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tapfere Versuche, gegen die Buren anzu­stürmen, 14 Mann wurden dabei getötet oder verwundet. Bei Anbruch der Nacht war alle Munition verschossen. Die letzten Flüchtlinge vom Kampfplatze sagten aus, daß die Leute mit aufgepflanztem Bajo- net gute Deckung genommen hatten, und sie erwarteten so das Herankommen des Feindes. Man befürchtet schwere Ver­luste. Etwa 30 Mann kamen in das Lager bei Pretoria zurück.

London. 12. Juli.Daily Telegraph" meldet aus Kanton vom 10. : Am Morgen des 10. Juli fand ein Zu­sammenstoß zwischen deutschen Truppen und Boxern bei Kiantschou statt. Zahl­reiche Boxer wurden getötet.

London, 13. Juli. Die Abend­blätter melden, heute früh sei in London eine amtliche Drahtnachricht aus Peking eingetroffen, derzufolge sämtliche Fremden in Peking am 6. ds. ermordet worden seien. Aus diesem Anlaß fragte das Reu- tersche Bureau im ausw. Amte an, wo­rauf geantwortet wurde, es sei hiervon nichts bekannt.

London, 13. Juli.Daily Mail" erfährt aus Shanghai: Das Ausbleiben aller direkten Nachrichten aus Peking er­klärt sich dadurch, daß alle chinesischen Beamten unter Androhung von Todes­strafe zum Schweigen verpflichtet sind. Trotzdem weiß der Berichterstatter des Daily Mail" zu melden, daß am letzten Montag ein aus amtlicher chinesischer Quelle aus dem Norden stammender Bericht in Shanghai eingetroffen ist. Dieser Bericht be­sagt, daß die beiden noch übrig gebliebenen Gesandtschaften, die englische und russische am 6. Juli abends angegriffen worden. Prinz Tuan führte das Oberkommando und befehligte im Zentrum. Prinz Tfai- Ain befehligte den rechten, Prinz Jin-Liu den linken Flügel, während Prinz Tsai- I)u die Reserven kommandierte. Der Angriff begann mit der Artillerie. Der heftige Angriff dauerte bis 7 Uhr am anderen Morgen. Bis dahin war die Zerstörung beider Gesandtschaften voll­endet. Alle Ausländer waren tot und die Straßen um die Gesandtschaften voll von den Leichen der Ausländer und Chinesen. Prinz Ching und der General Wang-weng-schao eilten, als sie von dem Angriff hörten, mit ihren Truppen den Ausländern zu Hilfe. Sie waren aber in der Minderzahl und wurden besiegt. Prinz Ching und General Wang-weng- schao wurden getötet. Es heißt, daß 2 Ausländer durch die Thore entkommen seien. Prinz Tuan verteilte zur Feier des Sieges 100000 Taöls (1 Taöl un­gefähr gleich 1 Thaler) und große Mengen Reis an die Boxer.

Die Königin von England hat am 9. Juli ihre Zustimmung zu der vom Parlament angenommenen neuen austra­lischen Bundesverfassung gegeben und derselben durch ihre Unterschrift und ihr köuigl. Siegel Kraft verliehen. Am 1. Januar 1901, also mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts werden die sämt­lichen australischen Kolonien in einem unauflöslichen buudesmäßigen Gemein­wesen des Ver. Königreichs von Groß- britanien und Irland zusammengeschloffen sein und somit einen Bundesstaat unter ver britischen Flagge bilden, der seine igeue Verfassung und sein eigenes Par­ament haben wird. Die Auspizien des

neuen Staatenbundes, so schreibt man der B. Z., sind außerordentlich günstige. Als ein Teil des engl. Weltreichs ist er natürlich im vollen Genüsse des Schutzes des Mutterlandes, während er sich andererseits unabhängig und frei ent­wickeln kann und auf diese Weise seinen Bürgern ganz besonders schätzenswerte Bürgschaften für ihre privaten und poli­tischen Wünsche bietet. Außerdem haben die australischen Kolonisten nicht, wie z. B. diejenigen in Canada oder Süd­afrika, mit nahen, mächtigen und unter Umständen lästigen Nachbarn zu rech­nen, noch sind fremde Elemente vorhanden, die mit fremder Sprache und Sitte dem jungen Gemeinwesen Schwierigkeiten be­reiten könnten.

Lokales.

Wildbad, 16. Juli. Ihre Großh. Hoheit die Vw. Fürstin Waldemar zu Lippe-Detmold, geb. Prinzessin von Baden, ist mit Gefolge zum Besuche Sr. hochfürstlichen Durchlaucht des Fürsten und Ihrer Hoheit der Fürstin zu Schaumburg-Lippe heute hier ein­getroffen; Ihre Großh. Hoheit hat mit den hochfürstlichen Herrschaften zusammen im Hotel Klumpp diniert und wird die hies. Stadt mit dem Abendzug wieder ver­lasse».

BUinN chteS

Inder letzten Nummer desHeim­garten" schreibt Rosegger:Eine Familie mit dem gewöhnlict-en Bekanntenkreis giebt wöchentlich mindestens vier Ansichtskarten aus. Wenn vielleicht im Winter weniger, so gewiß ini Sommer mehr. Um dieses könnte sie sich jährlich acht bis zehn schöne Bücher anschaffen. Die Ansichtskarten­macher wollen leben, heißt es immer. Ja, wenn es den gütigen Leuten schon darauf ankommt offen gestanden leben wollen eigentlich die Bücherschreiber auch."

