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Nr. 102.
Sarnstag, 1. Septernber: 1600
86. Jahrgang'
Rundschau.
— Dem „Schwäbischen Merk." wird vom 28. ds. aus Dobel geschrieben: Unsere von stattlichen Tannenwäldern umfriedigte Schwarzwaldhöhe ist Heuer von Sommerfrischlern zahlreicher besucht, als je zuvor. Es ist dies ein Beweis davon, wie die unstreitigen Vorzüge Dobels als Luftkurort immer mehr anerkannt werden. Die Luftkurgäste finden neben guten Gasthöfen und Privatlogis sonst auch Alles, was sie wünschen: reine, gesunde Luft, klares, frisches Quellwasser, Ruhe und Stille zur Erholung u. Stärkung der Nerven, schattige Spazierwege in den nahen Wäldern, lohnende Ausflüge, und vor allem eine prächtige, großartige Fernsicht, die namentlich in den heitern Herbsttagen entzückt. Der durch Schultheiß Allinger ins Leben gerufene Verschönerungsverein will nun die Errichtung einer „Dobler Warte" ins Auge fassen, um einem von Luftkurgästen von hier und dem nahen Herrenalb, sowie von den zahlreichen Wanderern oft ausgesprochenen Wunsch entgegenzukommen. Man giebt sich der Hoffnung hin, daß der württ. und bad. Schwarzwaldverein diesem Plan ihre Unterstützung leihen werden. Daß die klimatischen Verhältnisse Dobels günstige sind, ist bekannt. Diese Verhältnisse, namentlich die geringen Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht und Sommer und Winter, die von der vom Ortsgeistlichen bedienten meteoro- log. Station statistisch nachgewiesen sind, wären wohl dazu angethan, einen Arzt zur Niederlassung und irgend einer Kurunternehmung zu veranlassen.
Geislingen, 29. Aug. Ein gräßlicher Unglücksfall ereignete sich gestern nachmittag in Kleinsüßen am Bahnübergang nach Donzdorf. Als der um 3 Uhr fällige Schnellzug änfuhr, wollten zwei vor dem Uebergang stehende Pferde eines Bierwagens durchgehen. Der in der Nähe stehende 20 Jahre alte Schriftsetzer Roze- zinsky von Geislingen und ein weiterer junger Mann Namens Mack von Göppingen wollten die Pferde anhalten, wurden aber von denselben zu Boden gestampft und derart verletzt, daß Mack gleich tot war und Rezezinsky nach einigen Stunden starb.
Konstanz, 29. Aug. Heute Nachm, gegen halb 6 Uhr entgleiste ein von Singen herkommender Schnellzug bei Hegne der 2. Station vor Konstanz. Bis jetzt
wurden 3 Tote, 7 schwer und 18 leichter Verwundete unter den Trümmern hervorgezogen. Der Materialschaden ist bedeutend. — Der Schnellzug kam aus Frankfurt und hätte hier 5.35 aukommen sollen. Getötet sind: Fischhändler Rall von hier, Berthold Köhler von Neustadt im Schw. und die 18jährige Italienerin Luzatti. Vom Zugspersonal sind Zugmeister Riede und Lokomotivführer Grieshaber von hier leicht verletzt. Der Zug, der aus 2 Lokomotiven, 9 Personen- und 2 Güterwagen bestand, bildet ein wüstes Trümmerfeld. Die vordere Lokomotive liegt rechts vom Bahndamm, die Hintere hat sich in den Boden eingebohrt. Die 5 vorderen Wagen liegen links neben dem Bahndamm aufeinander aufgetürmt und sind fast sämtlich vollständig zertrümmert.
Planksta dt, 28. Aug. Bei dem gestr. großen Brande sind 73 große Gebäude abgebrannt mit einem ungefähren Gebäudeschaden von 105 000 Mk. Die Verluste an Fahrnisse, Früchte re. werden auf rund 300000 ML. geschätzt. Die Besitzer sind, soweit sich ermitteln ließ, alle versichert.
