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g'lernt, daß den Herrn und Heiland so elendiglich behandelts! Schamts enk!" Trübe Stxnden hat der Darsteller des Judas, Herr Johann Link, zu verzeichnen. Er ist die bestgehaßte Persönlichkeit, und muß, nachdem das Spiel beendet, warten, bis die Menge sich verlaufen hat.
Paris, 14. Sept. Gestern Abend hielten etwa 60 Panoramenbesitzer, Theaterpächter und Restaurateure der Weltausstellung eine Versammlung ab und beschlossen, von der Regierung, die die Weltausstellungsarbeiten zu spät beendet und auch sonst ihre Verpflichtungen nicht eingehalten habe, Entschädigung zu verlangen. Die Aussteller beschlossen ferner zur Vermeidung eines langwierigen Prozesses, den Streit einem Schiedsgericht vorzulegen. Falls die Regierung das Schiedsgericht ablehnen sollte, wollen die Unternehmer, unter denen sich auch der Pächter des deutschen Restaurants befindet, ihre Etablissements vom 19. September ab schließen.
— Zur PariserWeltausstellung erschien ein interessantes Album der Maggiwerke, die in Berlin, Singen, Kempt- tal und Paris ihre Hauptniederlassungen haben. In 32 Bildern werden die Fabrik- anlagen, die Fabrikation der allbeliebten Maggi'schen Spezialitäten, die Geschäftshäuser und Bureaux an den genannten Daten vorgeführt. Die Schlußbilder zeigen die Stallungen und die Rinderherden der Firma in Kempttal. Aus dem schön auS- gestatteten Album erhält man einen überraschenden Ueberblick über die große Ausdehnung und Mannigfaltigkeit der rühm- lichst bekannten Werke der Firma Maggi.
— Legationssekretär v. Below in Peking hat an seinen Vater einen Brief gerichtet, in dem er eine Schilderung der durchlebten Schreckenstage giebt. Darin heißt es: „Mit noch fünf anderen Herren hatten wir uns ein kleines Zimmer, welches kaum 6 Meter im Geviert war, als letzten Zufluchtsort ausgesucht und dasselbe mit allen möglichen aufzutreibenden Revolvern und anderen Schießwaffen ausgerüstet. In der Mitte stand ein Pulverfaß, mit welchem wir uns beim Eindringen der gelben Mörderbande, um derselbru nicht lebend in die Hände zu fallen, in die Luft sprengen wollten. Doch, Gott sei Dank, blieb uns diese ultima ratio erspart und das Nähere über unsere Befreiung habt Ihr schon aus den telegra- phischen Berichten gehört.
London, 14. Sept. „Daily Mail" hat aus Lourenzv-Marquez erfahren, Krüger habe die Präsidentschaft niedergelegt, bleibe aber Mitglied des aus- führenden Rathes und habe als solcher den Urlaub von 6 Monaten erhalten. Krüger soll während der Reise bitterlich geweint haben. Wie „Daily-News" aus Prätoria melden, erhielt Frau Krüger von ihrem Gatten ein Telegramm, worin er sie ersucht, nach Lourenzo Marquez zu kommen. Sie antwortete, daß ihr Ge- sundheitszustand die Reise nicht erlaube. Aus Kapstadt wird berichtet, Präsident Steijn befinde sich ernstlich erkraykt in Nelspruit.
London, 15. Sept. Daily Telegraf meldet aus Lourenzo Marquez vom 14. d.: Krüger wird nominell gefangen gehalten auf Betreiben des britisch«' Konsuls, der entschieden dagegen protestierte, daß Krü
ger Portugiesisches Gebiet als Stätte benutze, um von dort aus mit der Exekutive von Transvaal die Verbindung aufrecht zu erhalten, oder sie zu leiten. Daher wurde Krüger vom Hause des Konsuls Pott nach dem Reoierungsgebäude gebracht, wo er scharf überwacht wird. Militärposten sind aufgestellt. Der Sektetär des Gouverneurs ist haftbar für Krüger gemacht worden. Er wurde instruiert, daß Präsident Krüger das Regierungsgebäude nicht verlassen dürfe. Der Gouverneur teilte Pott mit, er sei von Lissabon behördlich angewieseu, Pott fortan nicht mehr als Vertreter von Transvaal und dem Oranjefreistaat anzuerkennen, da beides britisches Gebiet sei. Der französische Konsul und der Konsularsattachtz sprachen vor, um Krüger zu besuchen, wurden aber nicht zugelassen; ebenso nicht die Beamten Krügers und Schalk Burger, der während der Nacht eingetroffen war. Er reiste sofort wieder nach Transvaal, mit ihm Van Alphen und Eloff. Gestern Abend wurden hier fünf Personen verhaftet, die angeschuldigt werden, sich verschworen zu haben, das Haus Potts in die Luft zu sprengen. 3 würden freigelasfen. Die beiden andern, die Engländer sind, werden in der Haft behalten.
Unterhaltendes.
Der vergangene Auditor.
von Maximilian Schmidt (Fortsetzg.) (Nachdruck verboten.)
Der Auditor gab seinem Begleiter einen Thaler, den dieser anfangs anzunehmen weigerte, den er aber dann doch für sein Ahnl bestimmen wollte. Ferner sagte ihm der Auditor, daß er ihn noch heute in München sehen werde. Er wolle sich selbst beim Kriegsgericht, das ja öffentlich, einfinden und vielleicht, meinte er, könne er ihm dabei nicht ohne Nutzen sein.
