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Ur.N3.

Samstag, 11. August 1900

36. I.aHvgang

Rundschau.

Im Herbst d. Js. werden Mäd­chen zum Dienst bei den Telephon­anstalten des Landes angenommen werden. Voraussetzungen für die Annahme sind: passendes Lebensalter (zwischen 16 und 25 Jahren), den Anforderungen des Telephondienstes entsprechende Körper­beschaffenheit und Rüstigkeit, insbesondere normales Hör- und Sehvermögen, guter Leumund, gute Schulbildung, die Ersteh­ung einer Aufnahmeprüfung. Die Gesuche um Aufnahme sind spätestens bis zum 1. Oktober d. Js. an die Generaldireklion der Posten und Telegraphen zu richten. Die Aufnahmeprüfung wird am 22 und 23. Oktbr. in Stuttgart gehalten werden.

Ulm, 2. Aug. Mit der Frage des Wetterschießms beschäftigte sich in der heutigen Sitzung der Gemeinderat. Ober­bürgermeister Wagner teilte mit, baß man auf dem Münsinger Schießplatz die Wahrnehmung gemacht habe, daß das Schießen der Artillerie die Regeubildung verhindere und dichtes Gewölk zerteile. Auf Vorschlag des Oberbürgermeisters erklärte sich bas Kollegium bereit, Mittel zu bewilligen, um gemeinsam mit den landwirtschaftlichen Vereinen und der Stadt Neu Ulm weitere Versuche in dieser Frage anzustellen. Das Gouvernement hat sich bereit erklärt, die hiezu nötigen Geschütze, die sich nach ihrer Konstruktion zur Verstärkung der Schallwirkung und zur Erzeugung zahlreicher Luftwellen besonders eignen, zur Verfügung zu stellen.

Berlin, 7. August. Von den 10 Dampfern, welche das aus 13000 Mann bestehende deutsch-ostasiatische Expeditions­korps befördern, und in den Tagen vom 27. Juli bis 4. August in Bremerhaven abgegangen sind, haben die ersten Schiffe bereits Gibraltar hinter sich. Während die auf den DampfernFrankfurt" und Wittekind" eingeschifften zwei See- bataillone nach einer Kieler Meldung Taku etwa am 17. August erreichen werden, dürften von den in den letzten Tagen abgegangenen Schiffen die ersten Dampfer am 7. September in Taku an­langen. Die letzten Schiffe dürfteu am 19. September bei Taku eintreffen, so daß an diesem Tage alle deutschen Truppen auf chinesischem Boden versammelt sein dürften

Als Richtschnur für die deutsche P o l i t i k in Ostasien stellt M. v. Branvt, unser früherer Gesandter in Peking,

folgende Sätze auf:In Ostasien liegt unser Interesse nicht in einem Zuwachs territorialen Brsitzes, der uns neue Pflichten und damit nene Opfer auferlegen würde, sondern in der Gewinnung eines möglichst großen Anteils an dem chinesischen Markte für unfern Handel und unsere Industrie; in der Weltpolitik haben wir alle Veran­lassung, uns von den Zwistigkeiten fern zu halten, die sich aus den sich wider­strebenden Interessen und Aspirationen Rußlands, Englands und Japans in Ostasien ergeben können, und uns viel­mehr der Politik der Vereinigten Staaten anzuschließen, die nur ihre kommerziellen Interessen zu wahren bestrebt sind. Schon heute werden in der russischen Presse Stimmen laut, die Deutschland die Schuld an den Vorgängen in China zuschreiben, und in England ist man eifrig bemüht, Verdacht gegen Deutschland zu erregen und Rußland und Frankreich gegen dasselbe aufzuhetzen; uns aber sollten diese Vorgänge auf die Gefahren aufmerksam machen, die sich für uns aus dem Versuch ergeben würden, eine führende Rolle bei den Ereignissen in China spielen zu wollen oder nur aufdrängen zu lassen. Wir haben dort nicht mehr zu strafen und zu rächen als andre, wir haben weder das chinesische Rätsel zu lösen noch die chinesische Nuß zu knacken, sondern uns nur so weit an den gemein­samen Maßnahmen aller Mächte zu beteiligen, wie die genaueste Abmessung unserer Interessen dies notwendig und heilsam erscheinen läßt. Alles Weitere würde vom Uebel sein, und eL kann nicht ernsthaft genng davor gewarnt werden." Diese Sätze stehen durchaus im Einklang mit dem Programm, das Graf Bülow in seinem bekannten Rundschreiben für die deutsche Flotte in Ostasien aufgestellt hat, und es ist, daran ändert auch die Ernennung des Grafen Waldersee znm Oberfeldherrn nichts, nicht zu befürchten, daß Deutschland diese Linie verlassen und sich eine führende Rolle aufdrängen lassen werde.