In einer Plauderei über starke Menschen erzählt dasWiener Fremden­blatt" Folgendes: Der Herzog von Gra- mont, der Minister des Aeußern Napo­leons III. (einige Zeit auch Botschafter in Wien), produzierte in Abendgesellschaf­ten vor den bewundernden Damen des Hofes oft das Kunststück, daß er mit sei- uer wohlgepflegten Aristokratenhand ein Zwanzigfrankeustück krummbvg. Der vor einigen Jahren verstorbene italienische Schriftsteller Paolo Fambri war wohl unter allen Männern der Feder der kräf­tigste. In Florenz besorgte er einst in einer stürmischen Versammlung die Räu­mung des Saales ganz allein, indem er sämtliche Teilnehmer, Einen nach dem Andern hinauswarf. In Turin hielt er ein Paar Pferde, die mit einer Equipage durchgingen, mit solcher Gewalt auf, daß die Tiere zu Boden stürzten. Allerdings verrenkte er sich dabei die rechte Hand. Als Student in Padua hob er zum Scherz den Flügel des großen Universitätsthores aus den Angeln und als Abgeordneter drückte er m Monte Citorio, da im Par­lamentsgebäude Feuer ausbrach, mit der Schulter eine Thür ein, welche die Feuer­wehr mit ihren Aexten nicht einschlagen konnte. Einen Kutscher, der ihm die Fahrt verweigerte, hob er, ohne ein Wort zu sprechen, mit einer Hand auf den Bock, und ein wohlbewaffneter Strolch, der ihn auf einer Fhßwanderung in Sizilien an­fiel, erhielt einen Faustschlag, daß er be­

wußtlos zusammenstürzte und an einer Ge­hirnerschütterung starb.

Von der Schlauheit eines grie­chischen Schuhputzers berichtet die Asty: Vor dem Portal des großen Theaters bittet der kleine Lustro einen Herrn, ihm die Schuhe putzen zu dürfen; es koste nur eine Dekara (10 Lepta). Herr:Eine Dekara?,, Lustro:Nun, eine Pen- tara" (5 Lepta). Da aber der Herr auch auf diese verlockende Offerte nicht zu reagieren scheint, ruft der Lustro:Also gratis, mein Herr!" Von dieser stolzen Generosität überrascht und neugierig ge­macht, beschließt der Herr sich die Schuhe putzen zu lassen. Sobald aber der eine Stiefel spiegelblank war, versetzt der kleine Lustro:So mein Herr, für den andern jetzt aber 20 Lepta".

Wnterrhal'Lenöes.

Lenchen.

Eins Erzählung von Dr. Emil Freiburger

(Fortsetzung.^ (Nachdruck Verb.)

Franz, der gern scherzte, aber noch lieber bei allem sogleich wettete und loste, stand vom Tische auf mit den Worten:

Wisset ihr, was? Wir wollen losen, und wer das längste Los zieht, der geht zum Onkel nach Amerika".

Den Kindern gefiel dieser Vorschlag außerordentlich; und während Franz draußen einige Heuhalme holte und dann sechs kleine Stücke von verschiedener Länge zurecht machte, saßen die anderen in freudigster Neugierde, wen es wohl treffen möchte. Nur dem Lenchen gefiel die Sache nicht. Sie war entschlossen, wenn die Reihe an sie käme, nicht zu ziehen.

Fritz, Anna, Bertha und Mina halten schon gezogen, und jedes verglich mit dem andern sein Hälmchen.

Jetzt hielt Franz nur noch zwei Hälm­chen in der Hand.

Ziehe Lenchen!" sagte er und preßte seine Finger fest zusammen.

Nein ich ziehe nicht."

.Warum nicht?"

Weil ich nicht will."

So ziehe für mich!" bat Franz, dann bleibt das letzte für Dich in meiner Hand."

Nein, ich ziehe auch nicht für Dich", sagte Lenchen fest.

Franz besann sich einen Augenblick; danu wandte er sich rasch zu Bertha:

Bertha", rief er,ziehe für mich!" Und ehe Lenchen nur einen Einwand da­gegen erheben konnte, hatte Bertha Fran­zens Los zwischen den Fingern. Dieser aberlegte das letzte, für Lenchen bestimmte Los auf den Tisch. Die anderen streckten sich hierbei, legten die von ihnen gezogenen Hälmchen daneben nnd maßen ab. Kein Zweifel: Lenchens Heimchen war das längste.

In jener Nacht konnte Lenchen lange Zeit keinen Schlaf finden. Der Schrecken, den sie mit dem Handwerksburschen er­lebt, das umgebogene Blatt am Brief, dessen Inhalt .der Vater offenbar ver­heimlicht, das Los, das sie schließlich ge­troffen hatte, alles beunruhigte innrer wieder von neuem ihr Herz. Der Wäch­ter, der im Dorf die Stunden ansagte, rief zwölf Uhr, und noch legte sich der Schlaf nicht auf der Jungfrau Auge. Sollte diese Nacht für Lenchen eine Wen­dung ihres Lebens bringen? Sollten ihr