418

Harburg, 3. Sept. Eine interessante Postkarte erhielt die hiesige Ortsgruppe eines Handlungsgehilfenverbandes aus St. Helena. Dieselbe stammt von dem mutigen Führer der deutschen Schar im Burenkriege, Oberst Schiel, der sich be­kanntlich als Kriegsgefangener auf der Insel befindet, und ist die Antwort auf eine an ihn gesandte Karte. Sie lautet: St. Helena, 25. Juli 1900. Ihnen allen innigsten Dank für Gruß uud Wünsche. Die deutschen Jungens, die mit mir ver­wundet und gefangen wurden, sind alle wieder gesund. Wir sehnen uns nach bal­diger Erlösung, um mit unseren deutschen Kameraden in China dreinhauen zu kön- nen. Herzlichen Gruß und Handschlag. A. Schiel, Oberst." Die Karte zeigt vier Stempel: Den Kontrolstempel des die Aufsicht über die Kriegsgefangenen führen­den englischen Offiziers, den Poststempel von St. Helena, den Stempel von Sout- hampton und denjenigen des hiesigen Post­amts.

London, 6. Sept. Nach einer Kap- städter Meldung sinv die Pferde Lord Roberts bereits dortselbst eingetroffen. Man erwartet Roberts persönliche An­kunft sin den nächfteu Tagen. Er soll nach seiner Rückkehr nach England, wo er bekanntlich Lord Wolseley's Nachfolger wird, durch den General Buller im Ober­kommando über die englischen Truppen ersetzt werden.

Eine Schanghaier Depesche des Daily Telegraph von gestern besagt, die aufgeklärten eingeborenen Beamten sagen, sie würden die Räumung von Peking als selbstmörderischen Schritt betrachten. Die Kaiserin ser so erbittert gegen die Frem­den, daß sie sicherlich im nächsten Früh­jahr die Vorgänge der letzten Monate vielleicht mit Verschärfungen von neuem anregen würde, wenn ihr gestattet würde, die höchste Gewalt wieder an sich zu nehmen. Allgemein glaubt man , Li Hung-Tschang habe Rußland die 3 mandschurischen Pro­vinzen versprochen, wenn es den Rückzug der Mächte sichere. Es sei gewiß, daß Li verschwenderisch mit Geld umgehe, um für die Kaiserin günstige Bedingungen zu erlangen. Am 4. Sept. telegraphierte er an den chinesischen Gesandten in London: Unser Gesandter in Petersburg über­redete Rußland, sich von Peking zurück­zuziehen. Sie sind uutzlos, wenn Sie nicht England veranlaßen können, ein Gleiches zu thun."

Ilnter.Hattenöes.

Der vergangene Auditor.

von Maximilian Schmidt.

(Fortsetzg.) (Nachdruck verboten.)

Oberaudorf!" ruft der Kondakteur und unser Auditor perließ das Coupe. Er atmete frische Bergluft. Dieses Ge­fühl und das Bewußtsein, zwei Tage frei zu haben, bewirkte, daß unser Tourist mit geradezu elastischen Schritten hineinmar- schiertc in das schöne Gebirgsdorf, um beimHofwirie" sein Ränzchen abzugeben, ein frugales Mittagsmahl zu bestellen und dann die ihm von früher her in an­genehmer Erinnerung gebliebenen herr­lichen Plätze, den Calvarienberg mit seiner prächtigen Aussicht, die Ruinen Auerberg und den unvermeidlichenWeber an der Wand" zu besuchen. Nach diesem schönen

Spaziergange kehrte er in das Gasthaus zurück und nachdem er zu seiner Zufrie­denheit diniert, sehnte er sich, Siesta zu halten, die ihm auf dem Sopha eines hübschen Zimmers auch zu teil ward, ohne daß von oben oder unten geklopftwurde

Es war vier Uhr nachmitags, als er es an der Zeit hielt, seine Fußtour nach Bayerisch Zell über das Gebirge zu be­ginnen. Die größte Hitze war vorüber und bald nahm ihn ja die kühle Schlucht des Auerbaches auf, dessen tosenden Wasser­fall er von der oberen Brücke aus lange bewunderte. Dann stieg er den ihm noch wohlbekannten Weg zum Jagdhaus hinan, und mit der ihm eigenen Orientierungs­gabe und Trautweins Kärtchen war er zur Grafenherbergalm emporgestiegen, wo sich ihm eine wundervolle Aussicht eröffnet?.

Die hübsche Sennerin grüßte ihn freund­lich und lud ihn zu einerSchalen Kaffee" ein, da eben von einer kleinen Gesellschaft, welche das gleiche Reiseziel mit dem Ar- ditor hatte, ein solcher fabriziert wurde. Dem Auditor war dieses sehr erwünscht, denn,der Aufstieg hatte ihm warm gemacht. Er war angenehm überrascht, als er, in die Almhütte eintretend, seine beiden Haus­genossen, die gleich ihm in Oberaudorf den Zug verlassen hatten, in Gesellschaft einer Familie mit zwei Töchtern erblickte. Er erzählte diesen lachend, daß sie die Ver­antwortung für seine heutige Partie zu tragen hätten, daß er ihnen aber unendlich dankbar sei, ihn unbewußt hiezu bewogen zu haben. Es wurde viel über die alte Madame gelacht, dann wurde gesungen, das herrliche Lied vomWendelstoa" und anderes, man schlürfte den Mokka mit frischem Gebirgsrahm vermischt und war überselig.