Charlottenburg, 8. August. Der gestern hier verstorbene Abgeordnete Liebknecht war geboren am 29. März 1826 zu Gießen. Er besuchte das Gym- nasium in Gießen und die Universitäten Gießen, Berlin und Marburg. Beteiligte sich an der Revolution von 1848/49 und lebte als Flüchtling in der Schweiz und in England (in England 12 Jahre.)

1862 zurückgekehrt, war er Redakteur an derNorddeutschen Allgemeinen Zeitung", ist aber bald aus politischen Gründen ausgetreten. 1865 aus Preußen ausge­wiesen, wurde er 1867 in den Nord­deutschen Reichstag gewählt vom 19. sächsischen Wahlkreis; 1872 wurde er wegen Hochverrats mit Bebel zusammen zu 2 Jahren Festung verurteilt, die er auf Hubertusburg abbüßte. Mit Bebel redigierte er die ZeitungVorwärts" in Berlin, das Zentralorgan der Sozial­demokratie Deutschlands. Neben seinem fanatischen Glauben an die nahe Ver­wirklichung des kommunistischen Zukunfts­staats, hat er sich insbesondere durch seinen absoluten Mangel an Vaterlands­gefühl und seinen Bismarck-Haß hervor- gethau; er vor allen Anderen hat der deutschen Sozialdemokratie den vater­landslosen Charakter ausgeprägt, und wie treu er seiner Rolle als Verächter alles dessen, was wie Patriotismus aussieht, bis ans Ende geblieben ist, hat er erst in den letzten Wochen durch seine maß- und sinnlose Befehdung der deutschen Chinapolitik dargethan.

Anarchistische Schandthaten sind bisher stets in Gruppen ausgetreten. Sommer und Herbst des Jahres 1878 brachten allein vier Mordversuche auf gekrönte Häupter, die Hödels und Nobi- lings auf den greisen Kaiser Wilhelm, das Moncasis auf Alfons XII. von Spanien und das von Passanante auf König Humbert. Das war der Anfang auf den die Gesetzgebungen mit Ausnahme­gesetzen reagierten, ohne dadurch die Wiederholung der Anschläge zu verhindern. Im Jahre 1884 taucht das anarchistische Gespenst in Spanien, Frankreich und Deutschland kurz hintereinander auf; es wird der furchtbare, seiner Ausführung so nahe Plan entdeckt, sämtliche deutschen Bundesfürsten auf einmal bei der Ent­hüllung des Niederwald-Denkmals in die Luft zu sprengen. Das Jahr 1886 bringt wiederum zwei schreckliche Attentate, dar­unter die Bomben-Explosion in Chicago, der achtzig Personen zum Opfer fielen. Zum Anfang der Neunziger Jahre reißt der Faden raum ab. In Pariser Häusern folgt eine Dynamit-Explosion der andern. Im Jahre 1893 sind drei Attentate im kurzen Zeiträume von vier Wochen zu verzeichnen; der Bombenwurf im Theater- Ei Liceo von Barcelona, bei dem 20 Menschen das Leben ließen, vierzig ver-