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Nr. 76.

Amis- und Anzeigeblatt für den Oberamtsbezirk Calw.

94. Jahrgang.

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Dienstag de« 1. April ISIS.

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Generalflreik in Slutlgart.

* Es ist leider nicht nur ein Aprilscherz, oder ein Mummenschanz, der uns die Idylle der Biedermeierzeit vorgaukeln soll, es ist Tatsache, daß wir seit gestern vor­mittag 10 Uhr keinen Fernsprech- und Telegraphendienst mehr haben, und daß die Post geschloffen ist, also weder Briefe ncch Pakete annimmt, noch ausgiebt. Der Grund liegt in dem von den Unabhängigen und Spartakisten in- scenierten Generalstreik zum Zweck des Sturzes der gegen­wärtigen Regierung, die einer Räterepublik Platz macken soll. Die Regierung hat nun Gegenmaßnahmen ergriffen, dis den Streikenden zeigen sollen, daß sie nicht gewillt ist, diesen willkürlichen und gewalttätigen Versuch, politische Anschauungen zur Geltung zu bringen, tcilnabmslos hinzu- nehmen. Sie hat deshalb einen Gegenstceik angeordnet, der den Streikteilnehmern vor Augen fübren soll, daß auch noch andere Erwerbs- und Wirtschaftskräfte vorhanden sind, die sich nicht von einer Minderheit vergewaltigen lasten. Ans einen Umkreis vgn 50 Kilometern um Stuttgart rukt sämtlicher Telephon-, Telegraphen- und Postoerkebr, und bis zu gewissem Grade wird auch der Personenverkehr nach Sluttaort einaeschränkt. In Stuttgart selbst sollen auch dos Gas-. Wasser- und Elektrizitätswerk stillgelegt sein. Wie wir Horen, soll es bis jetzt zu keinen Ruhestörungen gekommen sein. An dem gesttigen Demonstrationszug der Streikenden sollen größtenteils halbwüchsige Burschen und Mädchen teitgenommen haben. Die mehrheitssozialistische Partei hatte ja auch an ihre Anhänger die Ermahnung ausgegeben, sich nicht an Demonstrolionszügen zu beteiligen, und im Falle der Teilnahme ihres Betriebs am Streik ruhig zu Hause zu bleiben. Es handelt sich also lediglich um radikale Elemente, denen sich dunkle Existenzen, die es in der Großstadt immer genug hat, anqeschlossen haben werden. Unbegreiflich ist es, daß die Führer der Radi­kalen. die doch vor der Revolution nicht genug über die Vergewaltigung des Volkes schreien konnten, nicht einsehen, daß sie mit ihrem Gewaltigstem nur dem Ansehen und Intresse der sozialen und politischen Arbeiterbewegung schaden, denn bei ruhiger Uebsrlcgung müssen sie sich doch sagen, daß auf die Dauer sich die Mehrheit des Volkes nicht von einer gewalttätigen Minderheit schikanieren laßt.

Auf die Herausgabe unserer Zeitung ist der General­streik und seine Gegenwirkung natürlich von schwerwiegen­der Bedeutung. Wir erholten keinen Nachrichtendienst von Stuttgart, sind also gar nicht in der Lage, über die Vor­gänge in der Welt etwas zu berichten. Die Post nimmt außerdem unsere Zeitungen für die Landorte nicht an, so- daß wir gestern und heilte nur die Etadtanflage heraus- geben konnten. Was morgen sein wird, wissen wir n-ch nicht. Das kommt auf die Einsicht oder Hartnäckigkeit der Streikenden an, denn die Regierung kann ihre Gegenmaß­nahmen jetzt nicht mehr zurücknehmen, da sie sonst nur die Streikenden in ihrem Macktbeirußtsein stärken würde. Wir wollen aber hoffen, daß die Berkehrslähmung, die weder unser moderne« Wirtschaftssystem noch auch die auf die neuzeitlichen Verkehrsmittel eingestellte menschliche Psyche lange ertragen könnte, dato wieder behoben wird.

Verkehrsanstalten und Generalstreik.

I'm Amtsblatt der Württ. Verkehrsanstalten erläßt Unterstaalssekretär Hitzker namens des Ministeriums der Auswärtigen Angelegenheiten, Verkehrsabteiluiig, folgende Warnung vor dem Generalstreik. Der Zweck des geplan­ten Streiks ist nicht eine Verbesserung der Arbeits- und Lohnbedingungen für die Arbeiterschaft, vielmehr soll er aus- gesprochenermaßcn zum Sturze der Staatsordnung führen. Der anempfohlcne Gcneralstreik ist also ein rein politischer Streik. Die Teilnahme von Beanrten und Arbeitern der Verkehrsanstalten an einem solchen, gegen die Staatsord- nung und Staatsregicrung gerichteten Streik ist mit den ihnen obliegenden Pflichten nicht vereinbar. Wer an ihm teilnimmt, hat daher nicht blos zu gewärtigen, daß er keinen Geholt oder Lohn für die Streiktage erhält, sondern daß er damit auch sein ferneres Verbleiben im Staatsdienst in Frage stellt. Die Arbeiter der Eisenbahniverkstätten werden noch besonders darauf aufmerksam gemacht, daß der von ihnen der Verwaltung im Entwurf vorgelegte Tarifvertrag durch ihre etwaige Beteiligung am Generalstreik für die Verwaltung gegenstandslos werden wird.

