— 346 —
Die Nachricht von der Verlobung erregte in Belgrad Bestürzung und nur wenige Personen gratulierten. Die Stadt ist It. Fkf. Ztg. fast gar nicht beflaggt.
Paris, 18. Juli. Die ganz außergewöhnliche Hitze, die seit Mittwoch ununterbrochen herrscht, hat dem Besuche der Weltausstellung erheblich geschadet, da die Zahl der Besucher trotz des großen Andranges, den das Naiivnalsest mit sich brachte, weit hinter den früher verzeich- neten Ziffern zurückgeblieben ist. Am Tage des Nationalfestes wurde statt der allgemein erwarteten halben Million Besucher nur deren 351, 807, und Tsgs darauf (Sonntags) nur 340, 117 gezählt. Man kann es den guten Leuten, die auf der mehr oder minder langen Eisenbahnfahrt schon erheblich unter der Hitze ge- litten haben, nicht verargen, wenn sie nicht bei 35° im Schatten sich in die Ausstellung wagten. Gestern stieg die Temperatur sogar auf 36.6 °0. Das war der fünfte Tag, an dem das Termometer über 30° zeigt. Eine Temperatur von mehr als 36° hat man in Paris, wie der „Herald" aus dem Observatorium erfährt, nur viermal im Laufe dieses Jahrhunderts gehabt.
Ueber die Einnahme von Tientsin berichtet ein am 21. ds. aus Tschifu eingegangenes Telegramm des russischen Vizeadmirals Alexieff. Nach zweitägigem hartnäckigem Wiederstand der chinesischen Truppen wurde Tientsin, das von zwei Seiten durch unserer und die Verbündeten Truppen angegriffen wurde, genommen. Bei der Einnahme der chinesischen Stellung wurden 40 Geschütze, eine Menge von Kriegsmaterial erbeutet. Ein großes Pulverdepot wurde vernichtet. Der Angriff wurde durch das Artilleriefeuer zweier 120 Millimeter Geschütze des Kreuzers „Wladimir Monarch" vorbereitet. Unsere Verluste sind bedeutend; sie betragen 200 Mann an Toten und Verwundeten. — Ein Anderes Telegramm besagt: In der Nacht vom 18. auf den 14. nach unseren bedeutenden Erfolgen verließen die Chinesen das Fort und die Befestigungen von Jugani und flohen nach Norden in der Richtung auf - Peking. Jugani siel in die Hände der Russen. Die chinesische Stadt ist jetzt in den Händen der Verbündeten und versprach Unter- würfigkeit und Gehorsam.
Tokio, 20. Juli. Nach dem japanischen Bericht begann der allgemeine Angriff auf die Wälle von Tientsin am 13 ds. früh 4 Uhr. Am 14. ds. früh 3 Uhr sprengten die Japaner die Stadt- thore und pflanzten das Banner der „aufgehenden Sonne" auf dem Zentralturm der Stadt auf. Die Verluste betrugen: 9 Offiziere tot, 300 Mann tot oder verwundet. Ein später eingegangeuer japanischer Bericht besagt: Nachdem die Stadt am 14. früh genommen war, beschossen japanische Geschütze die Marine- kaserne, worauf die Russen einen Angriff machten. Inzwischen hielten zwei japanische Abteilungen die Eisenbahnstation und schlugen die chinesischen Angriffe zurück. Darauf ergriffen sie Besitz von der Marinekaserne nnd ihrer Umgebung und erbeuteten 48 Kanonen. Die Verluste betrugen 60 Tote und 270 Verwundete. Ein später eingegangener Bericht besagt weiter, daß in der Marinekaserne 80 Geschütze erobert wurden, von denen 16 ganz neuer Konstruktion
sind. Die umwallte Stadt Tientsin hat jetzt eine Besatzung von Japanern, Engländern, Amerikanern und Franzosen. Die Gesamtverluste der Verbündeten am 13. und 14. Juli betragen 500 Mann, darunter über 300 Japaner.
Lokales.
Wildbad, 23. Juli. Die Papierfabrik Wildbad gab gestern im Gasthof zur „Eisenbahn" ein kleines Fest zu Ehren ihres ältesten Arbeiters, dem auf Antrag der Fabrikleitung von der Regierung die König-Karljubiläums-Medaille verliehen worden war. Vierzig Jahre lang hat der Jubilar, Werkführer Fritz Trippner von hier, in treuer Pflichterfüllung seine Arbeit verrichtet. Schon vor 3 Jahren hat ihm der Schutzverein deutscher Papierindustrie ein Ehrendiplom und die Firma ein namhaftes Geldgeschenk überreicht Herr Direktor Schnitzer dankte dem Jubilar im Namen der Verlagsanstalt für seine treuen, gewissenhaften Dienste und drückte seine Freude darüber aus, daß diese musterhafte Pflichterfüllung auch an höchster Stelle gewürdigt und durch Verleihung der Medaille geehrt worden sei. Er schloß mit einem Hoch auf S. M. den König. Nun erhob sich Herr Stadtschultheiß Bätzner, feierte ihn, seinen Schulkameraden, der durch harte Zeiten zum gediegenen Manne gereift sei und als Muster für die jüngeren Arbeiter dienen könne, die ihm nacheifern sollten und endetete mit einem Hoch auf den Jubilar. In einer weiteren Rede hob Hr. Stadtschultheiß Bätzner ganz besonders die Verdienste des Herrn Kommerzienrat Moser hervor, der' als leuchtendes Vorbild über alle Angehörige der Firma hoch hervorrage und aufrichtige Bewunderung verdiene. Herr Stadtpfarrer Auch hob hervor, daß solche Achtung, wie sie der Jubilar allseitig genieße, nur aus einem christlichen Hauswesen hervorgehen könne und daß man auch der Frau gedenken müsse, die ihr Teil an der Ehre des Mannes verdiene. Dr. Teufel als Kassenarzt hob die Fürsorge des Herrn Direktor Schnitzer für seine Arbeiter in Fällen der Not und Krankheit rühmend hervor. Werkführer Hof, der auch schon 31 Jahre im Dienst steht, dankte im Namen des Jubilars, der zu gerührt war, um eine Rede zu halten und versprach im Namen der Arbeiter durch treue Arbeit und Anhänglichkeit die Ehrung ihres Mitarbeiters zu lohnen und den Geist der Kameradschaft und des festen Zusammenhalts zu wahren, wie es vorher Hr. Stadtschultheiß Bätzner ihnen ernstlich ans Herz gelegt habe. Ein Tänzchen schloß die Feier, die in schönster Harmonie verlief und allen Teilnehmern noch lange in schöner Er-
Unterhaltendes.
