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Königsgesellschaft in den gleichen Zug ein, aber meist nicht in den Wagen, wo die Angekl. saßen. Nur 2 derselben, A. S. und M>, bestiegen den Wagen, in dem sich die Angekl. befanden. Als diese beide für sich Platz haben wollten, kam es zwischen ihnen und den Angekl. zu einem Wortstreit, der damit endete, daß M. beschimpft und A. S. mit einem Stockschlag ins Gesicht entlassen wurde. Beide begaben sich jetzt in den Wagen ihrer Bundesbrüder und erzählten das Vorgefallene. Der Rechtskandidat B. und der Theologe H. S. begaben sich hierauf in den Wagen, wo die Angekl. saßen, und wollten unter Beihilfe des Justizrefereü- därs B. deren Namen feststellen, welches Unternehmen aber erfolglos war. Die Angekl. verließen in Dußlingen den Zug. Die Studenten fanden es für gut, auszusteigen und denselben zu folgen. Nun ging auf dem Bahnhof die Schlägerei los; es wurde mit Messern und Stöcken drum und drüber zugehauen; die Duß- linger behielten die Oberhand. Rechts- kand. B. trug die schwersten Verletzungen davon; auf ihn wurde mit Messern losgearbeitet; er war infolge der erhaltenen Verletzungen mehrere Wocheu arbeitsunfähig, H. S. erlitt Verletzungen am Hinterkopf, dem linken Oberarm und dem rechten Schulterblatt, auch er war 14 Tage arbeitsunfähig; Ref. B. erhielt einen Stich in die rechte Halsseite auf die Kopfnickermuskel und war 10 Tage arbeitsunfähig. Der letztere war, wie die Hauptverhandlung ergab, nicht ausgestiegen, um die Angekl. zu verfolgen, sondern es war ihm darum zu thun, seine Reisebegleiter auf die unmittelbar bevorstehende Abfahrt des Zugs aufmerksam zu machen. Erst als er sich wieder zum Einsteigen anschickte, bekam er den erwähnten Stich in den Hals. Zeugen bekundeten, daß sie einen solchen Vorfall noch nie mit angesehen haben. Die Studenten erreichten noch den Zug, mit Ausnahme des Ref. B. Diesen bearbeiteten die auf heimatlichem Boden befindlichen Dußlinger noch weiter; er mußte deshalb Zurückbleiben. Auf Grund des Sachverständigengutachtens waren Kand. B., H. S. und Ref. B. so verletzt, daß Lebensgefahr nicht ausgeschlossen war. Auf Grund der Hauptverhandlung wurden sämtliche Angeklagte für schuldig erklärt und demgemäß verurteilt. Kienle und Jakob Zürn zn je 9 Monaten und Georg Zürn zu 4 Monaten Gefängnis.
Ulm, 17. Juli. Die beiden Wiener Distanz-Faßroller, Kaufmann Enzmann und Cafetier Trebsche, die um 5000 Kronen gewettet haben, ein 256 Kilo schweres Faß in 50 Tagen von Wien nach Paris zu rollen, find gestern abend hier einge troffen und haben im Hirsch Ouartier genommen. Von der nahezu 1400 Klar, langen Strecke haben die Beiden in 24 Tagen etwas über die Hälfte zurückgelegt. Der Weg war anfänglich durch ununterbrochenes Regenwetter sehr schlecht. Doch hoffen die Unternehmer, trotzdem sich der eine derselben den Fuß verstauchte, bis zur gegebenen Frist in Paris einzutreffen.
Karlsruhe, 16. Juli. In der hiesigen Färberei und Chem. Waschanstalt vorm. Ed. Printz Akt.-Ges. herrschte am gestrigen Sonntag fieberhafte Thätigkeit. Die Firma wurde noch in letzter Stunde von der Militärbehörde damit betraut,
sie Mannschaftsanzüge der badischen Chinatruppe, welche am 17. ds. Mts. Karlsruhe verließ, khakigelb zu färben. Die Arbeit — es handelte sich um über 2000 Röcke und Hosen — wurde einschließlich der Appretur und Bügelei innerhalb 24 Stunden prompt erledigt.
Baden-Baden, 19. Juli. Laut einer hier eingetroffenen Nachricht wird der Schah von Persien Ende dieses Monats hier eintreffen und in Baden- Badeu einen mehltägigen Aufenthalt nehmen.
St. Blasien, 17. Juli. Staatsminister v. Tirpitz ist gestern zum Kurgebrauch hier eingetroffen und wie gewöhnlich im Kurhaus abgestiegen.
Lörrach, 17. Juli. Gestern Nacht halb 1 Uhr brannte im benachbarten Grenzach in der chemischen Fabrik von Hoffmanu u. Co. das Magazin mit sei- neu bedeutenden pharmazeutischen Vorräten bis auf den Grund nieder. Der Schaden ist bedeutend, die Ursache noch unbekannt.
Bad Nauheim, 18. Juli. Der Fürst von Bulgarien ist zu längerem Kurgebrauch hier eingetroffen.
Krakau, 15. Juli. Der Czas erfährt aus angeblich sicherer Quelle, der verstorbene russische Minister des Auswärtigen, Graf Murawiew, habe nach einer überaus heftigen Auseinandersetzung mit dem Zaren Selbstmord begangen. Er habe dem Zaren einen Brief hinter- laffen, in welchem er diesen beschwor, seine, Murawiew's China - Politik zu befolgen.