„Ja, dös verstehst du nit," sagte der Filzler, „mit unfern Auditor laßt'si' nit red'n, der wenns Verhör anfangt, nach« wird oan ganz damisch; der fragt schon so z'wider und allemal find' er was raus. Woaßt was, wenn 's d' mir an' G'falln thoa willst, hau ihm amal a rechte Watschen eini; du bist a Postbeamter uud wirft nach« nit weg'n Subordinationsverbrechen eing'sperrt."
„Nun, wir sprechen heut noch über die Sache," erwiderte der Auditor lächelnd. „Also auf Wiedersehen!"
Damit trennte er sich von dem Burschen, der sofort dem Bahnhofe zueilte.
Der Auditor atmete hoch auf. Alle Strapazen des Tages und dieser Nacht vergaß er über dem Vergnügen, ein Abenteuer gehabt zu haben, das ihm zeitlebens in lebhafter Erinnerung bleiben mußte und das ihm Gelegenheit gab, im letzten Augenblicke einen wackern Burschen aus böser Lage zu befreien.
Es schlug zwei Uhr, als er im Gast. Hof zum „Kreiderer" Einlaß begehrte. Der Hausknecht mußte ihm hoch und teuer verschwören, ihn nicht verschlafen zu lassen, sondern ihn rechtzeitig zu wecken zum Münchener Zug. Er bestellte eigens einen Wagen, um zum Bahnhofe zu fahren, da- mit er um so sicherer darauf rechnen könnte, daß man ihn gehörig wecke. Der Zug ging um fünf Uhr fünfzig Minuten
aß, er hoffte also noch drei Stunden schlafen zu können. Aber schon im Bette, ließ eS ihm doch keine Ruhe. Er durste nicht zu spät kommen!
Wie aber wach bleiben? Er erinnerte sich an Mosers „Stiftungsfest", an die Szene, in welcher der alte Herr die Gießkanne in der Hand hält, uw sich vor dem Einschlafen zu sichern, da ihn iie fallende Gießkanne stets wieder aufweckte. Die Nutzanwendung dieses Schwankes war jetzt, daß er den großen gläsernen Wasfer- krug in die Hand nahm, während er mit der andern Notizen in sein Buch machte, die auf die Erzählung des Filzlers Bezug hatten. Er schrieb lange — aber plötzlich klirrte es doch — der Wasserkrug lag zerbrochen auf dem Boden. Er hatte in der That cinschlafen wollen. In dem Nebenzimmer hörte er über die Nachtruhestörung flucheu.
Jetzt hielt es unser Auditor fürs beste, im Zimmer auf und ab zu gehen. Er vergaß jedoch, seine Stiefel auszuziehen. Zehn Minuten mochte er auf- und abgewandelt sein, da klopfte cs an derNeben- thüre.
„Sind Sie des Teufels?" hörte er fragen; „lassen Sie wenigstens die andern Menschenkinder schlafen, wenn Sie das tolle Wandelfieber haben!"
Der Auditor fand, daß der Nachbar recht habe und zog seiue Stiefel aus. In Strumpfsocken wandelte er dann weiter, oft mit geschloffenen Augen, aber wenn er au eiuen Tisch oder Stuhl anrannte, wachte er glücklich wieder auf, und so wandelte etin den grauenden Morgen hinein.
Um vier Uhr ging die Sonne auf und jetzt litt eS ihn nicht länger mehr im Gasthofe. Er eilte fort zum Bahnhofe und setzte sich dort in der Restauration I. Klaffe ganz versteckt in eine Ecke, damit er ja von seinem nächtlichen Begleiter nicht gesehen werden könne und löste sich ein Billetll. Klaffe, um nicht zufällig im Waggon mit diesem zusammen zu treffen. Punkt künf Uhr fünfzig Minuten ging der Zug ab, und jetzt schlief der vielstrapazierte Auditor, bis der Kondukteur in das Koupe hineinschrie: „München!"
III.
Dat Kriegsgericht war Schlag neun Uhr versammelt. Der Auditor in Uniform, den Siffhut in der Hand, sah auffallend blaß ans nnd seine Augen waren geschwollen.
„Sie sind krank!" sagte der dem Kriegsgerichte vorstehende Oberstleutnant zu ihm. „Sie sehen ja ganz schrecklich aus!"
„O, mir ist ganz wohl," entgegn ete der Auditor. „Ich habe nur heute Nacht viel für die heutige Verhandlung nachzu- arbeiten gehabt."
„Ah bah," machte der Oberstleutnant, „Sie wären derjenige, der auf die letzten Stunden etwas verschöbe. Wahrhaftig, wenn Sie krank sind, verschiebe ich das Kriegsgericht auf einen andern Tag."
„Warum nicht gar," sagte der Auditor. „Denken Sie nur, die Zeugen — die Herren Richter. — Glauben Sie, ich möchte wegen einer kleinen Uebernächtig- keit so viele Umstände machen? Nein, nein, wenn es Ihnen gefällig wäre —- ich erhielt soeben Meldung, daß sämtliche Zeu- gen und der Angeschuldigte gegenwärtig sind — so könnten wir beginnen."
(Fortsetzung ffolgt).