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Warum gab mir diesmal der Vater nicht des Onkels Brief? Es muß doch etwas besonderes darin stehen? Wird er uns heute abend, wenn wir alle bei­sammen am Tische sitzen, auch alles lesen, oder wird er etwas verschweigen? Ich Werde ihn scharf beobachten. Sehr be­gierig bin ich auch, ob dem Onkel das Familienbild, das wir ihm schenkten, gefiel. WaS wird er zum Bild unserer lieben Frida sagen, welche bei seinem letzten Besuch noch kaum auf der Welt war? Doch warum schreit nur Plötzlich das Kind? Ich kann doch jetzt nicht von der Milch weglaufen."

So plauderte Leuchen in Gedauken vor sich hin. Aber Frida schrie, als stecke ihr ein Messer im Halse und es blieb der Schwester nichts übrig, als den Topf bei­seite zu stellen und nach dem Kinde zu schauen.

Sie öffnete die kleine Thüre und schrack vor einem ängstigenden Anblick zusammen. Unter dem Eingang vom Wohnzimmer zur Schlafkammcr stand ein fahrender Handwerksbursche, einen eisen­beschlagenen Stock in der Hand und einen befleckten, zerknitterten Schlapphut auf dem Kopf. Schmutzig, struppig, starrte der Stoppelbart; frech war das Auge, noch frecher das Maul.

Hübsches Jüngferlein", begann der Vagabund,könnte ich einen Zehrpfennig oder doch lein Stück Brot haben? Und wem gehört denn die kleine Schreilisel da! Ist ihre Mutter zu Hause oder steht sie gar vor mir?"

Dem Lenchen schoß vor Empörung über diese Frechheit das Blut in die Wangen, und sie war außer Stande, auch nur ein Wort hcrvorzubringen.

Ist nicht so böse gemeint, lieber Schatz", fuhr der Vagabund fort.Ein Scherz in Ehren, wer wills verwehren? Aber nimm den kleinen Schreihals auf Len Arm! Man kann ja gar nichts mit­einander reden.Warte, ich will Dir ihn bringen."

Mit diesen Worten trat der unsaubere Mensch auf die kleine Frida zu, welche mörderisch schrie und ihm ins Gesicht schlug.

Bitte, lasset mir das Kind in Ruhe und gehet in das Wohnzimmer hinaus, ich will Euch dann alles geben, was Ihr begehret", sagte Lenchen mit Fassung.

Ei, mein lieber Schatz, da bin ich ja ganz zufrieden. Stecke aber zuerst dem Früchtlein einen Schlotzer ir»S Maul. A propos, Du bist wohl allein zu Hause? Die anderen sind beim Heumachen? Nicht wahr?"

Ja, aber sie werden bald heimkommen", sagte Lenchen, an allen Gliedern bebend, und nahm, während der Handwerksbursche, als wäre er Gebieter im Hause, sich in das andere Zimmer entfernte, die Frida aus dem Bettchen, die sich schnell auf dem schwesterlichen Arm beruhigte.

Der Vagabund ließ sich auf der Ofen­bank nieder und musterte mit seinem Blicke das Zimmer, wobei ihm besonders eine große silberne Taschenuhr in die Augen stach, welche an der Hauptwand unter dem großen Spiegel hing. Als Lenchen sich noch immer nicht zeigte, erhob er sich hinter dem Tisch hervor und schritt langsam auf den Spiegel zu. Aber welches Bild sah er jetzt plötzlich im Spiegel. Lenchen war hinter seinem Rücken unter die Kammerthür getreten, hielt die kleine Frida auf dem linken Arm, und mit der rechten Hand das lederne Halsband eines kalbhohen Bullen­beißers ohne Maulkorb.

Werter Wandersmann," sagte Len­chen, im Vollbewußtsein ihrer Sicherheit zu dem erschreckt sich umkchrenden Vaga­bunden,eS wird doch besser sein, Ihr kommet in einer Stunde wieder, wenn meine Leute zu Hause sind. Euren Stock könnet Ihr auf der Ofenbank einstweilen liegen lassen, und dann abholen. Ich fürchte, ich kann den Sultan nicht halten, wenn er den großen Prügel in Eurer Hand sieht."

Zum Beweis fing der Sultan derart zu knurren au, daß es dem guten Mann ganz wackelig in den Beinen wurde und er mit einem höflichen Hutlupfer die Oeffnung zu erreichen suchte, welche der Zimmermann an der Wohnung gemacht hatte.

