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4 500 000 Mk. Wir können dem jungen Verein, der sich alle Mühe gab, in Pforz­heim eine derartige Ausstellung zustande zu bringen, nur dankbar sein und wün­schen, daß die Ausstellung den gewünschten Erfolg haben wird.

P so rzhe im, 18. Juni. Ein furcht- bares Familiendrama hält die Gemüter hier in Spannung. Heute früh versuchte der 33 Jahre alte Vorarbeiter am städt. Gaswerk Wilh. Faas sich mit einem Rasiermesser den Hals abzuschneiden. Darauf wollte er sich von Haus entfernen, um sich in die Enz zu stürzen. Doch wurde er noch von einem Hausbewohner zurückgehalten. Faas gab aber an, man solle ihn gehen lassen, er wolle sterben, denn seine Frau sei heute nacht plötzlich gestorben. In der That stellte sich heraus, daß die Frau Faas tot in der Wohnung lag. Bei näherer Untersuchung stellte sich aber noch weiter heraus, daß die Frau augenscheinlich gewaltsam ums Leben gebracht wurde. Faas hatte gestern abend mit seiner Frau Streit und dabei scheint er sich in der Wut an seiner Frau schwer vergriffen zu haben. Die Sache wird sich jedenfalls heute aufklären. Faas wurde vorläufig ins Krankenhaus ge­bracht.

Karlsruhe, 15. Juni. ZweiSolda- tinnen" der Heilsarmee, Namens Lina Geyer und Emma Meyer, benutzten die letzte Anwesenheit des Kaisers in Karls­ruhe, um Se. Majestät mit demKriegs­ruf" und denKriegsliedern" bekannt zu machen. Sie warfen, als der Kaiser und die Großherzogin in die Stadt ein- fuhr, die genannten Drucksachen in den Wagen der hohen Herrschaften. Das Großherzogliche Bezirksamt erblickte darin einen groben Unfug und bedachte die beiden Soldatinnen mit einem Straf. Mandat von je 20 Mk. Das Schöffengericht, an das sie appellierten, sah die Sache etwas milder an und reduzierte die Strafe auf je 10 Mk.

Die Karlsruher Wirte wollen, daß die Brauereien an Flaschenbierhändler kein Bier verkaufen. Da die Brauereien darauf nickt eingehen, so wurde im Karls- ruher Wirtsverein die Gründung einer eigenen Brauerei beantragt. Der Vor- schlag fand allseitige Zustimmung. Ver- schiedene Wirte erklärten sich bereit, durch namhafte Beiträge die Verwirklichung des Projektes zu fördern. Zunächst soll ein juristischer Rat über die gesetzlich not­wendigen Schritte eingeholt werden, da viele Wirte finanziell abhängig von den Brauereien sind.

Offen bürg, 18. Juni. Der Schah von Persien ist mit Gefolge am Mitt­woch früh 8 Uhr hier durchgereist. Im Herzen eines hiesigen bei Hengstler be­schäftigten Bückerjungen hat die Durch­reise der persischen Majestät, wie die B. L. Z. zu erzählen weiß, etwas wehmüt­ige Gefühle zurückgelassen. Der Junge stand mit Backwaren am Zug und freute sich mächtig, als die frischen Wecken bei einige» Herren aus dem Gefolge des Fürsten großen Anklauguud raschen Ab­satz fanden. Leider blieb aber derWeh- mutstropfen im Freudenbecher nicht aus, die asiatiscken Würdenträger vergaßen nämlich das Zahlen. Thränenden Auges sah der Bäckerjunge dem davon­fahrenden Zuge und seinen schönen Sem­meln nach und beruhigte sich erst, als

ihm der weltgewandte und im Verkehr mit Fürstlichkeiten erfahrene Bahnhof- restauruteur die tröstliche Versicherung gab, daß die Brödchen ganz sicher noch bezahlt würden und daß vielleicht noch einer von den Brillanten, an denen der persische Fürst ja so reich ist, der be- glichenen Rechnung beigefügt würde.

Berlin. Durch die große Hitze in den letzten Tagen hatten die Pferde außer­ordentlich zu leiden, und in der Zeit vom 9. bis 14. Juni wurden 22 an Hitzschlag gestorbene Pferde der Abdeckerei über- wiesen. 176 Pferde erkrankten gleichfalls infolge der Hitze und mußten ausgespannt werden. In noch stärkerem Maße wurden Ziehhnnde durch die hohe Temperatur in Mitleidenschaft gezogen. Als durchaus widerstandsfähig der Hitze gegenüber er­wiesen sich die Esel. Weder im vorigen Sommer noch in diesen Tagen ist auch nur eine einzige Erkrankung von Eseln gemeldet worden. Die Langohre haben die Hitze mit derselben Ruhe und Aus- dauer ertragen, wie im verflossenen Winter die Kälte.

Berlin, 18. Juni. Das Wolffbureau meldet ans Tschifu: Nach einem kombi- nirten Angriff der fremden Kriegsschiffe wurden die Takuforts genommen. Bei der Erstürmung fielen von dem deutschen Kriegsschiffe Iltis 3 Mann, 7 wurden verwundet. Die Fremdenniederlaffungen in Tientsin werden von den Chinesen be- schossen. Von dem nach Peking entsandten deutschen Detachement (zum Schutz der dortigen Gesandtschaften) liegen keine Nachrichten vor.

