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Tage mußte er mit der 3. Kompagnief ^ London, 30. Aug. Nach einer Kap. des 5. ostasiatischen Infanterieregiments stadter Meldung sind die jüngsten Unter- nach Lockstedt abreisen. nehmnngeu des Generals Dewet entgegen
Hamburg, 25. Aug. Der in Pretoria erschossene Leutnant Hans Cordua ist ein geborener Hamburger; Verwandte von ihm sind hier ansässig, seine Mutter lebt in Schwerin. Cordua, der erst 25 Jahre alt war, ging vor 4 Jahren nach Pretoria, wo sein älterer Bruder ein Geschäft hat. Bei Ausbruch des Krieges trat Cordua der hier als Einjähriger gedient hat, freiwillig in die Transvaalarmee ein, kämpfte unter Joubert und wurde bei Glencoe zum Leutnant befördert. In seinem letzten Brief an hiesige Verwandte teilre er mit, daß die von ihm geführte Abteilung den Engländern zwei Kanonen abgcnommen habe. Cordua war ein ehrgeiziger und zu abenteuerlichen Plänen neigender Mann, sodaß vermutet wird, er habe sich in die Verschwörung gegen Roberts, sofern seine Teilnahme über- Haupt erwiesen ist, hineinziehen lassen, ohne recht die Folgen zu erwägen.
Mailand, 29. Aug. Heute begann im Justizpalast die Verhandlung gegen den Königsmörder Bresci. Brcsci er- Härte: Er beschloß nach den Vorgängen in Sizilien und Mailand den König zu ermorden, um das Leben des Volkes und sein eigenes zu retten. Er habe allein gehandelt ohne Ratgeber und ohne Mitschuldige. Bresci giebt zu, sich im Schei- benschießen geübt zu haben, und die Kn- geln seines Revolvers in besonderer Weise bearbeitet zu haben. Er spricht leise und ruhig. Bresci erklärt alsdann, ec habe 3 Schüsse in einer Entfernung von 2—3 Metern abgegeben. Der Präfi- dent untersagt ihm die beabsichtigte Rechtfertigung seiner anarchistischen Ideen, worauf er ruhig entgegnet: „Gut! Ich darf mich also nicht verteidigen. Mir ist es gbichgiltig, welche Strafe sie aussprecheu. Ich appelliere an die nahende Revolution! Die Schuldfrage wurde von Geschworenen bejaht, die Frage auf mildernde Umstände verneint, worauf Bresci zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt wird. Die Todesstrafe ist in Italien bekanntlich ab- erschafft. Die ersten 1 Jahre hat der Verurteilte in Einzelhaft zuzubringen.
London, 29. Aug. Das „Bureau Reuter" meldet aus Peking vom 15 Aug: „Peking bietet den Anblick fast völliger Zerstörung. Die Verwüstung ist einfach entsetzlich. Die ehemalige Gesandtschaftsstraße ist gar nicht mehr zu erkennen. Alle Häusrr der Ausländer sind niedergebrannt, mit Geschossen durchlöchert oder iu die Luft gesprengt. Von der fran- zösifchen Gefchandtschaft find nur noch einige Mauerreste stehen geblieben. Die italienische Gesandtschaft jist nur noch an den Resten der Grenzmauer kenntlich. Hunderte von chinesischen Häusern sind niedergebrannt. Die Zerstörung von Eigen- tmn geschah in ruchlosester Weise. Die Gebäude, die nicht verbrannt waren, wurden aus reiner Zerstvrungslust niederge- rissen.
Tschifu, 29. Aug. Es heißt, der Gorwerneur von Schensi, Au, forderte vor etwa 8 Tagen die Fremden aus, nur sich zu schützen, ms Aarnen zu kommen. 50 Personen nahmen die Aufforderung an. Alle wurden niedergemetzelt.
den englischen Meldungen für die Buren günstig gewesen. General Dewet bemächtigte sich eines englischen Eisenbahnzuges, in welchem er 1600000 Franks und 30000 Kaki-Uniformen erbeutete.
Newyork, 18. Aug. Wie gemeldet, ist vorletzten Sonntag hier der berühmte Schachmeister Wilhelm Steinitz gestorben. Zeit seines Lebens kränklich, verfiel er anfangs dieses Jahres dem Wahnsinn. Er war am 18. Mai 1836 zu Prag in den ärmlichsten Verhältnissen geboren, fiel aber bereits als Knabe auf durch sein großes, mathematisches und dichterisches Talent. Als Autodidakt eignete er sich ein vielseitiges Wissen an und studierte später am Politechnikum zu Wien, verließ es aber bald, um als Reichsratberichterstatter bei der „Oester- reichischen Zeitung" einzutreten. Die jour- nalistische Beschäftigung behagte ihm nur wenig und er ging damals viel lieber in die Wiener Schachgesellschaft, als in den Reichsrat. 1862 übersiedelte er nachLon- don, wo Andersten, der erste Preisträger des damaligen großen Londoner Schachturniers, erklärte, daß Steinitz die kühnste und schönste Partie des ganzen Turniers gespielt habe, und Lord Ravensworth ihn bei einem Festessen „the brillant Austrian champion" nannte. Die Schicksalswürfel des jungen Steinitz waren damals gefallen: er blieb fortan dem Schachbrett treu. Steinitz, der eine Zeit lang der größte Schachmeister der Welt war, war nie frei von Sorgen; er litt immer Not und war nie in der Lage, sich und die Seinen auch nur für zwei Monate im voraus zu versorgen. Er ist als sehr armer Mensch gestorben, und die Teil- nähme aller seiner vielen Bewunderer und Freunde wird sich jetzt der Witwe und den Kindern Steinitz' zuwenden, die in bitterlichster Not zurückgeblieben find.