O heiliger Benno!" rief da der Au­ditor,wie froh will ich morgen deinen Namensmg mitfeiern in Geitau und Schliers!"

Was?" fragte einer ans der Gesell­schaft ,den Beunotag wollen Sie schon morgen feiern? der ist ja erst morgen über acht Tage!"

Warum nicht gar," entgegnete lachend der Auditor,wissen Sie gar nicht, daß morgen Benno und Feiertag ist? Glauben Sie, ich könnte sonst noch hier auf der Grafenbergalm sitzen und gemütlich Kaffee trinken?"

Sie irren sich," versetzte jetzt ein zweiter.Morgen ist kein Feiertag, Benno ist am 16. Juni und morgen ist bekannt­lich erst der 9. Juni."

Merkwürdig!" rief der Auditor,die Herren Künstler wissen halt nie, wie sie in der Zeit sind. Hätten Sie Bureau- zwang, wie unser einer, so wüßten sie ganz genau hie rotgedruckten Tage im Kalender auswendig, wie ich. Ich will Sie nur überzeugen, daß ich diesesmal recht habe."

Lächelnd zog er seinen Kalender aus der Tasche und blätterte nach da, o Schrecken! stand der morgige Tag schwarz auf dem Blatte der 9. JuniPrimas und Felician" schwarz und schwarz wurde es vor seinen Augen, denn neben­bei stand:Kriegsgerichtliche Verhandlung gegen den Soldaten Pangerer wegen Ver­brechens gegen die Subordination um 9 Uhr. Geladen zwanzig Zeugen."

Der Kalender entfiel fast seinen Hän­den.Jetzt ist's recht!" stammelte er er­blassend.

Mir scheint, eS ist unrecht," meinte ein anderer;Sie haben die Woche ver­wechselt."

Alle Teufel," fuhr der Auditor auf, so ist's! Ich muß heute noch nach Mün­chen zurück!"

Das wird wohl nicht möglich sein," meinte einer der Herren,es ist jetzt halb sechs Uhr vorüber uud der letzte Zug passiert Oberaudorf kurz nach sieben Uhr."

Dann kann es noch gehen!" ries der Auditor.Es bleibt mir nichts übrig ich muß nach Andorf zurück. Es wäre entsetzlich, wenn ich das Kriegsgericht ver­säumte!" Und der Sennerin ein Geldstück reichend, empfahl er sich von der Gesell­schaft und eilte auf dem soeben gemachten Herwege zurück. Sobald er aus dem Ge­sichtskreise der Alm war, begann er einen Dauerlauf die Schlucht des Auerbaches hinab und zwar mit einer solchen Ge­schwindigkeit, daß er sich kaum mehr halten konnte und beinahe in den Bach seltsit ge­stürzt wäre, wenn er sich nicht noch recht­zeitig an den herabhängenden Aesten einer riesigen Tanne gehalten hätte, wobei er sich den Daumen der rechten Hand blutig riß.

Wenn nur diesen Johann Pangerer der Teufel holte!" rief er wütend aus. Nu wart! Dir will ichs entgelten lassen!" setzte er hinzu. Das ungewohnte Laufen, die Prellung beim Aufhalten, der ver­wundete Daumen dies alles bewirkte eine ungewohnte Erregung, er konnte nicht in gleicher Gangart den weiteren Weg ver­folgen; den von ihm so viel bewunderten Wasserfall würdigte er jetzt kaum eines Blickes; vorwärts, vorwärts! war seine Parole. Er nahm sich nicht Zeit, nach der Uhr zu sehen; die Sonne stand ziem­lich tief, aber die Hoffnung, den Bahnzug noch zu erreichen, gab ihm neue Kraft, und ein Jubelruf ertönte aus seinem Munde, als er endlich dasThal erreicht hatte und Oberaudorf vor ihm lag. Arff dem nächsten Weg schlug er die Richtung zum Bahnhoff ein. Aber schon sauste der von Kufstein kommende Zug heran. Noch hoffte er, im Laufschritte die Station erreichen zu können; er winkte, niemand achtete »seiner. Ein Pfiff und der Zug sauste davon. Unser Auditor kam gerade an, als der letzte Waggon dieselbe verließ.

Der Expeditor hatte sich bereits in sein Bureau zurückgezogen, ein Halten des Zuges war nicht mehr zu bewerk­stelligen. Der Auditor hatte blos das Nachsehen. Dieses geschah mit einem ver­zweifelten Blicke. Was nun beginnen?

(Forts, folgt).

Stcrnöesbuch-Gh r onik

Geburten; Z

29. Aug. Schuhmann, Wilhelm Friedrich, Jps er- geselle hier, I Tochter-

3- Sept. Volz, Kart Christian Friedrich, Holz­hauer hier, 1 Sohn.

29. Ang. Würz, Wilhelm, Hausdiener 1 Tochter Gestorbene:

31. Aug. Bacher, Eva Marie, geb. Rath von Metzingen, 50 Jahre alt.

31. Aug. Frey, Elisabeths, Barbara, geb. Heusel Witwe des Bahnwärters Georg Adam Frey hier, 58 Jahre alt.

Ll.UI'Ltdl

>Vunren