des Präsidenten Krüger von Marseille nach Paris an fast allen Stationen, die an dieser ganzen Linie liegen, Sympathiekundgebungen veranstaltet werden sollen. Das Blatt will ferner wissen, daß Krüger in Paris einen längeren Aufenthalt nehmen wird, als man vermutet.
— Aus Bry bürg vom30. ds.: Die Buren werden im hiesigen Distrikte immer kühner. Anscheinend beabsichtigen sie, die Stadt einzuschließen. Da keine Polizeimannschaften zur Verfügung stehen, sind die von der Verbindungslinie entfernter wohnenden Farmer schutzlos. Vier stark verschanzte Burenlager sind 30 km östlich von hier auf Markanirand errichtet. Das Fortschaffen von Vorräten aus der Stadt ist verboten. Ebenso ist den Bürgern nicht gestattet, nach 9 Uhr abends sich auf der Straße aufzuhalteu. Infolge der ungewöhnlichen Trockenheit ist das Getreide in einem traurigen Zustand. Die Bahnlinie ist noch nicht zerstört. (Vry- burg ist im sWesten ^zwischen Kimberley und Mafeking.)
— Reuter meldet aus Bloemfontein vom 26.: Alle über 14 Jahre alten männlichen, im Umkreis von 15 km von Bloemfontein wohnhaften, Buren werden nach der Stadt gebracht, um sie zu verhindern, sich den noch kämpfenden Kommandos anzuschließen.
London, 30. Okt. Nach einer hiesigen Meldung herrscht in Kimberley Panik. Ein Buren-Kommando befindet sich unmittelbar in der Nähe. Die Gar- nison steht unter Waffen. In London traf nach einem Telegramm des „Berl.Tagebl." gestern Nachmittag die Nachricht ein aus Kapstadt, daß Cecil Rhodes am Fieber darniederliege.
London, 31. Okt. Dem Reuter'- schen Büreau wird aus Pretoria vom 20. ds. gemeldet, daß die von den Engländern angestrebteu Verhandlungen mit Botha erfolglos 'geblieben sind. Stejin lehnte es ab, einen Parlamentär zu empfangen.
Tschifu, 31. Okt. Man glaubt, daß die Mächte über den Frieden unterhandeln auf Grund von 11 Artikeln, von denen die wichtigsten sind, daß alle Fluß- u. Seehäfen dem fremden Handel eröffnet u. jedem Gouverneur u. Vicekönig ein fremder Beamter beigegeben werden soll, damit diese ihre Schuldigkeit thun. Am meisten läßt sich gegen die Bedingung einwenden, daß Prinz Tuan nur eiugesperrt werden soll. Es heißt, daß der Kaiser diese Bedingungen angenommen habe und nun nach Peking zurückkehre.
Newy ork, 29. Okt. Kurz nach der junge Laub ausschlagen sehen, und ist Mittagsstunde ereignete sich das größte! mir nie zu viel geworden. Hier nun
Unglück in der Stadt, das seit langer Zeit zu verzeichnen ist. Vier schnell auf- einanderfolgende Explosionen in Tarrants Drogenhandlung zerstörten zehn Gebäude und töteten 150 Menschen, darunter 16 Feuerwehrleute. Die Explosionen erschüt- terten jedes Gebäude in der unteren Stadt und wurden meilenweit gehört. Eine Flammengarbe schoß empor, die höher war als ein benachbartes zwanzig- stöckiges Gebäude. Die Macht der Explosionen trug weithin Stücke von zerstörten Gebäuden. Manche Menschen auf den Straßen, wurden gegen die Häuser geworfen und verletzt, andere wurden in der auf die Explosionen folgenden Panik in der Nachbarschaft unter die Füße getrampelt und andere unter die Hufe wildwerdender Pferde gestoßen. In der Twogenhandlung waren außer andern Angestellten vielleicht 60 Mädchen beschäftigt. Das Trümmerfeld steht in Flammen, sodaß alle Löschzüge unterhalb des Harlemflußes requirirt werden mußten. Alle Hospitäler sind überfüllt. Der Hochbahnverkehr auf der 9. Avenue ist vollständig unterbrochen. Mehrere Frauen wurden durch die Gewalt der Explosionen von der Station auf die Straße geworfen.
Washington, 31. Okt. Nach der letzten Volkszählung betrug die Einwohnerzahl der Vereinigten Staaten 76 265 200 gegen 1890 mehr 13 254464.
Unterhaltendes.
Der weiße Hirsch.
Eine Erzählung von Adelheid von Rothenburg, geb. von Zastrow.
(Fortsetzung.)