Zur Waffenstillstands- und MdensskW.

- Teilweise Aufhebung der Blockade.

Berlin, 29. März. (W. T. B.) Fach telegraphierte am 23. ds. an Gen. Nudant in Spaa:Um Deutschland bet der Erlangung von Krediten in neutralen Ländern für den Ankauf von Lebensmitteln zu helfen, te len die assanier­ten Regierungen mit, dag in keinem neutralen Lande die Firmen in Zukunst Gefahr laufen werden, aus dem Grunde auf schwarze Listen gestellt zu werden, weil sie s) Lebens­mittel in den durch die assoz. Regierungen gebilligten Gren­zen und in lieber einstimmung mit den von die>en ausge­stellten Bedingungen nach Deutschland ausgesucht hätten, d) Für Deutschland zum Ankauf für diese Lebensmittel Kredite eröffnet hätten, c) wenn sie dse Ayssuhr aus Deutschland die die assoz. Regierungen genehmigt haben, eingejucht nutten.

Deutschland soll ermöglicht werden, mit Firmen der neutralen Länder zu verhandeln und Handel zu treiben, selbst wenn diese auf der schwarzen Liste stehen, unter Vor­behalt der Genehmigung des obersten Blockaderates. So ist denn endlich durch die teilweise Aufhebung der schwar­zen Listen die Voraussetzung gegeben, daß Deutschland von der Bestimmung des Brüss-ler Abkommens Gebrauch ma­chen kann, in neutralen Ländern- Lebensmittel einzukaufen und mit einer Ausfuhrware daher zu bezahlen. Deutschland muß aber verlangen, daß auch der letzte Vorbehalt füllt. Der Handel zwischen Deutschland und den Neutralen darf nicht langer von der Genehmigung und der Aussicht des Obersten Blockadcrates abhängen. Unser Handelsverkehr muß wieder ganz frei werden, sonst bleiben wir zahlungs­unfähig. Seine Forderung muß lauten: Fort mit der Blockade, fort mit den schwarzen Listen.

Die schamlose Willkür

der Franzosen im besetzten Gebiet.

Berlin, 30. März. Die Forderung der deutschen Regierung, den aus Elsaß-Lothringen ausgewksencn ober flüchtenden Deutschen zu gestatten, ihr gesamtes beweglicher Vermögen mitzunehmen, batten die Franzosen, wie be­kannt, abgelehnt. Sie erklärten, die zrnückgehaltenen Ver­mögenswerte sollten als Sicherheit für elwckge Forderungen von Etsaß-Loihrinzen an Deutsche dienen und zu deren Deckung Verwendung finden. Die Ausgleichsoerrechnung der Fordeiunaen würde voraussichtlich von einem beson­deren Ausgleiaisbüro vorgrnommen werden. Gegen diese Willkürmaßnahme ist am 27. März in Spaa eine Protest­note überreicht worden, in der es u. a. heißt: Die deutsch Regierung kann nicht umhin, ihr größtes Befremden über diese An.wort auszusprcchen. Die französische Regierung beatsichtigt demnach, in die privalrechtlichen Verhältnisse zwischen Elsaß-Lothringern und anderen Reichsongehörigrn durch ein Berwaltungsverfahren einzugrcifen, um so privat- rechtliche Forderungen und zwar ohne Anhörung des an­geblichen Schuldners -u befriedigen. Außerdem geht aber die Absicht der sroiizösischen Regierung offenbar auch dahin, aus den zwangsweise zurückgehaltcncn deutschen Vermögen alle geltend gemachten Ptivaisorderungen ohne Rücksicht darauf zu befriedigen, ob sich im einzelnen Falle die geltend gemachte Forderung gegen. den betreffenden Eigentümer richtet oder nicht. Es bedarf keiner Ausführung, daß eine .solche Maßnahme in jeder Hinsicht den elementarsten Rechks- grundsätzen widerspricht. Es kommt noch hinzu, daß sie auch im offenen Widerspruch steht zu der im Artikel 4 des Waffenstillstaildsabkommens getroffenen Vereinbarung, wo­durch der Schutz des Privateigentums zugesichert worden ist. Deutscherseits muß daher gegen das jetzt von drn französischen Behörden geübte Verfahren aufs entschiedenste Verwahrung eingelegt und erneut das nachdrückliche Ver­langen gestellt werden, das deutsche Privateigentum in Elsaß-Lothringen zu achten und den das Land Verlassenden die Mitnahme ihres beweglichen Vermögens zu gestatten.

Polens Appetit nach östlichen Gebieten.