Lencheu war gerettet und dankte Gott. Sie machte der Frida das Süppchen fertig, legte aber den Sultan, ehe die anderen hereinkamen, nicht wieder an die Kette, sondern schickte ihn, als sie jetzt mit der Kleinen im Hause, in der Scheune und im Stalle herumspazierte, überall voraus.Such, Sultan, such!" rief sie

ihm fortwährend zu; denn sie traute dem Stromer nicht, ob er sich nicht irgendwo wieder hereingeschlichen und verborgen habe. Im Stalle zeigte sie dem Schwester­chen die Hasen, welche da uud dort unter oder auch in der Kr>ppe saßen. ES waren keine gewöqnliche kurzhaarige Kaninchen, sondern mit langer zarter Wollseide begleitete Seidehasen, von meist weißer Farbe. Auch einige völlig blaue befanden sich darunter, welche für selten galten. Den Kindern erschienen diese Hasen mit ihren roten, hellleuchtenden Augen viel wichtiger als die Pferde und Kühe; denn sie gehörten ihnen zu eigen. Jedes Kind besaß mindestens ein Pärchen. Die glücklichen Besitzer dursten, wenn die Zahl der Kaninchen dem Hanfbauern allzusehr anwuchs und den Boden des Stalles durchhöhlte, die jungen Paare verkaufen; auch bezahlte ihnen die Mutter etwas für die von Zeit zu Zeit »ab­geschorene Seide. Schon der Frida war in diesem Jahr ein Nest voll zugeteilt worden, und sie kannte ganz gut die kleine Höhle, wo die Jungen saßen. Lenchen holte im Futtergang einen frischen Kleestengel, reichte ihn der Kleinen und führte sie zu dem Loche unter der Krippe, neben welcher die schöne Emmenthalerin lag und ihr Wiederkaugeschäft mit großer Gemütsruhe verrichtete. Frida hielt nun den Stengel vor die Höhle. Richtig, sie rochen den Klee, die vier jungen Häschen, krochen hervor und nüffelten an dem frischen Grün herum. Es war gar köstlich anzusehen, und satt sah sich die kleine Frida nicht. Sie wäre wohl noch lange dort gestanden und gekauert, und Lenchen hätte noch einen dritten und vierten Klee­stengel aus dem Futtergang holen können, wäre nicht Marlin mit lautem Peitschen­knall unter dem Jubel der hoch auf dem Heuwagen thronenden Kinder in den Hof eingefahren. (Forts, folgt.)

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was a's solche angeboten wird, ist auch nur ein aus elfigfaurem Kalk hergestelltes Produkt, dem vielleicht etwas Rosinenextrakt und künstliche Bouquetstosse zugesetzt wurden. Wenn wirklich Wein verwendet wird, so ergiebt sich hievon in der Verdünnung ein so minimaler Gehalt (höchstens 2 Prozent), daß dieselbe unmöglich als Weinessig angesehen werden kann.

W i l d b a d.

Bekanntmachung.

Es ist geradezu unbegreiflich, daß bei der Menge von Wasser, welches durch städtische Wasserleitungen in die Stadt geliefert wird, derzeit öfters Klagen über Wassermangel geführt werden und es kann dies blos dem Umstand zugeschrieben werden, daß von einer größeren Zahl von Einwohnern eine unverantwortliche Wasserverschwendung stattfindet.

Die bürgerlichen Kollegien haben daher am 23. Juni ds. Js. beschlossen, den Stadtpfleger, Stadlbaumeister, Brunnenmerster und den denselben temporär zu diesem Zweck zugeteilten Dienstmann Robert Funk von hier mit mit energischer Ueberwachung des Wasserverbrauchs bei den einzelnen Konsumen­ten und zur Anzeige jeder Verfehlung gegen den Wasservertrag mit denselben zu beauftragen, wobei bemerkt wird, daß nach tz 17 des Wasservertrags diesen städ- tischen Beauftragten der Zutritt zu allen von der Leitung berührten Räumen im I Innern der Gebäude und Grundstücke gestattet ist.

Dies wird mit der Verwarnung an die Wasserkonsumenten und mit dem Anfügen bekannt gemacht, daß gemäß dieses Beschlusses jeder unnötige Wasser- verbrauch und jede Wasserverwendung zu nicht vertragsmäßig festgestellten Zwecken neben den festgesetzten Konventionalstrafen auch die volle Entziehung des Wassers zur Folge habe und daß der Bestrafte erst dann einen Wiederanfchluß erreiche, wenn er einen Wassermesser auf seine Kosten von der Stadtpflege beziehe und einsetze.

Wildbad, den 7. Juli 1900. Stadtschultheißenamt.

B a»tz n e r.

W i 1 d b a d.

Aekanntmachung.

Diejenigen Einwohner, welche

Baumstützen

zu erhalten wünschen, wollen dies bis Dienstag den 10 . Juli d. I. bei der Stadlpflege anmelden.

Den 3. Juli 1900.

_ Stadtpflege.

Wettlauf

Am Dienstag bezw. Mittwoch von

Abends 6 Uhr ab auf der Hauptstraße und König-Karl-Straße vom Hotel Post zur Wilhelmsbrücke, 895 m 36 Mal in 60 Minuten und Aufsteigen von Luft- ballons. 38 Mark Demjenigen, der mich besiegt. Wahrscheinlich fährt ein Radfahrer mit, der 20 Runden fahren muß, bis 10 gelaufen sind. Billets 20 Pfg' Hochachtungsvoll

Gerhardt, Wettläufer.