Die Luft wehte ja hier freier, die Sonne schien ungehindert und der Himmel blaute schöner durch die Lichtung, ein Weilchen jauchzte das Vöglein seinem Gott zu Ehren und sich zur Lust, dann schmetterte ein scharfkantiger Stein hart an seinem gespreizten Flügel vorbei, es fehlte nicht viel und der zarte Röhren, knochen war zersplittert. Es entfloh mit einem Ton des Schreckens.
Ein stumpfes böses Auge schaute hinauf. Es that dem da unten leid, sein Ziel verfehlt zu haben, und wie um sich über sein Mißgeschick zu trösten, langte er eine grünglasige Flasche hervor und trank in langen Zügen.
Da knisterte es im Gezweigs, ein Mütterchen, das ein schönes hochrotes Kopftuch um seine eisgrauen Haare gewunden, kam aus den Büschen gewankt, ein Bündel Leseholz auf dem gekrümmten Rücken.
„Jst's erlaubt?* fragte es in seinem gewohnten singenden Dialekt, aber der Bursche gab ihm keine Antwort, er schnauf. 1e nur. „Das ist eben ein schönes Plätzchen," meinte die alte Frau, legte ihr Bündel behutsam beiseite und blikte aus den kleinen freundlichen Äuglein zwinkernd um sich.
„Der Teufel ist es!„ stieß der Bur- sche heraus.
Sie rückte ein wenig zurück. „Gott soll mich bewahren, wer wird so sprechen! S'ist doch schön in unsrem Wald, au die siebenzigmal Hab ich ihn aufgrünen und einschneien, und dann wieder das
haben sie gehauen, die Sonne kann zu, da setzt man sich nieder und holt Odem. Wer wird da fluchen — es verscheucht einem die Vögel."
„Denen möcht' ich all miteinander die Hälse umdrehen!
„Ihr seid wohl nicht von einer deutschen Mutter?" rief sie, „sonst ließe Euch das gute Gemüt so etwas nicht zu."
„Deutsch oder nicht deutsch," gab er ranh zur Antwort, „das ist jetzt alles egal. Arm oder reich — darauf kommt's an, und was mich betrifft, ich will, daß die Reichen ausgerottet werden."
„Sind etwa die Vögel reiche Leute?" Hier lachte sie leise und fuhr dann fort: „Steht ja doch geschrieben, sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheuern und unser himmlischer Vater nährt sie doch."
„Ach was!" entgegnete er, und zog die buschigen Brauen fester zusammen, „was lebt uud lustig ist, muß umgebracht werden. Unser einer ist auch nicht lustig. Sind wir einmal oben auf, dann hat das Singen ein Ende."
„Es ist man gut," erwiderte sie, indem sie mühsam aufstand, „daß ihr alleweile noch nicht oben auf seid. Es nuß abgewartet werden. Ich bin eine blutarme Frau , Hab' weder Vater noch Mutter gekannt mein Leben lang, und mein himmlischer Vater hat mich doch ernährt, gerade wie die Krähen dorten auf dem Kienbaum. Und manche frohe Stunde ist mitunter gelaufen. Wollet ihr Euch zu Gott halten, so hielte er sich zu euch, und das Singen lerntet ihr am Ende auch wieder, aber ihr wollt nicht. Ich muß denn nach Haus, es taugt nicht, daß wir zwei beide nebeneinander sitzen,"
„Halt," rief er ihr nach und drückte sich dabei den Hut in die Stirn, „ich will wissen wo die Bachmühle liegt."
„Seid ihr dorten verschwägert?" Sie blickte mißtrauisch nach ihm um.
„Das geht euch nichts an. Ich Hab' keine Lust, mich umzulaufen. Gebt mir den Bescheid, oder — ". Er erhob drohend die Faust.
„Wenn man an eine Mühle will," gab sie nach einigem Bedenken zur Antwort, „soll man dem Lauf des Wassers nachschreiten, Ihr hört doch das Gluk- ken zwischen den Steinen."
Sie hastete sich ab, um aus seiner Nähe zu kommen. Er auch erhob sich verdrossen und wendete sich links, von wo er die Waldstimme vernahm, die Zwiesprache hielt mit der grünen Einsamkeit. Es hatten wohl die grau-blauen Tauben, welche im Tannenwipfel ihr Nest hüteten, daran ihre Freude, die Lybellen auch welche den kühlenden Hauch suchten, um über der krausen Flut ihr Spiel zu treiben ; eine Forelle duckte sich wohlig im kühlen Versteck, die Kiesel blinkten und die Gräser neigten sich; Blumen nickten am Ufer, und fort und fort ertönte das Lied ohne Worte, welches von jedem Kinde verstanden wird, das reinen Herzens seine Waldluft genießt. Der Eine nur mit dem verwilderten blöden Gesicht verstand sie nicht. Er sah nicht um sich und auch nicht über sich, es lag eine trübselige Stumpfheit in seinem Gange und wie er zuweilen den gewundenen Pfad hinabspähte, um sich zu vergewiff-