Lenchtzn.
Eine Erzählung von Dr. Emil Freiburger
(Fortsetzung.) (Nachdruck Verb.)
„Gewiß muß man unwillkürlich daran denken. Wenn sie nur zwei Jahre älter wäre. Doch ein siebenzehnjähriges Mädchen so weit übers Meer schicken — das brächte ich, glaub ich, nicht über mein Mutterherz."
„Aber", warf der Bauer ein, „sie kommt ja nicht zu fremden Leuten, sie
/kommt zu ihrem Onkel, zu meinem Bruder."
„Wenn es Deine Schwester oder Schwägerin wäre, wollte ich nichts dagegen einwenden", sagte die Hanfbäueriu. Doch der Onkel ist ein Mann, und so selbständig Lenchen auch mit der Zeit werden kann, jetzt braucht sie noch eine Mutter oder erfahrene Freundin an ihrer Seite. In Amerika ist ihr alles neu, Menschen und Gewohnheiten. Sie bekäme sicherlich schon unterwegs das Heimweh; und braucht sie Rat und Trost, kann sie sich nicht so ohne weiteres an einen Mann anlehnen, auch wenn es Dein Bruder ist. Das verstehet ihr Männer nun einmal nicht".
„Und ich, mit Verlaub, liebe Susanne, kenne ganz gut die Redensarten der Weiber, wenn sie in einer Sache nach ihrer eigenen Ansicht handeln wollen."
„Nun, lieber Philipp, Du bist in solchen Sachen bis jetzt immer gut gefahren, wenn Du mich machen ließest. Ich rede Dir ja auch nicht in Deine Sachen, obschon es manchmal vielleicht besser wäre, wenn Du mir nichts verheimlichen würdest."
„Was verheimliche ich Dir denn? Ich schickte ja gerade deshalb Lenchen weg, um Dir Alles zu sagen."
„Alles?" frug sie, zog bas gefundene Papier, auf welchem „200 Mark" stand, aus ihrem Sacke und legte es ihrem Mann unter die Augen, indem sie ihn scharf anschaute.
„Ja, gerade hierüber wollte ich auch mit Dir reden, Susanne. Du hättest nur noch ein wenig warten sollen. Ich kann Dir's aber sogleich jetzt sagen; denn es geht auch das Lenchen an. — Du willst mich mit diesem Papiere fragen, wo ich das Geld her habe ? Geliehen Hab' ich es."
„Bei wem?"
„Beim Mittelmüller."
„Aber Philipp, Du versprachst mir doch, nicht bei dem Manne zu leihen."
„Du hast gut reden, Susanne. Wenn mir aber kein anderer mehr etwas giebt. Du weißt, daß die meisten unserer Liegenschaften dem Onkel gehören. Auf die meinigen stellte ich schon so viele Hand- schriften aus, daß wenn morgen die Gläubiger sagen, sie wollten ihre Darlehen eingetragen haben, nicht mehr viel übrig bleiben wird. Das, was Du mitbrachtest, ließ Dein Vater durch den Ehevertrag sorgfältig absondern. Der Mittelmüller muß überall herumgehorcht, von allem Kenntnis genommen und die anderen heimlich aufmerksam gemacht haben. Deun sie sagen, wenn ich etwas leihen will, es gebreche ihnen selbst bei den schlechten Zeiten an Geld, oder sie behaupten, sie hätten auch vor Kurzem beim Mittelmüller geliehen^ Einer meinte, wenn ich selbst mich geniere, so wolle er bei ihm den Vermittler machen und in meinem Namen anklopfen. Er kenne ihn, es sei ein ganz scharmanter Mann. Was blieb mir übrig? Der Zins für den Onkel ist schon lang verfallen, verschiedene Rechnungen sind zu bezahlen, den Lohn für den Marte und die Bärbel kann ich nicht länger hinausschieben. So ersuchte ich um 500 Mark mit dem Bemerken, daß ich die Summe nach der Ernte wieder mit Zins heimzahlen wolle. Was geschieht?"
„Nun?" frug die Hanfbäuerin.
„Ter gute Freund brachte mir statt 500 Mark nur 200 mit der Nachricht, der Mittelmüller wolle mir diese 200 als