Todtnau, 29. Aug. Die.Renntiere auf dem Feldberge führte Oberförster Wendt in Todtnau ein. Das eine, der Hirsch, befand sich früher im zoologischen Garten zu Basel, die zwei anderen, Hirsch, kuh und Schmaltier, wurden auf dem Renntiermarkt angekauft. Sehr günstig für die Ernährung der Tiere wirkt die Thatsache, daß auf dem südlichen Schwarzwald aufwärts von 800 Meter Seehöhe das Renntiermoos üppig gedeiht und besonders an exponirten Felsen zn finden ist, genau wie auf den Kjölen in Norwegen. Oberförster Wendt wird nach einem gewissen Zeitraum die mit den Renntieren gemachten Erfahrungen einem größeren Kreise zugänglich machen. Nicht nur die Zoologen, auch die Historiker sind auf das Ergebnis dieses faunistischen Versuches begierig.
Straßburg. In dem „Elf. Journal" wird eine Vorr ichtung beschrieben, wie sie . an den Wagen der Straßenbahn in Nancy angebracht ist zum Schnze vor dem Ueberfahrenwerden. Es heißt dort: An sämtlichen Motorwagen sind vorn und hinten aufklappbare Schutzvorrichtungen angebracht; dieselben bestehen ans zwei in der Höhe von ungefähr 50 Centimeter vom Wagen ausgehenden seitlich gebogenen Eisenstücken, die an ihrem vorderen Ende
durch eine starke runde Eisenstange verbunden sind. Diese Eisenstange liegt, wenn die Vorrichtung herabgeklappt ist, unmittelbar über ^dem Schienengeleise, Die Seitenteile und die Stange sind durch elastische Stahlbänder verbunden, sodaß das Ganze ein concav gebogenes Gestell bildet. Eine aus oder zwischen den Schienen befindliche Person wird beim jHerannahen des Wagens auf dieses .Gestell geworfen und durch den Wagen so länge mitge» führt, bis er zum stehen gebracht worden ist. Ein überfahrenwerden ist also vosi, ständig ausgeschlossen. Ebenso verhindern seitwärts an den Wagen angebrachte bis unmittelbar über das Straßenpflaster reichende Eisenbänder, daß von der Seite her Jemand unter den Wagen geraten kann.
Berlin, 28. Aug. Die Sicherheitsmaßregeln zum Schutze des Kaisers werden neuerdings schärfer gehaudhabt: Dieses war auch gestern bei der Enthüllung der Standbilder in der Siegesallee der Fall. Ebenso werden bei den Atelierbesuchen des Kaiserpaares Vorsichtsmaßregeln getroffen. Gestern erschien der Polizeipräsident v. Windheim bei Bildhauer Professor Lessing und erkundigte sich, ob er auch Italiener beschäftige. Ferner wurde angeordnet, daß während des Kaiserbesuchs keine fremden Personen im Hause weilen dürfen.
— Der Motorwagen des Kaisers, den er vor einiger Zeit in der Daimlerschen Motorwagenbauanstalt in Cannstatt be- stellt hatte, ist am 27. Aug: im Neuen. Palais abgeliefert worden. Das Gefährt ist ein Benzinmotor der neuesten Kon- struktion. Dec Wagen hat ein Gewicht von 32 Zentner; der Preis beträgt 36000 Mk. Der Motorwagen, der für 4 Personen Platz bietet, ist von dem Kaiser in Kassel bereits benutzt und. als vorzüglich befunden worden. st
4 Hannover, 27. Augst Ein biederer Handwerksmeister aus Hannover Hütte dieser Tage mit seiner besseren Ehehälfte aus unbedeutender Ursache einen heftigen Streit gehabt. In seiner Wut ging er schnurstracks zum Bezirkskommando und meldete sich dort znm Eintritt in das ostasiatische Expeditionskorps. Er wurde auf seine Tropendieustfähigkeit hin untersucht uud auch für tauglich befunden. Hinterher kam die Reue, und unserem Helden wurde der Entschluß leid. Aber es half alles nichts; denn dieser