Warschau, 30. März. Das polnische Konnte für auswärtige Angelegenheiten hat dem Landtag einen Gesetz­entwurf unterbreitet, in welcher der Abschluß eines formellen Bündnisses für die Polen und die Entente vorgesehen wird. Zugleich wird in dem Entwurf gefordert, daß die östlichen Gebiete, in denen die polnische Bevölkerung die Mehrheit hat oder wo die polnische Kultur vorherrscht, Polen «in­

verleibt werden. Bezüglich Litauens drückt der Gesetzent­wurf den Wunsch aus, daß Litauen etkiiogwphisch rin selb­ständiger Staat sein soll, der sich spü er durch Union den Polen anschtteßen möge. Die Polen stützen sich natür­lich ans ihr Bündnis mit der Entente, um im Westen und Osten sich Gebiete anzugliedern.

Die Angelsachsen gegen die Dergewattiqnng

der Deutschen im Nordosten.

Paris» 28. März. Die amu.konischen Delegierten stimmten dem britischen Gesichtspunkte zu, daß der vorge­schlagene Lcrcidor nach Danzig eine gefährliche Bedrohung für den künftigen Weltfrieden bilden konnte, falls er so groß aemacht werde, daß mehrere Millionen Deuüche darin eingeschlossen werden, welche spater für ihren Anch' an Deutschland stimmen könnten. Der Völkerbund ist daher vor eine außerordentliche schwierige Frage gestellt. Die Amerikaner müssen Rücksicht auf die Deutsch-Amerikaner nehmest.

Die Amerikaner wollen ihre nationalen Rechte dem Dölkrrbund nicht vreisp.eben.

Amsterdam, 31. März. Drahtlos wird aus Was­hington berichtet, daß der frühere Präsident Tast mit Wil­son seit seiner Rückkehr aus Paris kn enger Fühlung ge­blieben ist. Tast setzt sich für die Aufnahme der Aender- ungen im Döikerbundsvertrave ein, die den Vertrag auch für die repubükangche Opposition im Senat onnehmbar machen würden. Von unterrichteter Sette wird erklärt, Tast werde Wilson die 4 vorgeschkagenen Amendements zugebrn lassen, die auf die Integrität der amerikanischen Rechte, die Monroe-Doktrin, auf die vollständige Souveränität der Völker in ihren inneren Angelegenheiten, auf die Uebereinstimmung der Beschlüsse des aussöhrenden Rates und da» Recht, sich aus dem Bunde zurück­zuziehen. Bezug haben.

General Lettow-Borbeck über den Krieg in Ostasrkka.

Berlin, 31. März. General von Lettow-Vorbeck hielt heute mittag auf Einladung des Vereines Beniner Presse im Metropoltheater einen Vortrag über 'den Krieg in Deutsch-Ostasrika. Anwesend waren zahlreiche Vertreter der Koloniulvrrmoltung, des Heeres und der Marine, unter anderen Gouverneur von Schnee, General von Trotha. Nach Begrüßungsworten des Vorsitzenden des Vereins Berliner Presse Dr. Paul Michaelis, führte General von Lettow-Borbeck, stürmisch begrüßt, etwa folgendes aus: Zum Beginn des Kampfes standen ihm etwa 200 Euro­päer und 2400 Askoris zur Verfügung. Gegen ihn haben im Verlauf der Kampfe über 100 scindlichr Generale ge­standen. Es gelang ibm zunächst, die deutsche Kolonie 1 /, Jahre lang vom Feinde frei zu holten. Den großen Sieg bei Tanga errang er mit 1000 argen kOOO Mann. Im Frühjahr 1916 zwang ihn der Einmarsch der Süd­afrikaner unter General Smuls, seine Töügkeit zu ändern und durch Ausweichen den Feind hiinuhalten. Im November 1917 waren Waffen. M'miüon, Sanitätmatcriol, befondes das wichtige Chinin und Proviant soweit auf- gebraucht. daß unter anderem die alten Patronen Modell 70 71 verwendet werden mußten. Die Trappe mußte von R'nde leben, unter Zusammenfassung der marschföhigsten und kampstüchtigstcn Männer sich auf Überraschungen, schnelle Märsche und Ueberfälle entstellen. Die deutsche Truppe durchbrach die einschließendenden Feinde. Ein ge­lungener Ueberfall ans ein portugir fisch es Lager bei Nao- mano, am Zusammenfluß des Rowuma und des Lujcnda am 25. 11. 17, brachte gewaltige Beute an Gewehren, Munition und Proviant. Beim Uebntriit auf porttigie- sischcs Gebiet hatte der General etwa 300 Europäer und 1700 Askaris samt den nötigen Trägern. Die Ein­geborenen begrüßten die Deutschen als Befreier. Ein Jahr später, als die Nachricht vom Waffenstillstand enitras, waren noch 150 Europäer und 1200 Askaris bei der Fahne. Viele Askaris haben gesagt: Wir werden bei dir bleiben, b>s wir fallen. Aber auch die 3000 Träger Koben aus- gehalten. Dr. Michaelis brachte auf den General oo« Lettow-Vorbeck und alle die aus Ostafrika zurückgekehrt. sich dem Vaterland? sofort znm Schutze der Heimatgrenze zur Verfügung gestellt haben, ein Hoch aus, das jubelnde» Widerhall fand.