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berg auf Langenau bei Mainz, einer der bedeuter^dsten Obstzüchter Deutschlands, und Freiherrn Heinrich Otto v. Molsberg, General der Artillerie z. D. und General- adjudant des Königs von Württemberg in Stuttgart. Beide stehen im Herbste des Lebens und mit ihnen schließt, da da sie keine Söhne hinterlassen, die bis 1277 nachweisbare Ahnenreihe dieses mit Gutenberg blutsverwandten Patrizier- geschechts, des einzigen, wohl aus Guten- bergs Verwandtenkreis, von dem heute noch Nachkommen existiren.
London, 9. Juni. Der „Times" wird aus Peking gemeldet, dort seien Einzelheiten bekannt geworden, wonach die Missionare Normann und Robinson in barbarischer Weise in Stücke gehackt worden seien. Die chinesische Regierung könne nicht von der Anklage befreit werden, daß sie an den Mordthaten mitschuldig ist. Sie schickte nach Kochau und Poa- tingfu, den Hauptcentren der Boxer, einen bekannten fremdenfeindlichen Beamten als Untersuchungs-Kommissar; derselbe war Direktor jenes Bergwerks- und Eisenbahn- Bureaus, das dazu gegründet worden war, Um alle Eiserbahn- und Bergwerks- Unternehmungen zu verhindern. — Die amerikanische» Missionare baten Mac Kinley telegraphisch um Schutz. Sie teilten mit, daß ihre Missionen in Paotingfn und anderen Orten in äußerster Gefahr seien, daß die Missionsstation Tungchau anfge- geben, daß die Kapellen überall verbrannt und Hunderte von eingeborenen Christen niedergemetzelt worden seien. Der Direktor der Eisenbahnen Hsutchingckeang, giebt zu, daß die Zerstörung der Eisenbahnen fortdauert und daß eine baldige Wieder Herstellung des Verkehrs nicht zu erwarten ist. — Nach einer Meldung der „Daily Mail" aus Tientsin schließen sich fast alle Dörfer um Tientsin der Boxerbewegung an. Abteilungen von Ausländern, die jsich den Dörfern nähern, werden von bewaff- neten Banden zurückgelrieben.
Lokales.
— Am Donnerstag den 14. ds. (Fronleichnamsfest) werden folgende außerordentliche Züge ausgeführt: Nr. 972 Wildbad ab 6.50 Nachm. Pforzheim an 7.48 N. Calw ab 7.25 Nachm. Pforzheim an 8.14 N. Die Züge halten auf allen Stationen der Enz- und Nagoldbahn an.
Unterhaltendes.
Das geheimnisvolle Ziel.
Humoreske von F. v. Minra-'
»Schlußg Nachdruck derb.)
Melanie fragte teilnehmend, was ihm geschehen sei, es lag eine wirkliche Sorge auf ihrem Antlitz.
Er aber erwiderte kurz: „Ich bin gefallen."
„O, Liebster, das scheint dir jetzt oft zu passieren. Du leidest doch nicht an Schwindel?"
„Nein, unter der Schwindelei Anderer", fuhr er auf. Sie sah ihn groß an. „Hast Du Verdruß gehabt? Minna verriet mir, daß Du jetzt jeden Vormittag ausgingst, ich vermute zu Deinen Verlegern."
„Ja, ja, ja, frag doch nicht so viel. Es ist unglaublich, wie oft man umkippt — wollte sagen, umkehren muß, weun die Herren keine Zeit haben."
Eines Tages, als sie wieder fort war,
kam er ganz stolz auf eiuem Rade daher und brachte es dann heimlich in den Holzstall, wohin sich seine Gattin nie verirrte.
„Endlich geht's," frohlockte er im Stillen; „heute bin ich nicht heruntergefallen. Morgen früh folge ich ihr. Wahrscheinlich kommt sie mit dem Leutnant draußen auf der Landstraße zusammen, denn er hat ja auch ein Rad. Um mich zu täuschen, forderte sie mich auf, auch zu radeln. Solche Scheinmanöver kennt man! Morgen um diese Zeit weiß ich, wo sie sich treffen. Und dann — Verhängnis nehme deinen Lauf!" —
Nichts ahnend radelte Melanie andern Tags wieder davon; in kurzer Entfernung folgte ihr der Gatte. Sie bog um mehrere Ecken und sodann in die Straße ein, wo der Vetter wohnte. Das hatte Conrad doch nicht erwartet; ein Stelldichein unter freiem Himmel war schon strafwidrig genug, aber Tag für Tag in seiner Wohnung — schauderhaft!
Er machte eine heftige Bewegung, der Zorn schüttelte ihn nur so. Dies Gebühren nahm aber das Stahlroß übel, es machte einen furchtbaren Satz und lag mit dem armen Conrad im Straßenstaub, Beide regungslos und kaput, letzterer — o Schrecken — blutüberströmt.
Der Leutnant kam gerade aus seinem Hause und erkannte den Vetter, den bereits viele Menschen umstanden. Mit der ihm zukommeuden Schneidigkeit ließ er durch zwei Leute den Verwundeten in das seiner Wohnung gegenüberliegende Hotel bringen. Der Wirt kam hinzu und half, diesen auf das Sopha in seinem Kontor zu betten. Dann öffnete er die Küchenthür: „Wasser her, schnell! Hier ist ein Patient!"