UrrterHattenSes.
Lenchen.
Eine Erzählung von Dr. Emil Freiburg er
(Fortsetzung.^ (Nachdruck »erb.)
Acht Wochen sind vergangen. Bertha und Mina wunderten an einem Sonntag Nachmittag in den Wald, um Maiglöckchen zu suchen. Franz spähte im Obstgarten nach den Vogelnestern uud der Hanfbauer untersuchte ans dem Speicher den Hanfsamen, ob er nicht stickicht geworden. Seine Frau hatte schon längst Lenchens Brief beantwortet, sich aber nicht an ihre Tochter, sondern au den Onkel gewendet. Die Antwort war kurz, aber sehr freundlich.
„Lieber Schwager," hatte sie geschrieben, „thu' mir den Gefallen und laß unser Lenchen, wenn Du sie wirklich von, Herzen lieb hast, noch ein halbes Jahr! wie seither, in Deinem Hause schalten und walten. Gieb ihr Zeit zum Besinnen und Ueberlegen. Sie ist noch jung, und Du wirst in diesen sechs Monaten nicht älter. Gelt, thue mir den Gefallen und dränge sie nicht! Gott kann ja alles gut machen. Auch Dein Bruder Philipp bittet Dich herzlich darum."
So lautete der Brief der verständigen gnten Mntter, die ja nichts mehr erfuhr was sich nach dem Abgang des Briefes
den Lenchen am Morgen schrieb, noch er- eignet hatte. Daß in der nächsten Zeit keine Nachrichten kamen, beunruhigte die Hanfbäuerin nicht. Lebte sie doch des Glaubens, der Onkel werde die von Lenchen als Bedingung gestellte elterliche Einwilligung abgewartet und nun, nach Eintreffen der Antwort, sich zufrieden gegeben haben.
Als aber der Bote immer wieder keinen Brief brachte, als auch die umgehend erbetenen Zeilen ausblieben, stiegen der Mutter ernstliche Bedenken auf, und Tag und Nacht sorgte ihr Herz hinüber übers Meer.
^ Am schwersten fiel ihr jener Sonntag Nachmittag, an welchem die beiden Jüngsten in den Wald nach den Maiglöckchen gegangen waren. Sie saß in tiefer Betrübnis mit ihrem Gesangbuch am Fenster und las ein Trostlicd nach dem andern. Doch der Trost, den sie hiebei schonest gefunden, wollte,Hr heute nicht zu teil werden. Die düstersten Ahnungen stiegen in ihr auf:
„Was soll das Ausbleiben der Nachrichten bedeuten? Ach, warum ist doch der Weg so weit? Warum kann ich nicht zu meinem Kinde eileu? Und ich bin selbst schuld daran. Warum gab ich es zu, daß mein liebes Lenchen so ganz allein das Vaterhaus verließ? Ja, ich hätte es hin- dern können. Ich stieß meine Tochter von meinem Herzen weg. Wird sie es mir je vergeben? Wird Gott mirs vergeben?"
Die Hanfbäuerin kam den ganzen Nach- mittag nicht zur Ruhe. Auch die ersten Maiglöckchen, welche die Kinder nach Hause brachten und ihr aufs Gesangbuch legten, riefen mit ihrem frischen Dufte nicht die Wirkung hervor, wie in anderen Jahren; und als die betrübte Mutter schon längst im Bette lag, hörte sic auf der Schwarz. Wälder Uhr ein Viertel nach dem andern schlagen.
Kurz vor ein Uhr bellte der Sultan. — Die Laute kamen der Hanfbäuerin seltsam vor. Sollte jemand Schlimmes im Schilde führen und dem Tiere, um es irre zu machen, einen Leckerbissen vor- halten. Sie weckte ihren Mann.
„Was willst Du, Susanne?" frug der Erwachte.
„Philipp, es muß jemand draußen im Hof beim Hunde sein? Willst Du nicht aufstehen und schauen?"
„Wer wird denn draußen sein? Du hörst in neuester Zeit immer solche Dinge und bin schon einigemale für nichts und wieder nichts aufgestanden. Ohnehin muß ich früh heraus, weil ich Hanf säen will."
„Du hast recht, Philipp, bleibe nur liegen!" sagte die Hofbäuerin und kleidete sich ganz in der Stille an.
Während sie noch nach den Schuhen suchte, hörte sie an der Hinteren Thüre, die vom Hof in die Küche führte, ein Geräusch.
„Philipp," rief sieh, „steh, auf! Es ist jemand draußen an der Hinteren Thüre, Diesmal irre ich mich gewiß nicht."
Jetzt hörte auch der Hanfbauer ein leises Klopfen. „Wer soll das sein? Ist mir am Ende der Fritz heimlich zum Tanze gegangen und klopft jetzt der Bärbel um unbemerkt hereinzukommen? Ich dachte mir so etwas, als er nach dem Nachtessen mit dem Mädchen sich abseits noch be-> sprach."