— Ueber den neuen Angriff vom 14. ds. meldet nun die Londoner „Daily Mail" aus Shanghai von heute: Die Verbündeten nahmen am 14. ds. Mts. morgens den Angriff auf die Chinesenstadt von Tientsin wieder auf. Es gelang ihnen, eine Bresche in die Mauer zu schießen und alle Forts zu nehmen. Die Chinesen sind in voller Auflösung. Die Verbündeten ergriffen Besitz von der Eingeborenenstadt und den Befestigungen. Die Gesamtverluste der Verbündeten in den Gefechten am Donnerstag, Freitag und Samstag betragen 800 Tote und Verwundete. Die größten Verluste hatten die Russen und Japaner.
— Nach einer engl. Meldung rechnet man dort mit der Möglichkeit, daß FM. Roberts sich in Pretoria nicht halten kann und wahrscheinlich genötigt sein wird, sein Hauptquartier nach Bloem- fontein zurückzuverlegen. Die letzten Ereignisse, das heißt, die Kämpfe östlich und westlich von Pretoria, sind weniger deshalb bemerkenswert, weil sie unglücklich für die Engländer verlaufen sind, als weil sie unter den Mauern des Hauptquartiers stattgefunden haben.
SanFraucisko,2. Juli. Große Aufregung herrscht hier infolge der Berichte von einem „neuen Klondyke", das in Nieder-Kalffornien entdeckt worden sein soll. Drei Goldgräber sind soeben mit Goldstaub im Werte von 800000 Mark angekommen, die sie in wenigen Monaten auf den Goldfeldern gefunden haben. Ein Mexikaner Josö Jbarro, brachte Gold im Werte von 400000 Mk. mit, das er im Laufe eines Jahres gewonnen hat. Die Goldfelder umfassen ein Gebiet von 250000 Acres. Es giebt Bisher nur wenige Goldgräber am Platze,
und alle erwerben sich in kürzester Zeit ein Vermögen.
WnterHcEsnöes.
Lenchtzn.
Eine Erzählu -g von Dr. Emil Freiöurg er
^Fortsetzung.; (Nachdruck »erb.)
„Nein, sie iveiß noch nichts davon- Ich wollte zuerst deine eigene Meinung darüber hören, denn der Onkel will Dich gewiß nur haben, wenn Du wirklich gern zu ihm gehst. Ich werde ihm also schreiben, daß Du nicht gern gehst und daß wir Dich nicht zwingen wollen. Aber gut bekämest Du es beim Onkel, besser als bei uns ; denn bei ihm geht es immer aufwärts und beiunsimmerjabwärts."
„Wie meinst Du das nur, Vater? Wir haben doch viele Aecker und Wiesen, wir haben einen Stall voll Kühe, und erst gestern sagt das Kütterli: „Ja, wenn wir so reich wären, wie ihr!"
„Ich weiß wohl, Lenchen, daß die Leute es meinen, aber es ist nicht so, wie es aussieht. Hast Du denn noch nicht wahrgenommen, wie schwer es hält, um unsere Frucht um eiuen anständigen Preis zu verkaufen, und wie man beim Krämer das Mehl aus Ungarn und Amerika um fast denselben Preis kauft, um den man früher die Frucht verkaufte?"
„Doch, Vater, das hat mich auch schon gewundert, warum wir noch in der Mühle mahlen lassen, da man doch so schönes und wohlfeiles Kunstmehl haben kann."
„Und wie lange" — begann der Vater wieder — „bleibt uns der Hanf in der Scheune oder auf dem Speicher liegen, während früher die Händler uns denselben schon auf dem Acker abkanften und noch dazu um schweres Geld. Die guten Zeiten sind vorbei, Lenchen. Es geht überall rückwärts mit der Landwirtschaft, und zuletzt werden sich die Bauern an ihrem eigenen Herd aufknüpfen müssen."
„Aber, Later! Was Ihr mir saget! Ich erschrecke ja ganz über Eure Reden. So habet Ihr doch noch nie geredet."
„Ja, einmal mußt Du es doch erfahren. Siehe, deshalb wäre es mir schon recht, wenn Du zum Onkel gingest. Er würde Dich vermutlich als seine Tochter annehmen, da er keine Kinder hat; und gefällt es Dir nicht bei ihm, kannst Du ja immer wieder zu uns zurückkommen."
„Wenn es sich nur um eine Versorgung handelt, brauche ich nicht nach Amerika zu gehen. Ich habe, gottlob, gesunde Hände und Füße; ich suche mir sogleich morgen einen Dienst, hier oder nicht weit von hier. Dann bleibe ich doch in eurer Nähe. Dienen ist keine Schande, so wenig also arbeiten. Bist Du es zufrieden, Vater?"
„Ja, wenn es der Mutter recht ist," erwiderte der Hanfbauer.
„O, der Mutter wird es schon recht sein. Sie hat ja auch gedient und war doch ans einer guten Familie. Gelt Vater?"
Gewiß, Lenchen und. gerade deshalb gefiel sie niir so besonders gut, weil sie keine Arbeit scheute."
Dem Lenchen wurde es bei einer Wendung des Gespräches ganz leicht ums Herz; sie dachte, der ganze Plan mit Amerika sei jetzt glücklich aus dem Weg geräumt. Sie zählte alle die leeren Stellen ab, wo die Setzlinge verdorrt und ausgebrannt waren; es fehlten über