Die Wirtin erschien, hinterihr schauten einige weibliche Köpfe neugierig durch die Thür. Da — ein Aufschrei! Eine junge Dame in weißer Küchenschürze, mit dem Kochlöffel in der Hand, stürzt auf Conrad zu und wirft sich schluchzend vor dem Sopha nieder.
„Cousine, Du?" ruft der Leutnant erstaunt.
„Was ist geschehen?" jammerte sie statt aller Antwort. „O Gott, gewiß wieder ein Schwindelanfall!'
„Ne — mit dem Rade gepurzelt."
„Mit dem — Rade?" Sie hat nicht Zeit, darüber nachzudenken, Conrad rührt sich und schlägt die Augen auf. Sein Blick fällt auf die Beiden, alle anderen haben sich diskret in die Küche zurückgezogen.
„Also doch," stammeln die blaffen Lippen schmerzlich.
„O, Conrad, verzeih," bittet Melanie und küßt , seine Hand, während der praktische Offizier ihm kalte Umschläge aus die Kcpfschrammemacht. „Jchwollte Dich überraschen, indem ich hier im Hotel heimlich kochen lernte. Vor- und Nachmittags bin ich hergeradelt und habe Deine Vorwürfe geduldig ertragen, damit ich mich glänzend durch meine Kenntnisse bei Dir einführen könnte."
„Pyramidal" schaltete der ^Leutnant ein. „War auf Ehre ganz perplex, als Cousincheu hier aus der Küche auftauchte."
Conrad sah ungewiß von einem zum anderen. Nein, dieser treuherzige Blick des Vetters und der zärtliche seines Weibes, mit dem sie ihn jetzt anschaute, konnten 'nicht lügen.
»Und nun hast Du doch Alles entdeckt," fuhr Letztere fort, „und bist mir gefolgt' um mich nun auch zu überraschen."
„Ja," hauchte der Schwache, „um Dich zu überraschen."
Nochmals flog ein mißtrauischer Blick zu dem mit Eisstücken hantierenden Leutnant.
„Großartige Geschichte! Muß ich doch im Klub erzählen," lachte der.
„Ach bitte, nein, Letter! Ja, ist es nicht süß von Conrad, daß er nun doch radeln gelernt hat, um mir heimlich eine Freude zu machen?"
„Um — Dir — Dich — heimlich —"
„Laß nur, mein Herz, sprich nicht so viel. Der Vetter läßt uns jetzt einen Wagen holen, dann bringe ich Dich zu Hause gleich zu Bett und pflege Dich gesund. O, Du sollst sehen, wie schön ich jetzt schon kochen kann, obgleich der Kursus noch nicht beendet ist. Minna wird sich wundern. Und wenn Tu dann besser bist, radeln wir zusammen aus, und Du darfst nicht mehr so viel am Schreibtisch sitzen."
„Teuere Melanie!"
Die Rührung wurde so allgemein, daß dem Leutnant sogar Heiratsgedanken dabei kamen. Er ging schnell, den Wagen zu bestellen und überließ die jungen Leute ihren Herzensergüssen.
Telegramm der Wildvader Chrouik.
Berlin, l3. Juni. Der Reichs- ta g nahm in dritter Lesung das Flottengesetz mit 201 gegen 103 Stimmen an. Hierauf wurden die Sitzungen vertagt.
Vermischtes
(Ersatz.) „Haben Sie draußen auf Ihrem Gute auch ein Echo?,, — „Nein! Aber eine alte Tante, die erzählt auch alles wieder.
(Erschwerend.) Gemeindepolizist (einen Fremden erwischend, der an verbotener Stelle badet): „Was, bestechen wollen Sie mich? — und noch dazu blos mit zwei Mark?!"
(Kathederblüte.) Professor (zum Kandidaten): „ .. Ja, ja, mein Lieber, die Lücken im Wissen werden zum Loch, durch das man im Examen fällt!"
(Schweres Leiden.) Junger Arzt (in's Wartezimmer tretend) Jst's möglich, lieber Bummel, Du mein erster Patient?.. Ja was fehlt Dir denn?" Bummel: „50 Mark!" (Flieg. Bl.»
Der „Würzburger General- Anzeiger" schreibt in Nro. 112:
* Schöllkrippen, 15. Mai 1900. Die 87jährige bekannte Besitzerin des alt- renommirten hiesigen Gasthauses zum „Grünen Baum", Katharine Schuttes, wollte dieser Tage vor dem Schlafengehen einen Trunk Zwetschgenschnaps nehmen. Sie vewechselte in der Dunkelheit die Flasche und trank unverdünnte Essigessenz. Unter furchtbaren Schmerzen starb sie nach wenigen Stunden. Das kgl. Bezirksamt Alzenau sah sich auf Grund dieses Vorkommnisses veranlaßt, den Ver- käufern von Essigessenz zur Auflage zu machen, daß sie ihre Konsumenten auf die Gefahr des Genusses unverdünnter Essigessenze jeweilig aufmerksam machen. Den Konsumenten wurde empfohlen, niemals mehr. Essigessenz anzukaufen, als sie augenblicklich benötigen.
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