Berlin, 18. Juni. Ein vom deutschen Konsul in Tschifu heute Mittag in Berlin eingetroffenes Telegramm lautet: Heute Nacht brachte ein japanisches Torpedoboot aus Taku folgende Nachrichten: Die Chinesen legten im Takuflusse Torpedos und zogen Truppen von Shan-Heik-Wan zusammen. Die auf dem russischenAdmirals- schiffe versammelten fremden Befehlshaber richteten an die Kommandanten der Taku­forts ein Ultimatum, ihre Truppen bis 2 Uhr am Nachmittag des 17. Juni zu­rückzuziehen, worauf die Forts am 17. Juni 1 Uhr Nachts das Feuer eröffneten, das von deutschen, den russischen, englischen, französischen und japanischen Schiffen er­widert wurde und 7 Stunden dauerte. Angeblich sind zwei englischeSchiffe zwischen den Forts im Flusse gesunken. Der Telegraf und die Eisenbahn zwischen Taku und Tientsin sind zerstört. Die Verbind- ung zu Wasser ist gleichfalls gefährdet.

Graz, 18. Juni. Ein Mordanschlag gegen die Gräfin Hartenau, die Witwe des Fürsten Alexander von Bulgarien, ist entdeckt worden. Um einen Raub aus- zuführeu, hatten der frühere gräfliche Kutscher Friedrich und ein gewisser Back die Ermordung der Gräfin geplant. Die Ausführung wurde lt.Fkf: Ztg." ver- hindert, da beide inzwischen wegen anderer Verbrechen verhaftet wurden. In der Untersuchungshaft setzten beide ihre Ver­abredungen fort, die die Zellengenossen belauschten. Indessen wurden Friedrich wegen Mordthaten zn neunjährigem, Back zu zweijährigem Kerker verurtheilt.

Bern, 18. Juni. Das kleine Dorf Wiler im Lötschenthal, Bezirk Raron, wurde in der vergangenen Nacht durch Feuer vollständig zerstört. 300 Menschen sind obdachlos.

Aus der Schweiz. Das Luzerner Tagblatt erzählt: Vor etlichen Wochen war der Wärter des im Hochsommer ge­öffneten Hotels A'meiden oberhalb Tour- temagne «deutsch: Turtmann, im Bezirk Lenk) (Wallis) vors Haus gegangen, um Holz zu spalten. Er hatte den Winter ganz allein dort oben verbracht, nur zwei treue Hunde leisteten ihm Gesellschaft. Als der Mann gerade an der Arbeit war, löste sich die auf dem Dach ange­häufte Schneemasse los, begrub den Mann bis an den Hals und drückte ihn gegen eine Mauer, se daß er kein Glied rühren konnte. Die Hunde sahen ihren Herrn in dieser gefährlichen Lage und begannen den Schnee um seinen Hals wegzuscharren, aber es half nicht. Auf einmal nahmen wie auf Verabredung hin die Tiere Reißaus und flogen wie ein Pfeil bergab. Drunten im Thale, in Ems, wohnt ein Bruder ihres Herrn. Ohne anzuhalten, rannten sie über den Schnee; in einer Stunde haben sie den vierstündigen Weg zurückgelegt. Gegen Mittag war die Lawine niedergegangen; vor 1 Uhr kratzen, winseln, bellen und heulen sie vor dem Haufe, aus dem die Hilfe kommen sollte. Man öffnet die Thüre, um die schweiß­bedeckten Tiere einzulassen. Sie nehmen die Einladung nicht an, sondern ver­doppeln ihr Bellen; man bringt ihnen zu fressen. Sie weigern sich. Jetzt wird man unruhig. Was haben denn auch die Hunde? fragt man sich und schließ­lich überkommt es den Hausbesitzer wie eine Ahnung, es müsse seinem Bruder ein Unglück passiert sein. Schnell kleidet er sich bergmäßig an, formiert mit meh­reren Nachbarn eine Hilfskolonne und macht sich mit ihr auf den Weg. Als die braven Lötschthäler nach 7stündigem Marsche bei dem Hotel anlangten, fanden sie den Verunglückten noch immer im Schnee begraben. Die Sinne waren ihm geschwunden, die Glieder erstarrt. Da sprangen die Hunde auf ihn zu und leckten ihm das Gesicht. In wenigen Minuten hatten die Männer den Ge­fangenen aus den eisigen Fesseln befreit und ins Leben zurückgerusen. Ohne die beiden treuen Tiere wäre sein Schicksal besiegelt gewesen.

Paris, 18. Juni. Die französische Regierung entsendet 20000 Mann Kolo­nialtruppen nach China.

Vom Kriegsschauplatz in Südafrika.

Tschifu, 18. Juni. Die Forts bei Taku wurden gestern 7 Stunden lang durch deutsche, russische, englische, fran­zösische und japanische Schiffe beschossen, nachdem die Chinesen das ihnen gestellte Ultimatum mit Feuer aus den Forts be­antwortet. Zwei englische Schiffe sollen gesunken sein.

London, 18. Juni. Wie gerücht­weise verlautet, sollen die Europäer die Festungswerke von Taku besetzt haben. Das Gerücht ist noch unbestätigt.

London, 18. Juni. Der Morning- post wird aus Peking gemeldet: Die chinesische Regierung ist bestürzt und kann nicht entscheiden, ob sie die Boxer gewalt­sam unterdrücken oder der Welt Trotz bieten soll. Die Entscheidung liegt bei der Kaiserin. Einige wenige Boxer mar- schiren durch Peking. Der deutsche Ge­sandte ist gefangen. Ein Haufen Boxer aht die Gesandtschaftsstraße besetzt und